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Interview

Facebook: "Werbung kratzt nur an Oberfläche"

Wie viel ist Facebook gemessen am derzeitigen Gewinn denn jetzt wirklich wert?
Christian Hoffmann: Am Ende ist ein Unternehmen immer so viel wert, wie die Menschen bereit sind, dafür zu bezahlen. Mit anderen Worten: Der Kapitalmarkt muss über den Wert des Unternehmens entscheiden. Richtig ist, dass der Gewinn von Facebook in 2011 mit etwa 1 Mrd. Dollar noch bescheiden ausfiel. Zum Vergleich: Exxon erwirtschaftete im selben Jahr 40 Mrd., Apple 26 Mrd. und Microsoft 23 Mrd. Dollar Gewinn. Zum Zeitpunkt des Börsengangs war Facebook also das Hundertfache seines Gewinns wert. Im Fall Exxon liegt dieser Faktor bei etwa 10, Apple ist etwa das Zwanzigfache seines Gewinns wert. Diese Zahlen zeigen: Das relativ junge Unternehmen Facebook wird nicht aufgrund seines heutigen Profits, sondern aufgrund möglicher künftiger Erträge bewertet.

Primäre Einnahmequelle ist Werbung. Kann Facebook den Platzhirsch Google überhaupt besiegen?
Das Werbeumfeld bei Google und Facebook ist sehr unterschiedlich. Google-Nutzer verwenden die Seite zielorientiert – sie suchen etwas. Das macht Werbung auf dieser Plattform interessant. Auf Facebook dagegen „leben" die Menschen, sie verbringen tatsächlich Zeit dort, lesen, kommunizieren, spielen. Werbung auf der Facebook-Plattform findet zum Teil im intimen Privatleben der Nutzer statt. Ob dies ein Vor- oder eher ein Nachteil ist, ist noch nicht ganz klar. Ein Vorteil von Facebook ist aber sicher das enorme Wissen der Plattform über die Interessen, Demographie und Präferenzen der Nutzer. Werbung kann hier zielgenauer platziert werden, als auf Google. Das weiß Google auch, und darum versucht das Unternehmen, mit Google+ ein eigenes Soziales Netzwerk zu etablieren. Kannibalisieren werden sie die beiden Werbeplattformen Facebook und Google aber wohl vorerst nicht, da der Online-Werbemarkt immer noch dynamisch wächst.

Wie viel sollte man sich einen Facebook-Fan maximal kosten lassen?
Der Zusammenhang zwischen einer Werbeanzeige und einem tatsächlichen Kauf ist auf einer Suchplattform wie Google viel enger, als auf einem Sozialen Netzwerk. Auf Facebook bauen Unternehmen längerfristig orientierte Beziehungen zu jenen Nutzern auf, die sich für das Unternehmen interessieren und vielleicht auch begeistern. Allein nach der Konversionsrate berechnet sollte der Facebook-Fan also weniger wert sein, als der Google-Nutzer. Ich würde jedoch davor warnen, diesen Massstab anzulegen. Einen Fan auf Facebook zu gewinnen, ist eine Investition in eine Beziehung, die auch mittel- bis langfristig ertragreich sein kann. Das gilt für Suchmaschinenmarketing so nicht.

Viele Nutzer verstehen nicht wirklich, wie die Facebook-Werbung funktioniert. Müssten die Anzeigen nicht besser gekennzeichnet sein?
Werbung auf Facebook ist in der Regel ja als solche gekennzeichnet. Verwirrend ist vielleicht, dass die eigenen Bekannten plötzlich als Teil einer Werbung erscheinen. Aber genau das ist ja der Vorteil der Werbung auf Sozialen Netzwerken. Unternehmen müssen dort nicht mehr nur selbst die eigenen Vorteile preisen, sie können andere – sogar Freunde und Bekannte der Zielpersonen – positiv über das Unternehmen sprechen lassen. Diese Art des „Endorsements" soll natürlich eine höhere Glaubwürdigkeit der Werbung bezwecken.

