© Jonathan Ernst, reuters

Interview

Blackberry überlegt Totalausstieg aus Geräteproduktion

Smartphone-Hersteller Blackberry will in Kürze über einen Rückzug aus dem klassischen Geschäft mit den Multifunktionshandys entscheiden. Wenn man in diesem Bereich keine Gewinne schreiben könne, werde man darauf verzichten, sagte Konzernchef John Chen in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Viel Zeit für eine Entscheidung bleibe nicht.

Business-Kunden im Fokus

Künftig wolle sich Blackberry stärker als Anbieter für Geschäftskunden in Branchen konzentrieren, in denen großer Wert auf eine sichere Verschlüsselungstechnik gelegt werde. Dabei wolle das kanadische Unternehmen auch von der Verunsicherung wegen der NSA-Affäre profitieren. Blackberry will nach Chens Worten stärker in Branchen vorrücken, die auf eine aufwendig verschlüsselte Kommunikation angewiesen sind, etwa Gesundheitsunternehmen, Banken oder Kanzleien.

Dabei wolle der Konzern mit anderen Firmen zusammenarbeiten. Auch kleinere Übernahmen seien möglich, sagte Chen. Seit der NSA-Affäre nach den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden habe die IT-Sicherheit für Unternehmen und Regierungen einen höheren Stellenwert.

Das Unternehmen stellt nicht nur Smartphones her, sondern betreibt auch das System BlackBerry Messenger (BBM), mit dem sich Nutzer verschlüsselte Nachrichten schicken können. Die Software dafür wird auch für Android-Geräte wie die von Samsung sowie Apples iPhone angeboten. Eine Version für Windows Phone von Microsoft ist geplant.

Marktanteil bei zwei Prozent

Noch 2009 kam Blackberry auf einen Marktanteil von 20 Prozent. Seitdem ist das Unternehmen weit hinter die Branchenführer Samsung und Apple zurückgefallen. Auch Google enteilt mit seinem Betriebssystem Android immer weiter. Ende 2013 kam der Konzern, der in den vergangenen drei Jahren 9.500 Stellen gestrichen und damit seine Belegschaft mehr als halbiert hat, nur noch auf einen Marktanteil von zwei Prozent.

Chen hält es nach eigenen Worten für möglich, auch mit zehn Millionen verkauften Mobiltelefonen im Jahr einen Gewinn zu schreiben. Im vergangenen Quartal lieferte Blackberry zwei Millionen aus. Die meisten Geräte verkaufte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2011: Damals waren es 52,3 Millionen.

"Verbrenne Geld"

Einen neuen Einstieg in das Geschäft mit Endverbrauchern will Chen nicht versuchen. „Wir geben kein Geld mehr aus, um die neueste Version von Angry Birds anbieten zu können“, sagte der Manager. Stattdessen hofft Chen langfristig auf das wachsende Geschäft mit der Vernetzung verschiedenster Geräte - vom Kühlschrank über Autos bis hin zu Smartphones. Dies erfordere eine engere Zusammenarbeit mit anderen Firmen, etwa Telekomkonzernen, sagte der frühere Manager von Siemens Nixdorf.

Chen, der den Vorstandsvorsitz im November 2013 vom Deutschen Thorsten Heins übernahm, räumte auch Fehler seiner Vorgänger ein. „Vielleicht hatten frühere Manager den Luxus, darauf zu hoffen, dass die Welt zu ihnen kommt. Ich habe diesen Luxus überhaupt nicht. Ich schreibe Verlust und verbrenne Geld“, sagte Chen. Er bekräftigte aber, dass Blackberry im kommenden Geschäftsjahr ab März 2015 wieder Gewinne schreiben soll.

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