© Benjamin Sterbenz

Bose

"Handy-Lautsprecher sind und bleiben schlecht"

futurezone: Ihr Firmenslogan lautet „Better products through research"? Wie viel Prozent des Budgets wird tatsächlich in Forschung gesteckt?
Bob Maresca: Da wir eine private Firma sind, nennen wir keine Zahlen. Es bewegt sich aber über dem Durchschnitt, den US-Hightech-Firmen ausgeben. Wir unterteilen ja in Forschung und Entwicklung. Bei der Entwicklung geht es um die Umsetzung von Ideen. Davor kommt aber die Forschung. Hier scheitert man öfter, als man einen Durchbruch hat. Aber es ist der essenzielle Teil, der Innovationen hervorbringt. Deshalb geht das meiste Geld in diesen Bereich. Alleine im Hauptquartier haben wir 1000 Leute, die nur forschen.

Wie schaffen Sie ein Umfeld, das Forschung fördert?
Wir geben unseren Angestellten „creative time". In dieser können sie eigenen Projekten und Ideen nachgehen. Alles ist erlaubt, solange es sie begeistert und sie mit Leidenschaft dabei sind. Ich habe das damals in meiner Zeit bei HP kennengelernt, das hat mich sehr geprägt.

Ist dabei schon etwas Konkretes herausgekommen?
Unser erstes Sounddock für den iPod ist so entstanden. Ein Ingenieur hat 2002 ein hässliches Stück Holz genommen, zwei Lautsprecher daran montiert und das alles mit dem iPod verbunden. Wie ich es dann gehört habe, dachte ich wow, das müssen wir machen. Wir haben dann gemeinsam mit Apple daraus ein Produkt gemacht.

Wie war die Zusammenarbeit mit Apple?
Als Apple mit dem iPod herauskam, war es für sie extrem wichtig, dass wir kurz danach das Sounddock anboten. Dadurch, dass die Audiofirma Bose für den iPod ein Produkt entwickelt, war es dessen Legitimation, quasi der Ritterschlag. Das war Apple bewusst. Damals haben sie uns noch gebraucht. Jetzt ist das anders. Sie sind so groß, dass sie von niemandem Hilfe brauchen.

Amar Bose und Steve Jobs werden oft verglichen. Beide sind Firmengründer, Perfektionisten und leben bzw. lebten für ihr Unternehmen.  Ein Kompliment?
Steve Jobs war ein grandioser Erfinder und hat in seiner Zeit viel erreicht. Aber ich glaube nicht, dass er genug neue Ideen für die nächsten zwanzig Jahre hatte. Außerdem haben viele talentierte Leute Apple bereits verlassen, man muss also sehen, wie sich Apple entwickelt.

Nach dem Tod von Steve Jobs meinten viele, dass sein Nachfolger scheitern und aus dem Schatten nicht herauskommen wird. Jetzt, wo Amar Bose sich langsam zurückzieht, fürchten Sie eine ähnliche Diskussion?
Wir sind hier nicht bei Walt Disney, der hat Filmbänder zurückgelassen, in denen er beschreibt, wie die Firma nach seinem Tod zu leiten ist. Bose hat sein Team sorgfältig zusammengestellt und viele Jahre lang begleitet. Er vertraut uns, dass wir den richtigen Weg gehen werden.

Warum gibt es eigentlich noch kein Bose-Produkt mit Apples neuem Lightning-Connector? Als US-Firma und durch die langjährige Zusammenarbeit müssten Sie doch vorher Bescheid bekommen?
Wir haben eine sehr gute Beziehung zu Apple und werden sicherlich mehr gehört als jede andere Firma; was aber nicht heißt, dass wir viel gehört werden. Sie sind eben sehr geheimniskrämerisch. Wir haben kein Problem damit. Noch hat die überwiegende Mehrheit der Geräte den alten Stecker. Zudem werden physische Stecker bald aussterben, alles wird über Funk passieren.

