© Screenshot/TweetTrader

Kursprognosen

Mit Twitter-Meldungen zum Börsenerfolg

Twitter selbst hat bislang noch nicht so recht zu einem Geschäftsmodell gefunden, über das sich Geld verdienen lässt. Dafür scheint sich der Kurznachrichtendienst durchaus dafür zu eignen, die Finanzen seiner Nutzer aufzubessern. Laut einer Studie von Wissenschaftlern an der Technischen Universität München (TUM) können Aktienkurse anhand von Tweets relativ genau vorausgesagt werden, die Trefferquote liegt laut den Forschern dabei in etwa auf selbem Niveau wie jene von professionellen Analysten.

Auf Twitter werden täglich Tausende aktienrelevante Nachrichten verbreitet. „Vor allem in den USA habe sich der Trend mittlerweile durchgesetzt“, sagt Projektleiter Timm Sprenger im futurezone-Interview. Täglich würden zwischen 2.000 und 5.000 Tweets verfasst, die brauchbare Informationen zu Börsenkursen liefern. Die twitternden Investoren kennzeichnen dabei Nachrichten über Unternehmen mit dem jeweiligen Aktiensymbol, zum Beispiel „$AAPL“ für das Computerunternehmen Apple.

Sprenger und sein Team analysierten 250.000 solcher Twitter-Botschaften in einem Zeitraum von sechs Monaten. Das Ergebnis: Hätte sich ein Investor im ersten Halbjahr 2010 mit Aktienkäufen an den Tweets orientiert, hätte er eine durchschnittliche Rendite von bis zu 15 Prozent erzielen können. „Ich denke nicht, dass wir hier den ultimativen Heilsbringer gefunden haben, um Millionen zu machen, aber es ist ein sehr verlässliche Quelle“, so Sprenger. Teuer bezahlten Analystenberichte seien in der Regel auch nicht genauer als die Twitter-Auswertungen.

Eigene Plattform gestartet
Auf Grundlage der Studie wurde die Online-Plattform TweetTrader.net ins Leben gerufen, auf der die jeweils aktuellen Prognosen aller im Aktienindex S&P 500 gelisteten Aktien abgerufen werden können. Die Tweet-Analysen zeigen, dass das Stimmungsprofil von Twittermeldungen sich ähnlich dem Aktienkurs entwickelt und diesem auch bis zu einem Tag vorausgeht. „Wenn ein Twitter-Nutzer häufig gute Aktienempfehlungen gibt, hat er in der Regel mehr Anhänger und wird auch öfter ‚retweeted’, das heißt von anderen Nutzern zitiert. Damit werden Tweets mit guten Empfehlungen bekräftigt und erhalten in der Gesamtanalyse ein stärkeres Gewicht“, erläutert Sprenger.

Interessant ist TweetTrader laut Sprenger grundsätzlich für alle Privatinvestoren. Die Plattform könne auch als eine Art Ergänzung zu anderen Informationsquellen gesehen werden. „Keine Prognose hat eine hundertprozentige Trefferquote, auch Analystenreports nicht. Aber man kann TweetTrader als zusätzliche Quelle heranziehen, schauen, was andere Leute sagen, und erhält dadurch ein gutes Gesamtbild“, so Sprenger.

Banker zurückhaltend
Von Bankenseite wird die Twitter-Aktienkurs-Vorhersage eher zurückhaltend bewertet. „Hier handelt es sich um eine ganz neue Entwicklung. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass auf einer Plattform wie Tweettrader ein gewisser Mehrwert vorhanden ist“, sagt Fondsmanager Mark Valek von Raiffeisen Capital Management im Gespräch mit der futurezone. Grundsätzlich halte sich die Euphorie über derlei Analyse-Tools jedoch in Grenzen. „Ich glaube nicht, dass dadurch komplexe Analysten-Berichte ersetzt werden können“, so Valek weiter. Die Plattform sei vielleicht ein zusätzlicher Indikator in einer lange Liste bereits vorhandener anderer Indikatoren, die in Aktienkurs-Prognosen einfließen. Am ehesten könnten kleine Investoren davon Gebrauch machen, meint der Experte. „Dass die wirklich großen Werte künftig durch Twitternachrichten bewegt werden, ist aber unwahrscheinlich.“

TweetTrader als langfristiges Projekt
Die Plattform der Münchner Wissenschaftler ist zwar aus einem Forschungsprojekt entstanden, soll aber langfristig bestehen. „Wir wollen TweetTrader in Zukunft weiter ausbauen. Derzeit holen wir gerade weitere Wirtschaftsinformatiker mit ins Boot, die das Projekt mit unterstützen sollen“, sagt Sprenger. Zudem sei der Twitter-Nachrichtenstrom eine Quelle, die nicht so schnell versiegt, daher sei die Basis für eine Weiterentwicklung der Plattform ohnehin gegeben.

Sprenger hat bereits Erfahrung mit Prognosen und Auswertungen im Social-Media-Umfeld. 2009 beispielsweise analysierte er Tweets im Vorfeld der deutschen Bundestagswahlen. Auch dort erzielte er erstaunlich akkurate Ergebnisse, die auf Augenhöhe mit vielen Umfragen etablierter Institute lagen. Er konnte die Wahlergebnisse für jede Partei innerhalb einer Schwankungsbreite von zwei Prozent korrekt vorhersagen.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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