Alexander Windbichler, CEO des Kärntner IT-Unternehmens Anexia

Alexander Windbichler, CEO des Kärntner IT-Unternehmens Anexia

© Anexia

B2B

Anexia: "Wir spielen in einer Liga mit Amazon und Alibaba"

Das Kärntner Unternehmen Anexia wurde 2006 vom damals 19-jährigen Alexander Windbichler gegründet und hat sich seither zu einem rasant wachsenden IT-Dienstleister entwickelt. Es bietet eine breite Palette an Dienstleistungen in den Bereichen Softwareentwicklung und Hosting an. International hat Anexia vor allem mit Cloud-Hosting Bekanntheit erlangt. Zu den Kunden zählen u.a. Netflix, Lufthansa, AirBnB, REWE, Electronic Arts, BMW und Renault Nissan. Wir haben Gründer und CEO Alexander Windbichler  getroffen und über Cybersecurity, Start-ups und Zukunftspläne zu sprechen.

Sicherheitslage

futurezone: Vor rund einem Jahr, im März 2018, wurde Anexia Ziel einer großen DDoS-Attacke. Wie hat sich die Cyber-Sicherheitslage seither entwickelt?
Alexander Windbichler: Die Zahl der Attacken ist massiv gestiegen. Vor einem Jahr hatten wir noch deutlich weniger. Viele der Angriffe bekommen wir gar nicht mit, weil sie automatisch abgewehrt werden.

Was sind die Gründe für diesen Anstieg und welche Ihrer Kunden sind besonders bedroht?
Meist greifen mit Schadsoftware infizierte Computer an. Sie sind Teile von Botnets, die man im Darknet mieten kann. Bezahlt wird mit Bitcoin. Das ist relativ einfach. Gerade während des Weihnachtsgeschäfts gab es viele Angriffe auf Online-Shops, aber prinzipiell kann es jeden treffen. Alle Kunden, die gedacht haben, so etwas betrifft sie nicht, waren schon Ziel einer Attacke.

Welche Mittel wendet Anexia an, um die Daten seiner Kunden zu schützen?
Bei unseren Rechenzentren haben wir einen gewissen Standard. Jedes kritische System ist redundant ausgelegt. Wir haben automatische Löschsysteme, überall sind Kameras. Wir haben Sicherheitsdienste...

... die angeblich auch bewaffnet sind, richtig?
Manchmal sind die auch bewaffnet. Wir haben weltweit 90 Standorte. Es gibt Märkte, wo man erst überrascht wäre, wenn man eine Panzerfaust vor dem Rechenzentrum hat. In Europa ist man schon erstaunt, wenn man von einem bewaffneten Sicherheitsdienst spricht. Hier ist physische Sicherheit nicht das große Thema. Cybersicherheit ist da wichtiger.

Welche Taktiken wendet Anexia an?
Wir haben Sensoren, die kleinste Veränderungen auf den Systemen erkennen. Wir haben andere Systeme, die erkennen, ob Daten entfernt werden. Wir verwenden zig Verschlüsselungsmethoden. In manchen Regionen wird sogar mehrfach verschlüsselt, weil auch Regierungen versuchen, an die Daten zu kommen.

Anexia hat auch ein eigenes Backbone-Netz. Sind dafür Kabel quer durch Europa verlegt worden?
Nein, wir haben bestimmte Kabelstrecken von Infrastruktur-Anbietern gekauft und gemietet und damit ein Backbone errichtet. Das dient dazu, großvolumige Cyberattacken abzuwehren und Endkunden schnell zu erreichen. Wir haben selbstlernende Systeme, um den Datentransfer zu optimieren. 2018 haben wir mit unserer Netzarchitektur den EcoAward der deutschen Internetwirtschaft gewonnen. Dabei haben wir uns gegen große börsennotierte Konzerne durchgesetzt. In der Branche ist das ein wichtiger Award, über den wir uns sehr gefreut haben.

Sind die Rechenzentren im Eigenbesitz oder mietet sich Anexia teilweise ein?
Das funktioniert ähnlich wie ein Mietbüro. Man mietet Platz im Rechenzentrum, stellt da aber seine eigene Ausrüstung rein. An größeren Standorten zahlt es sich aus, eigene Rechenzentren zu bauen. Ansonsten schicken wir unsere Technologien zu Rechenzentren in aller Welt. Da wir keine eigenen Mitarbeiter dort haben, verwenden wir auch Augmented Reality, um Technikern vor Ort zu zeigen, was zu tun ist.

Am Hauptstandort von Anexia in Klagenfurt sind knapp 100 Mitarbeiter tätig

Wachstum

Anexia hat immer mehr internationale Kunden. 2018 dazu gekommen sind u.a. die Harvard University, AIDA Cruises oder das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Wie kommen diese Unternehmen auf Anexia?
Das gibt es viele Möglichkeiten: Über die klassische Weiterempfehlung, Internet, Berichte oder die Open-Source-Community. Unser großes Verkaufsargument ist, dass wir 90 Standorte weltweit haben. Wir denken langfristig und stehen für Kontinuität. Wir finden mit Kunden gemeinsam Lösungen, die andere nicht schaffen. Und wir erzählen Kunden keinen Blödsinn, wenn was schief läuft. Damit gehen wir sehr offen um.

