© Jürg Christandl

Interview

Drei: Entweder Google zahlt oder der Kunde

futurezone: Drei ist durch den Orange-Kauf der drittgrößte Player am Markt. Gibt es eine Vorgabe aus Hongkong, welchen Platz Sie erreichen müssen?
Jan Trionow: Der Platz als solcher ist für ein wirtschaftlich denkendes Unternehmen nicht entscheidend, allenfalls Mittel zum Zweck. Aber mit dem Potenzial, das wir nun haben, und mit der Schlagkraft können wir weiter wachsen. In den kommenden drei Jahren wollen wir bis zu 30 Prozent schaffen.

Woher kommen die neuen Kunden?
Das ist mir am Ende egal, ich habe ja keine persönlichen Feindschaften zu dem einen oder anderen Konkurrenten.

Was wird sich für die Kunden ändern?
Es wird zum einen ein deutlich besseres Netz geben. Es werden die guten Dinge der Orange- und die der Drei-Welt kombiniert, die besten Dienste aus beiden Welten. Die Effizienz durch die Zusammenlegung werden wir ausnutzen können, um neue Tarife anbieten zu können.

Noch attraktivere Preise? Die Branche jammert ja jetzt schon, dass sie kein Geld verdient.
Wir sind in der glücklichen Situation, dass die Nachfrage nach unserem Produkt, nämlich mobile Datenübertragung, ständig stark steigt. Attraktive Preise bedeuten ja nicht zwangsläufig, dass wir weniger für Pakete verlangen, sondern dass man in ein Paket, das gleich viel kostet, mehr Leistungen verpackt.

Wie wollen sie mehr Geld verdienen?
Das ist eine Herausforderung. Was wir aus eigener Kraft können, ist effizienter zu sein. Und das machen wir gerade mit dem Zusammenschluss. Wir können auf Augenhöhe mit den beiden anderen Playern agieren. Wir können uns besser aufstellen, bessere Produkte anbieten und profitabler werden.

Jan Trionow, CEO von Hutchison Drei Austria, berät KMU in Sachen Digitalisierung. 

Sie könnten auch gewisse Services sperren und dafür Zusatzgebühren verrechnen oder den Service-Anbieter zur Kasse bieten, womit wir beim Thema Netzneutralität wären.
Ich habe nicht das konkrete Modell, das sich sofort ausrollen ließe, aber ich bin davon überzeugt, dass man in Zukunft für unterschiedliche Qualität unterschiedliche Preise zahlen sollte. Diese Produktdifferenzierung ist wichtig für den Fortbestand und die Entwicklung der mobilen Infrastruktur.

Das heißt, schnelles LTE gibt es nur für „Premium“-Kunden?
Die Technologie ist für den Kunden zweitrangig. Ob die Leistung über LTE oder HSPA+ erfolgt, ist egal. Hochwertige Videoübertragung allerdings wird in manchen Tarifen gut, in anderen Tarifen weniger gut funktionieren.

Es könnte einen Tarif geben, bei dem YouTube-Schauen möglich ist, und einen, wo es nicht geht?
Ob das jetzt auf einen konkreten Serviceanbieter abgestimmt ist, würde ich offen lassen. Das konkret auf YouTube abzustimmen, könnte wettbewerbsrechtlich kritisch sein.

Es könnte aber Tarife geben, in denen kein Videostreaming möglich ist.
Das müsste man genauer prüfen, aber wenn es transparent wäre, würde die jetzige Gesetzeslage nicht dagegen sprechen. Man müsste offenlegen, welche Dienste gehen und welche nicht. Schon heute bieten wir einen Einsteigertarif mit 30 MB Surfen pro Tag an. Auch dieser Tarif hat Qualitätsgrenzen, denn für das Videoschauen ist er nur begrenzt geeignet.

Was halten Sie davon, Google & Co. zahlen zu lassen – Stichwort Netzneutralität.
Wenn ein Serviceanbieter bereit ist, einen Beitrag zu bezahlen, damit sein Dienst besser funktioniert, sollte das erlaubt sein.

Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Serviceanbieter freie Fahrt auf der Datenautobahn haben will und dafür extra bezahlt?
Dass der Bedarf besteht, davon bin ich überzeugt.  Wenn ich heute ein TV-Anbieter mit einem reinen Internet-Geschäftsmodell wäre, wäre ich schon interessiert, dass die Internet-Anbindung, die meine Kunden nutzen, reibungslos funktioniert. Heute ist beispielsweise ein TV-Dienst noch in den Händen von UPC. Wenn dort einmal Zugang und der Service getrennt sind, ist es vorstellbar, dass für die Qualität der Auslieferung des Produktes auch bezahlt wird.

Wenn ein TV-Sender gut via Drei-Netz übertragen werden will, muss er extra zahlen?
Das wäre denkbar. Wir werden das nicht erzwingen, aber es könnte ein Bedarf entstehen.

Bedarf besteht ja in erster Linie auf Netzbetreiberseite, weil sie ihre Kassen wieder füllen müssen.
Am Ende wird jedes Produkt vom Kunden bezahlt. Welches Modell sich durchsetzt, ob der Kunde viel für seinen Netzzugang und wenig für Service oder umgekehrt bezahlt, das wird sich weisen. Das Internet hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass innovative Geschäftsmodelle möglich sind.  Für eine leistungsfähige Infrastruktur, für den Ausbau der Netze braucht es jedenfalls auch Umsätze.

Droht damit das Ende der Gratis-Gesellschaft im Internet?
Es gibt Tendenzen, dass das bereits passiert. Der Musikstreaming-Dienst Spotify ist ein gutes Beispiel, dass die Bereitschaft wächst, für ein gutes Premium-Service Geld auszugeben. Die Kunden sind dazu bereit.

Also entweder Google zahlt oder der Kunde zahlt?
Genau.

Ministerin Bures hat bekannt gegeben, dass die Einnahmen aus der Frequenz-Versteigerung geteilt werden. 50 Prozent fließen in die Budgetkonsolidierung, 50 Prozent in den Breitband-Ausbau.
Beim Breitband existiert ein starker Wettbewerb zwischen Mobilfunk (LTE, Anm.) und Festnetz (Glasfaser, Anm.). Wenn ich jetzt ein Modell wähle, bei dem ich den Mobilfunk durch eine teure Auktion schröpfe, um das Geld dann für die Subventionierung des Festnetzes zu verwenden, generiere ich eine massive Marktverzerrung.

Inwiefern?
Wenn wir uns das letzte Förderprogramm Breitband 2013 näher anschauen, also die 30 Millionen Euro, die vom BMVIT und dem Lebensministerium ausgegeben wurden, erkennt man, dass zwei Drittel der Förderung an A1 gegangen sind.

Das befürchten Sie nun bei der Auktion ebenfalls?
Es entsteht die Situation, dass hier jemand, der mitsteigert, die Chance hat, 50 Cent von jedem Euro, den er bietet, wieder in Form von Festnetzförderung zurück zu bekommen. Das verzerrt den Wettbewerb und gefährdet den so wichtigen Breitband-Ausbau im ländlichen Raum.

Die schnelle Internetanbindung am Land ist durch Glasfaser nicht möglich?
Der landesweite Ausbau von Glasfaser wird – vorsichtig geschätzt – fünf Milliarden Euro kosten. Diese fünf Milliarden sind kurzfristig nicht zu finanzieren und selbst wenn aus einer Auktion 250 Millionen Fördergelder fließen sollten, ist es für das Gesamtthema ein sehr kleiner Beitrag.

Der LTE-Ausbau wäre günstiger?
Der LTE-Ausbau kostet einen Bruchteil davon, wir sprechen dabei von einem Faktor 10. Regulator Serentschy hat selbst gesagt, er rechnet mit 100 bis 200 Millionen Euro, um LTE in Österreich auszubauen. Um kurz- und mittelfristig eine schnelle Internetversorgung am Land zu gewährleisten, wird LTE der wichtigste Faktor am Land sein.