Facebook will künftig über das App Center auch kostenpflichtige Apps anbieten. Kopieren sie damit das App-Store-Modell von Apple als künftige Einnahmequelle?
Im Grunde ja, wobei Apple die Endgeräte zur Verfügung stellt, auf denen die Anwendungen dann genutzt werden. Diese Möglichkeit hat Facebook als reine Online-Plattform natürlich nicht. Je mehr Zeit die Menschen jedoch bei Facebook verbringen, je grössere Teile ihres Lebens sie dort kommunizieren und organisieren, desto sinnvoller können unterstützende Anwendungen speziell für die Facebook-Plattform sein. Hier kann sich also durchaus ein Geschäftsmodell auftun. Im Moment scheint Apple auf diese Entwicklung zu reagieren, indem es sich enger mit Facebook verzahnt. Anders als Google scheint Apple also kein eigenes Netzwerk lancieren zu wollen.

Kann Facebook mit den Facebook Credits eine weltweit gültige Währung aufbauen? Banken und Regierungen wird eine virtuelle Parallelwährung im Netz wohl nicht gefallen.
Ich halte virtuelle Parallelwährungen für eine ungemein spannende und vielversprechende Entwicklung. Es scheint mir eher fraglich, ob Banken und Regierungen diese Entwicklung werden aufhalten können. Betrachten wir die aktuelle Entwicklung der internationalen Währungsmärkte, und insbesondere des Dollar und Euro, so könnte ein wenig Konkurrenz sicher nicht schaden. Die virtuelle Währung Bitcoin zeigt, welches Potential hier heute noch brachliegt.

Das, woran Wirtschaft und Politik am meisten interessiert sind, sind die Daten, die Facebook hat. Ist es denkbar, dass Facebook künftig für Services im Bereich Markt- und Meinungsforschung Geld verlangt?
Sicher, das ist möglich. Aber Facebook wird kein Interesse daran haben, allzu viele Daten aus der Hand zu geben. Der große Vorteil der Facebook-Plattform, und wohl auch der Grund für ihre hohe Bewertung, ist das Wissen über ihre Nutzer, über ihre Vorlieben, Interessen, Tätigkeiten und Beziehungen. Kein anderes Unternehmen der Welt verfügt heute über ein ähnliches Kapital. Das Schalten zielgenauer Werbung oder die Durchführung von Marktforschung kratzen eigentlich nur an der Oberfläche dessen, was mit dem Facebook-Datenschatz an Diensten und Geschäftsmodellen entwickelt werden kann.

Welche Dienste und Geschäftsmodelle kann Facebook denn noch nachliefern? Haben Sie Beispiele parat?
Am Ende geht es darum, Dienstleistungen und Produkte, die wir konsumieren, intelligenter und „sozialer" zu machen. Die Auswahl eines passenden Restaurants oder Hotels, der Kauf eines Autos, die Wahl eines Arbeitgebers – jede unserer Entscheidung kann dadurch erleichtert und verbessert werden, dass wir das Wissen und die Erfahrungen unserer Netzwerke anzapfen. Umgekehrt können all diese Angebote spezifischer auf unsere Wünsche und Bedürfnisse zugeschnitten werden. Auch die Art, wie wir Produkte und Dienstleistungen konsumieren, wird sozialer werden – warum zum Beispiel nicht auswählen, mit welchen anderen Gästen Sie ein Restaurant oder Hotel teilen, mit wem Sie im Zug fahren oder ein Theater besuchen möchten? Facebook hat das Potenzial, jede realweltliche Interaktion durch eine äquivalente Information im Netz zu ergänzen – und sie so zu verändern.

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Prof. Dr. Christian Hoffmann arbeitet an der Schweizer Universität St. Gallen und hat sich auf Online-Business und E-Government spezialisiert. Seine Publikationsliste findet sich hier.

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Jakob Steinschaden

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