Bei Bose wird die Kompatibilität mit Apple-Geräte hervor gestrichen. Android behandeln sie stiefmütterlich, obwohl es die Marktführerschaft hat.
Wir sind uns dessen bewusst und werden hier reagieren.

Es entsteht der Eindruck, dass Bose nicht die schnellste Firma ist, oft hinterher hinkt.
Da wir nicht an der Börse sind, müssen wir nicht sofort auf Entwicklungen reagieren. Wir können uns Zeit lassen, den Markt analysieren und einsteigen, wenn wir es für richtig empfinden. Das mag später als die anderen sein, für uns ist es jedoch richtig. Zudem haben wir den Vorteil, dass wir länger testen konnten und daher weniger Fehler haben. Das Vertrauen unserer Kunden ist uns wichtiger als ein überhasteter Produktstart. Wir haben 64 Jahren lang an unserem Image gearbeitet. Mit einem schlechten Produkt kann all die Arbeit über Nacht weg sein.

Bose wird vorgeworfen, dass es nur um das Marketing gehe und die Produkte selbst eher durchschnittlich seien.
Als Ingenieur tut mir das weh. Zudem muss ich gestehen, dass unser Marketing schlecht ist und wir hier vieles besser machen müssen. Nehmen wir etwa unseren FlatTV Videowave. Der ist seit zwei Jahren am Markt und wir konnten in der Werbung immer noch nicht vermitteln, was er besser macht.

Stichwort Werbung: Beschreiben Sie den typischen Bose-Kunden.
Vor zehn Jahren hätte ich gesagt, wir haben eine ähnliche Zielgruppe wie Audi, Mercedes oder Porsche. Reife Männer, so wie ich selbst. Seitdem ist unser Portfolio breiter geworden, es gibt auch günstigere Produkte. Unser Publikum ist nun jünger und ausgewogen männlich und weiblich.

Wie würden Sie ein typisches Bose-Produkte beschreiben?
Zeitlos, modern, funktional, würdevoll und klare Linien. Die Produkte müssen an erster Stelle toll funktionieren, danach erst kommt das Äußere.

Das sieht man. Bose-Produkte sind schwarz oder silber und selten ausgefallen.
Das sagen meine Tochter und meine Frau auch. Letztens haben wir einen weißen Kopfhörer auf den Markt gebracht. Zu Hause bekam ich dann zu hören: Papa, Weiß ist keine Farbe. Wir beherzigen solche Kritik und weichen vermehrt von unserem konservativen Weg ab. Es wird mehr Farben, neue Materialien geben. Unsere Produkte sind ja auch modische Accessoires.

Wie viele Leute kümmerte überhaupt der Sound? Ist Image mittlerweile nicht viel wichtiger, wie der Erfolg von Monster zeigt.
Wir denken, dass guter Klang immer noch das entscheidende Kriterium ist.

Sie legen Wert auf Qualität, wie viele Produkte werden in China gefertigt?
Nur ein geringer Prozentsatz, vielleicht ein Viertel. Wir haben ein Büro in Shenzhen, das gewisse Aufgaben erledigt. Den Großteil fertigen wir aber selbst. Denn nur wer selbst herstellt, hat alles unter Kontrolle und kommt so auf neue Ideen. Wir können selbst herausfinden, wie wir es besser und effizienter gestalten können, was uns wiederum bei späteren Produkten hilft.

Haben Sie auch Werke in den USA?
Ja, hier in Framingham für Industrieprodukte, ein weiteres in South Carolina. Dann gibt es noch zwei in Mexiko. Europa beliefern wir aus unserem Werk in Irland.

Auf dem Sticker mag zwar Made in the USA stehen. Aber wenn man es aufmacht, wie viele Teile kommen dann aus Fernost?
Sicher einige, in einem SoundLink-Lautsprecher sind mehr als 500 Einzelteile. Man muss bedenken, dass es ja ein komplexer, internationaler Markt ist. Wir beziehen Teile von überall aus der Welt, suchen uns immer die besten Partner. China heißt ja nicht automatisch billig. Es gibt viele Hersteller in China, die hochwertige Produkte liefern. Die Zeiten, in denen Produkte nur in Europa oder den USA hergestellt wurden, sind vorbei und kommen auch nicht wieder.

