© Jürg Christandl

Interview

"Auf fünf Schüler kommt nur ein PC"

Haben Sie ein eigenes Büro?
Ein Büro ist in diesem Gebäude nicht vorgesehen, ist aus meiner Sicht auch nicht notwendig, wenn man die neue Welt der Arbeit propagiert. Das ganze Haus ist mein Büro. Wir propagieren die offene Kommunikation, hier kann man in jedem Raum arbeiten. Wie oft sitzt man in seinem Büro? Vielleicht zwei Stunden, man ist bei Kunden, in Meetings. Heute ist man mobil unterwegs.

Gibt es Vorteile des offenen Arbeitens?
Man ist in ständigem Kontakt mit seinen Mitarbeitern, man ist auch sichtbar. Das stellt an eine Führungskraft andere Herausforderungen als ein herkömmliches Konzept. Man wird gesehen und beobachtet. Bei uns wird Teamarbeit propagiert. Ich habe so viel Kontakt zu Mitarbeitern, wie ich noch nie hatte. Dadurch bin ich auch besser informiert. Es gibt keine Barriere zum General Manager Obermeier.

Bei T-Sytems hatten Sie ein eigenes Büro?
Ja, aber es fehlt mir nicht.

Wie lange dauerte es, bis Sie sich für den Job entschieden haben?
Das ist sehr schnell gegangen - innerhalb von sechs Wochen. Ich habe mich mit meiner Frau beraten. Aber als das Angebot gekommen ist, habe ich gewusst, diese Chance muss ich wahrnehmen, der Job ist einfach zu spannend.

Seit Jahren wird debattiert, dass Österreich in ein IT-Fachkräftemangel-Dilemma schlittert. Wie wollen Sie da aktiv werden?
Wir haben einen nationalen Plan für Österreich entwickelt, der drei Eckpunkte umfasst. Der eine ist der Bereich eGovernement und eHealth, dann der Bildungsbereich und ein wesentlicher Bereich ist die neue Welt des Arbeitens.

Wie beurteilen Sie das österreichische Bildungssystem?
Durch verschiedene Initiativen im Schulbereich wollen wir das Bildungssystem mit Informationstechnologie unterstützen. Es ist noch immer so, dass die Schüler daheim modernere IT-Technologie nutzen als in der Schule. Auf fünf Schüler kommt nur ein PC – und das ist wenig. Der Einsatz von modernen IT-Technologien kann das Bildungsniveau signifikant erhöhen. Und wir können mit unseren Produkten die Kinder fitter machen, denn 75 Prozent der Arbeitsplätze haben mit IT zu tun. Kinder müssen lernen, mit IT umzugehen.

Wie könnte man es schaffen, jedem Schüler einen Computer zur Verfügung zu stellen? Vor zehn Jahren wurde schon die Notebook-Klasse propagiert.
Es ist ein Henne-Ei-Problem. Es hat mit den Lehrern zu tun, weil die Kinder teilweise affiner mit der IT-Technik sind als die Lehrer – weil die Kinder damit aufwachsen. Lösen lässt sich das Problem nur über die Zeit und mit Investitionen ins Bildungssystem.

Was wünschen Sie sich von der Regierung?
Dass die Themen Bildung, Weiterbildung und Ausbildung keine Schlagworte bleiben. Wir sind ein wohlhabendes Land und da muss es uns etwas wert sein, in die Zukunft unserer Kinder zu investieren. Und man muss bei den Eltern ansetzen. Ich habe selbst zwei Kinder. Ihnen etwas zu vererben, bringt wenig. Mein Ziel war immer, ihnen eine gute Ausbildung zukommen zu lassen. Das sollte das Investment der Eltern in die Zukunft ihrer Kinder sein.

Was wollen Sie mit Microsoft Österreich erreichen. MS Österreich ist ein kleines Rädchen in der Microsoft-Maschine?
Die Frage möchte ich umdrehen, was kann man für Österreich erreichen. Wir sind ein Unternehmen, in dem großteils Österreicher beschäftigt sind. Wir haben 5000 Partner und sind für fast 40 Prozent der IT-Wertschöpfung in Österreich verantwortlich. Wir leisten einen wesentlichen Beitrag für die österreichische Wirtschaft. Und IKT ist ein größerer Wirtschaftsfaktor als der Tourismus. Wir bringen sehr viel ein.

Worauf setzen Sie die große Microsoft-Hoffnung?
Wir haben eine breite Produktpalette, wir sind in den meisten Kategorien ganz vorne oder unter den Top 3. Ganz weit vorne steht das Thema Consumerisation IT, Cloud Computing – und auch hier ist Microsoft gut aufgestellt. Bis 2015 werden weltweit bis zu 14 Millionen Jobs durch Cloud Computing generiert, in Österreich sind es bis Ende 2015 bis zu 10.000 neue Jobs. Und die Cloud wird auch genutzt – jeder dritte Österreicher hat einen Hotmail-Account, wir bieten mit Skydrive einen 25-GB-Speicherplatz für jeden User an. Und Consumerisation mit Windows Phone, Windows 8.