Ihr Unternehmen kam von Anfang an ohne Investoren aus. Können heutige Start-ups Ihnen so etwas gleichtun?
Es kommt darauf an, was ich machen will. Bei mir war das relativ einfach. Ich habe ein Notebook gehabt und Software entwickelt, später Server dazu gekauft. Wenn man Hardware entwickeln will, wird das schwieriger sein. Wenn man wenig Kapital hat, dann überlegt man sich zwangsweise, wie man wirtschaftlicher arbeitet.

Und wenn man Geld von Investoren bekommt?
Man muss aufpassen, wenn man Geld von Investoren auftreibt, aber nicht einmal weiß, wofür man es ausgibt. Aber wenn du eine Geschäftsidee hast, die Kapital benötigen, dann ist es wichtig. Wenn du einen neuen Scooter-Sharing-Dienst aufbauen willst, dann brauchst du Kapital, um deine Tretroller überall hin zu stellen. Da gilt "first come, first serve". Aber wenn man sich ansieht, wie man etwa in Asien an Projekte herangeht, wie man da Geld in Unternehmen stopft - da erkaufen sich Leute Marktmacht. In Österreich haben wir diese Art Investoren gar nicht. Ich folge dem Spruch "Kopf schlägt Kapital". Nicht alles kannst du mit Geld erschlagen.

Einer Ihrer ersten Mitarbeiter ist laut firmeninternem Blog zu Anexia gekommen, weil er in einem Radiobeitrag gehört hat, dass Anexia auch HTL-Abbrecher aufnimmt. Wie gut kommt Anexia heute an Fachkräfte?
Die Lage ist in den vergangenen Jahren verdammt schwer geworden. Für neue Mitarbeiter muss das Geld stimmen, aber eine interessante Aufgabe ist wichtiger. Für einige Unternehmen ist das schwer, wir haben aber eine sehr diversifizierte Auftragslage. Unsere Mitarbeiter haben spannende Themen zu lösen. Im Moment suchen wir Leute aus allen möglichen Bereichen. Um die Ausbildung geht es uns dabei weniger, als um die Einstellung.

Sie haben mal öffentlich davon gesprochen, eine private IT-Berufsschule mitbegründen zu wollen. Was wurde aus dieser Idee?
Wir sind nach wie vor in der Ausarbeitung und führen Gespräche mit Partnerfirmen. Es gibt Konzepte wie eine Berufsgarantie nach der Ausbildung. Ich will das auch nicht nur auf eine Berufsschule konzentrieren. Es geht mehr um die Frage, wie du das Fachwissen erhältst, damit du einen Marktwert hast. Deine Ausbildung interessiert in unserer Branche niemanden. Interessant ist eher, welche Projekte du bereits umgesetzt hast, wie du verschiedene Werkzeuge miteinander kombinierst, wie du an Lösungen herangehst.

Alexander Windbichler

Alexander Windbichler in einem Server-Raum von Anexia

Zukunftspläne

Klagenfurt als Firmensitz war in der Vergangenheit für Sie unumstößlich. Wie sieht es heute damit aus?
Wir sind ein Kärntner Unternehmen und versuchen uns, so gut wie möglich, an unsere Wurzeln zu binden. Wenn man das ausblendet, muss man dorthin gehen, wo man Fachkräfte findet. Deswegen haben wir auch mehrere Büros weltweit. Kärnten hat ein paar infrastrukturelle Nachteile. Daran muss man sicher arbeiten. In der IT-Branche muss man wenigstens nicht immer vor Ort beim Kunden sein.

Was sind Ihre Pläne für Anexia in den kommenden zwei Jahren?
Unser Service-Portfolio umfasst rund 100 verschiedene Services. Die müssen wir weiterentwickeln, damit Kunden überhaupt zu uns kommen. Das ist die Hauptvoraussetzung für eine langfristige Wertschöpfung. Wir bauen eigene Infrastruktur auf, wir haben Lösungen, wo wir besser sind als die großen Cloudanbieter. Wir machen Software, Mobilentwicklung, Cloud - wir finden immer mehr Kunden, wo diese Bereiche miteinander verschmelzen.  Ich bin überzeugt, dass wir noch ein großes Wachstum vor uns haben. Asien und Nordamerika haben ihre Cloudanbieter. Wir wollen DER europäische Cloudanbieter sein.

Sie meinen, Anexia hat das Zeug dazu, in einer Liga mit Amazon, Microsoft und Alibaba mitzuspielen?
Natürlich sind wir noch nicht so groß, aber ich bin der Meinung, dass wir weltweit in einer Liga mit den genannten Anbietern spielen können. Vor zwei Jahren hätte ich mich das noch nicht getraut zu sagen. Mittlerweile weiß ich, dass es definitiv realistische Chancen gibt. Der Markt ist da und wir können Kunden genau das anbieten, was sie auf ihrem Weg brauchen. Wir stehen eigentlich eher auf der Bremse, als dass wir losgelegt hätten, weil wir die  Verantwortung gegenüber unseren Kunden ernst nehmen.

Anexia will also mit Bedacht skalieren?
Wir haben jetzt 13 Jahre Erfahrung und wissen recht genau was wir wollen und was wir dafür brauchen, um das gesamte Unternehmen horizontal skalierbar zu machen. Der Prozess soll niemandem auf den Kopf fallen. Momentan skalieren wir noch mit Bedacht und mit Vorsicht, um aus jeder Situation zu lernen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

mehr lesen
David Kotrba

Kommentare