Spielt der chinesische Endkunden-Markt schon eine Rolle?
In Schwellenländern wie Indien und China sind wir gerade dabei, die Marke zu etablieren. Wir denken auch hier langfristig. In den USA sind wir gut aufgestellt. In Europa gibt es noch Verbesserungspotenzial.

Apple setzt auf Verkaufslokale, auch Bose betreibt eigene Stores. Microsoft will auch  Shops eröffnen. Ist das im Internet-Zeitalter nicht anachronistisch?
Wir können so eine Verbindung zu unseren Kunden aufbauen. Wir haben 300 Geschäfte mit Personal. Das ist teuer, aber es zahlt sich aus. Online-Shopping funktioniert vielleicht bei Kopfhörern, aber nicht bei HiFi-Anlagen oder einem Flat-TV wie dem Videowave, den wir ja auch für den Kunden installieren.

In welchen Geräte-Kategorien werden Sie künftig verstärkt investieren?
Wir sehen große Chancen bei Smartphones und Tablets. Das ist ein Sektor, der immer noch wächst. Die Lautsprecher in diesen Geräten sind schlecht und werden es bleiben. Wir haben schon zweimal mit bekannten Herstellern zusammengearbeitet, um guten Sound zu integrieren. Die großen Ambitionen wurden dann aber schnell gestrichen, als die Hersteller merkten, dass guter Sound und dünne Handys nicht zusammengehen. Zudem ist es eine Preisfrage. Wir haben trotz Forschungsausgaben die Kooperationen beendet, da wir nicht nur unseren Namen hergeben wollten. Das wäre ein Image-Schaden gewesen.

Es wird also keine Handys mit Bose-Branding geben?
Nein, wozu auch. Smartphones verwendet man unterwegs vorwiegend zum Surfen, eMailen und ein wenig Spielen. Hierfür brauche ich nicht tollen Sound, hier sind geringes Gewicht, Größe und lange Akkulaufzeit wichtiger. Zu Hause, wenn ich guten Sound will, kann ich den Ton auf eine HiFi-Anlage streamen.

Spätestens seit dem Erfolg von Apple ist klar, dass Inhalte mindestens genauso wichtig sind wie Hardware. Ohne Unterhaltungsangebote hat man Nachteile, wie viele Handy-Hersteller erfahren mussten. Hat Bose Angst als Hardware-Hersteller unterzugehen?
Es muss immer jemanden geben, der die Hardware macht. Wir versuchen, hier mit guten Lösungen zu punkten. Natürlich halten wir die Augen nach passenden Software-Lösungen offen. Wir müssen uns konstant weiter entwickeln, sonst sind wir bald aus dem Geschäft.

Verfolgen sie auch Forschung in entfernten Bereichen wie etwa Biologie?
Unsere Kernkompetenzen liegen in der Akustik, Elektrotechnik und Signalverarbeitung. In ihrer Freizeit beschäftigen sich unsere Ingenieure vorwiegend mit diesen Sachen. Daher kreist vieles darum. Ab und an haben wir aber Projekte, die für uns fremde Bereiche betreffen. Ein Ingenieur hat beispielsweise etwas entwickelt, mit dem AIDS frühzeitig erkannt werden kann. Wir verfolgen solche Sachen aber nicht und machen daraus ein Geschäft. Solche Forschung geben wir weiter.

Bose hat vor einigen Jahren einen Sitz für LKW-Fahrer entwickelt, der Bodenunebenheiten ausgleicht und den Rücken schont. Wie ist das zustande gekommen?
Wir machen überall dort Forschung, wo wir signifikante Verbesserungen erreichen können. Wenn es nicht besser und anders ist, würden wir es nicht machen. Uns geht es nicht nur um Marktanteile, sondern um Innovation.

Wenn Sie also einen neuartigen Toaster machen könnten, würden sie dem nachgehen?
Ja klar, wenn es ein Problem löst, warum nicht.