Die Windows Phones verkaufen sich aber eher in homöopathischen Dosen. Im Dezember wurden gerade einmal 3000 Exemplare abgesetzt. Während von den Konkurrenz-Systemen (Android, iOS) 400.000 Phones verkauft worden sind. Alles wartet auf Apollo (Windows Phone 8, Anm.)
Wenn man den Studien glauben darf von Gartner und IDC, dann wird Microsoft Phone bald an der zweiten Stelle sein. Wir sind aus der Follower-Situation gestartet. Aber das Handy ist schnell, es bietet eine Vielzahl von Funktionen, die die anderen nicht haben. Und die Apps werden ständig mehr, derzeit gibt es schon 60.000 Apps. Es ist etwas anderes als dieser Einheitsbrei. Der Markt fragt danach und die Provider wollen eine Alternative haben. Der Markt kann sich da sehr schnell drehen und wir haben mit Nokia einen starken Partner.

Was erwarten Sie sich von Apollo?
Eine neue User-Experience. Eine Weiterentwicklung. Ich hoffe, dass es ein weiterer Schritt nach vorne ist.

Und von Windows 8 sind Sie freilich begeistert. Müssen Sie auch.
Ich habe es probiert und bin überrascht und begeistert. Die Integration, das Design und dass alles in der Cloud abgelegt ist. Das Design ist sehr ansprechend. Es ist ein neues Erlebnis, mit IT umzugehen. Und es fußt auf den bewährten Technologien von Windows 7, das mit 525 Millionen Verkäufen das am stärksten wachsende Betriebssystem ist - 1,2 Milliarden Windowsnutzer gibt es weltweit. Darauf baut Windows 8.

Microsoft versucht, cooler zu wirken als früher.
Ich finde, dass Microsoft sowieso eine coole Firma ist. Wir haben das Büro an unsere Arbeitsbedingungen angepasst, das Operating System passt sich dem Formfaktor an – mal ist es ein Tablet, mal ist es ein PC und das macht es eigentlich cool. Egal wo ich bin, ich hab das richtige Werkzeug, um meine Arbeit zu erledigen. Wir sparen auch Kosten durch die neue Welt der Arbeit. Wir sind effizienter geworden.

Das Tablet wurde ja eigentlich von Microsoft erfunden. Windows XP Tablet PC gab es lange vor dem iPad – Sie waren zu früh dran.
Das kommt manchmal vor.

Wann wollen Sie stärker in die Tablet-Welt einsteigen?
Windows 8 ist auf Touchscreen ausgerichtet, das Betriebssystem folgt den Formfaktoren, folgt dem Gerät.

Kann man die Dominanz des iPad brechen?
Sicher. Nothing is forever. Wir werden alles dran setzen.

Es gibt eine interessante Aussage aus der Microsoft-Zentrale in Redmond. Dort wird behauptet, dass Bing schon fast so gut ist wie Google. Bevor Sie Microsoft-Chef geworden sind, haben sie gegoogelt oder gebingt?
Gebingt. Es gibt Unterschiede im Suchergebnis, aber für mich ist es das sympathischere Produkt. Es gibt jeden Tag ein wunderschönes Bild in HD-Qualität. Auch am Handy gefallen mir einige Dinge besser.

Welche Zukunftstechnologien finden Sie persönlich spannend?
Die Kinect-Technologie der Gestik-Steuerung, das ist ein Thema, das uns in Zukunft noch stärker beschäftigen wird und noch in vielen neuen Produkten Einzug finden wird. Xbox und Kinect. Gestik und Sprachsteuerung finde ich spannend. Ein Thema für die Zukunft.

Wie teilen sich die Geschäftsfelder auf?
85 Prozent Business, 15 Prozent Privat – in Österreich.

Wie viele Mitarbeiter hat Microsoft zur Zeit?
340 – wir werden sie anheben. Um wie viel? Hängt vom Umsatz ab. Wir wachsen doppelt so schnell wie der Markt

Müsste draußen ein Schild stehen: "Wir stellen ein"?
Ja, wir suchen ständig Leute.

Georg Obermeier: Der gebürtige Salzburger (Jahrgang 1960) begann seine Karriere 1984 bei Nixdorf Computer und war Projektleiter für Daimler/BMW. Nach einer Tätigkeit in Boston als Manager für Großkunden wechselte er 1990 zur Siemens Nixdorf. 2001 wechselte er zu stage1.cc. in den Vorstand für Technologie. Im Juni 2002 wurde Georg Obermeier zum Geschäftsführer von T-Systems, mit Februar 2008 übernahm er den Vorsitz der Geschäftsführung.

Ausbildung Obermeier hat an der WU Wien studiert, am Babson College, an der Harvard Business School sowie an der London Business School. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne.

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