Wird Drei an der Frequenz-Auktion teilnehmen?
Das dürfen wir nicht sagen, da wurde uns vom Regulator verboten. Wir haben Aussagen im Vorjahr getätigt, und dabei bleibt’s.

Wie würde sich ein hoher Verkaufserlös auf die Betreiber und die Kunden auswirken?
Ein hoher Auktionserlös wäre zum Nachteil des Ausbaus von Mobilfunk. Denn die Kosten, die für die Auktion ausgegeben werden, müssen wieder zurückverdient werden. Das muss man machen, indem man weniger ausbaut, der Konsument muss die Zeche bezahlen in Form von weniger attraktiven Preisen. Ein hohes Auktionsergebnis ist schlecht für den Ausbau von LTE und das ist wiederum schlecht für die Verfügbarkeit von LTE im ländlichen Bereich.

A1-Generaldirektor Ametsreiter hat im futurezone-Interview

gefordert
, dass die 120 europäischen Betreiber auf vier reduziert werden sollten.
Das Ziel, dass man die gleichen drei, vier Betreiber in den europäischen Ländern findet, klingt gut, und geht leicht über die Lippen der Politiker in der EU, weil es dem Ziel eines einheitlichen Europa sehr entgegen kommt. Aber das ist so so weit weg. Dass das in den kommenden zehn Jahren passieren wird, ist total unrealistisch.

Europa war ein Mobilfunkkontinent. Kann sich Europa wieder aus der Misere rauskommen?
Im Bereich der Telekommunikation muss Europa das Konzept der Regulierung überdenken. Wenn ich heute sehe, welchen engen regulatorischen Rahmen wir hier in Österreich unterworfen sind, ob Sicherheit, Wettbewerb, Urheberrecht, Konsumentenschutz, dann haben wir einen deutlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber den globalen Player.

Welche Player meinen Sie damit?

Wenn ich ein Produkt von Google oder Apple nutze, bekomme ich eine kurze Einblendung der AGBs, die ich mit einem Häkchen akzeptieren muss und los geht’s. Wir müssen Notrufe sicherstellen, Abhörmaßnahmen ermöglichen, wir werden gezwungen, dem Kunden eine kostenlose Papierrechnung zu ermöglichen etc. Das sind alles Fesseln an unseren Beinen und wenn man auf Augenhöhe mit den anderen mitspielen wollte, müsste man Europa eigentlich verlassen. Auch die idealen  Rahmenbedingungen von Bildung und –Risikokapital müssten geschaffen werden, damit es zu mehr Innovation kommt.

Wachstum: Die Jahresbilanz, in der die Zahlen des aufgekauften Konkurrenten Orange noch nicht ausgewiesen sind, endete für Drei mit einem starkem Kunden- und Umsatzwachstum. 1,71 Millionen Kunden zählte Drei Ende 2012,  eine Steigerung von 27 Prozent. Mit der Kundenzahl wuchsen auch die Umsätze: 361 Millionen Euro entsprechen einem Plus von zwölf Prozent zum Vorjahr. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) belief sich  auf 16 Millionen Euro (2011: 2 Millionen Euro).

Das neue Drei:
Anfang Februar hat Drei die Zentrale von Orange in Wien 1210 bezogen, die alte Bürogebäude von Drei in den Wiener Gasometern sind noch bis Mitte 2014 angemietet, Interessenten gibt es bereits. Die Marke Orange wird im dritten Quartal aus dem Mobilfunkmarkt verschwinden, vermutlich Mitte September wird Drei neu präsentiert. Durch den Zusammenschluss werden einige Mitarbeiter den Job verlieren, die genaue Zahl steht noch nicht fest. Die Anzahl der Shops wird von 160 – 60 hat Drei, 100 hat Orange – auf etwa 100 reduziert.

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