Hilft hier die enge Verbindung zum MIT, etwa indem man Studenten abwirbt?
Vor einem Jahr hat Gründer Amar Bose den Großteil der Firmenanteile an das MIT überschrieben. Die Einnahmen, die der Uni so zufallen, dürfen nur die Forschung verwendet werden. Es gibt einige Ingenieure, die dort unterrichten. Zudem gibt es für Studenten die Möglichkeit, im Unternehmen zu schnuppern, um Praxis zu sammeln.

Beobachten Sie Start-Ups aus dem MIT-Umfeld für mögliche Übernahmen?
Mein Vorgänger Sherwin Greenblatt hat am MIT das Venture Mentoring Office gegründet. Dort hilft er gemeinsam mit anderen Industrie-Veteranen den Studenten, Projekte zu realisieren und sich selbstständig zu machen. Sie betreuen aktuell 100 Start-ups. Ich treffe mich regelmäßig mit ihm und habe einen guten Einblick, was sich so tut.

In den USA beschweren sich viele Start-ups, dass es durch die aktuelle Patentregelung  kaum möglich ist, Neues zu entwickeln, da man für nahezu alles Lizenzgebühren zahlen muss.
Es gibt tatsächlich einige Patente, die man hinterfragen muss. Es hängt in den USA stark vom  Begutachter des Patents ab. Ich habe schon mit vielen zusammengearbeitet und es gibt starke Unterschiede. Zudem kostet der Patentantrag viel Geld, weshalb größere Firmen im Vorteil sind.

Aktuell tobt ein Patentkrieg zwischen IT-Firmen. Bose rühmt sich mit vielen Patenten und gibt sich als Forschungsfirma. Wie steht man den ganzen Klagen gegenüber?
Patente sind ein wesentlicher Teil unseres Unternehmens. Wir investieren extrem viel Geld in Forschung und das wollen wir absichern. Nehmen wir zum Beispiel die Geräuschunterdrückung bei Kopfhörern. Wir haben 15 Jahre daran gearbeitet und 60 Millionen US-Dollar dafür ausgeben. Ein Jahr nachdem wir endlich ein fertiges Produkt am Markt hatten, brachten Sony und Panasonic eine Kopie davon heraus. Ohne Patente wären wir schon längst aus dem Geschäft.

Wie reagieren sie, wenn es zu Verstößen kommt?
Wir schalten unsere Rechtsabteilung ein. Wir haben einige Prozesse geführt, die dann zur Schließung der schuldigen Firma geführt haben oder zu einem Redesign des Konkurrenzprodukts.

Setzen sie Patente auch strategisch ein, etwa indem man Sachen patentiert, um anderen den Weg zu versperren?
Sehr selten. Grundsätzlich beantragen wir nur Patente, wenn daraus auch ein Produkt entsteht. Manchmal entscheiden wir uns auch dazu, kein Patent zu beantragen, da die Technologie  dann öffentlich wird. Stattdessen halten wir es geheim und hoffen, dass niemand dahinterkommt, wie es funktioniert.

Warum lizenzieren sie ihre Patente nicht an andere Firmen und verdienen so durch Gebühren?
Kurzfristig wäre das sicherlich das schnelle Geld. Aber langfristig würden wir uns so die eigene Konkurrenz heranzüchten. Wir machen die Forschung, wir setzen es um und bringen es in den Markt, das ist unsere Strategie.

Bei dem Streit zwischen Apple und Samsung geht es vor allem um Designpatente. Macht das Recht auf ein Viereck mit abgerundeten Ecken Sinn?
Ein viereckiges Ding mit schwarzem Rand ums Display zu schützen, darf man in Frage stellen. Aber manchmal hat Design einen tieferen Sinn. Unser Wave-Radio hat seine spezielle Form wegen den Audiokomponenten im Inneren. Durch das Patentieren des Designs schützen wir mehr als nur das Erscheinungsbild. Natürlich geht es auch darum, die Marke und ihre ikonischen Formen zu schützen. Es kostet viel Geld, diesen Wiedererkennungswert aufzubauen.

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