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Reportage

Österreich startet Japan-Offensive

Im Westin Hotel in Tokio betreibt Helmut Gieb einen kleinen Österreich-Shop. Seit 36 Jahren verkauft der 66-jährige Österreicher rotweißrote Souvenirs – vom Lodenhut über Walzermusik bis hin zu Seidentüchern mit Gustav-Klimt-Motiven. Die meisten in Japan verbinden Österreich mit diesen altbekannten Klischees, die wenigsten bringen Österreich mit Technologie und Innovation in Verbindung. Das soll sich ändern – wobei die österreichische Tradition dabei sehr hilfreich sein kann.

Österreich hat einen großen Vorteil, es liegt nicht nur geographisch in der Mitte Europas, sondern die Österreicher sind nicht so steif wie die Deutschen und wiederum auch nicht zu locker wie die Italiener“, sagt Takahiro Noyori, Generalmanager von des Grazer Antriebssystemkonzerns AVL in Japan. Mit Österreichern könne man seriös Geschäfte machen. „Wir suchen nun nach gemeinsamen Nennern in der Forschung“, sagt der Geschäftsführer des AIT, Wolfgang Knoll. Und da gäbe es genug, Japan wie Österreich beschäftigen sich mit Energiefragen, suchen – auch wenn Japan trotz der Atomkatastrophe von Fukushima nach wie vor auf Atomenergie setzt – nach alternativen und erneuerbaren Energiequellen.

Es gibt auf dieser wie auf jener Seite große Bestrebungen, in der Nanotechnologie voranzukommen, beide Länder suchen neue Konzepte bei Verkehr und Mobilität und sowohl Japan als auch Österreich arbeiten an der Smart City, an der Stadt der Zukunft, an intelligenten urbanen Strukturen, die Städte ressourcenschonend, smart und lebenswert machen. Wien zählt zwar laut Mercer-Studie zur lebenswertesten Stadt der Welt, doch die smarteste ist sie nicht – weder global betrachtet noch auf Europa bezogen. Städte wie Barcelona, Kopenhagen, London, Nizza, Amsterdam oder weltweit betrachtet Singapur sind smarter.

Hidden Champions

Österreich hat eine Menge so genannter Hidden Champions,“, sagt Satoshi Fujigaki, Vorstandsdirektor von Nippon Rensui, die eng mit Berndorfer AG zusammenarbeiten. Fujigaki fallen eine Menge „geheimer Weltmeister“ aus Österreich ein. Ob AT&S, AVL List, die ams AG, der Seilbahnhersteller Doppelmayer oder Plasser & Theurer. Fujigaki: „Ich bewundere in Österreich diesen Meisterspirit.“ Österreich habe in vielen Geschäftsbereichen eine tonangebende Rolle inne. „Und es gibt noch viele Bereiche, in denen wir globale Bedeutung erlangen können“, sagt AIT-Chef Knoll, einer der besten Japan-Kenner, hat der wissenschaftliche Geschäftsführer der AIT selbst viele in Japan gearbeitet.

Das AIT ist als führende außeruniversitäre Forschungseinrichtung Österreichs mittlerweile Teil eines internationalen Forschungs-Netzwerks, das praktisch über die gesamten Kontinente verzweigt ist, vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) bis zum Tokyoter Insitute of Technology, das wiederum mit Top-Unis Japans zusammen arbeitet. Dieses internationale Netzwerk hilft auch, mit den besten Köpfen der Welt zusammen zu arbeiten und sie im Idealfall auch nach Österreich berufen zu können. „Die Sprache ist jedenfalls kein Hindernis in der Forschung“, sagt Lukas Kadawy, Finanzchef von Apeiron Biologics, „es gibt kompliziertere Projekte in Österreich.“

R&D-Talk

An der österreichischen Botschaft in Tokio fand kürzlich der erste R&D-Talk (Research & Development) statt, organisiert vom Leiter der österreichischen Außenhandelsstelle, Michael Otter. Otter kann auf langjährige Erfahrungen im Technologiebereich zurückgreifen. Seit 2014 leitet er die Außenhandelsstelle in Tokio, davor war er vier Jahre Handelsdelegierter in Seoul und davor in New York. Japan ist für Österreich der drittwichtigste Markt ist, der Exportanteil beträgt 1,36 Milliarden Euro. Dennoch ist Japan in den vergangenen Jahren von der österreichischen Politik stiefmütterlich behandelt worden, was zum einen mit der politischen Situation in Japan zu tun hat und zum anderen mit der Atomkatastrophe in Fukushima. Der letzte Ministerbesuch liegt bereits sechs Jahre zurück, im Herbst 2015 hat sich eine Delegation angesagt. „Es muss unser Ziel sein, in den kommenden Jahren bedeutender zu werden“, sagt Otter, dem für Österreich eine Vision „Japan 20/30/40“ vorschwebt. 2020 finden in Tokio die Olympischen Spiele statt, „bis dahin wollen wir 30 Prozent mehr österreichische Unternehmen zum Japan-Export motivieren, 40 Prozent mehr japanische Investitionen in Österreich anbahnen und um 40 Prozent mehr österreichische Unternehmen im Technologiebereich betreuen.“

Leiter der Außenhandelsstelle in Tokio, Michael Otter

Bei den letzten Olympischen Spielen, Tokio 1964, zeigte Japan zahlreiche Infrastrukturprojekte, die damals wohl innovativste Erfindung war der Shinkansen-Schnellzug. 2020 will Japan wieder mit Innovationen auf sich aufmerksam machen. Das ganze olympische Dorf soll energietechnisch mit Wasserstoff betrieben werden, selbst die Busse, mit denen die Athleten zu den Sportstätten gelangen, sollen mit Wasserstoff angetrieben werden. Der japanische Mobilfunkbetreiber NTT DoCoMo will dann sein 5G-Netz in Betrieb nehmen und die Wettkämpfe sollen in der hochauflösendsten TV-Technik am Markt, 8K, ausgestrahlt werden.

Innovation vorantreiben

Österreich soll daran teilhaben. „Die meisten übersehen, dass Japan trotz einer langen wirtschaftlich schwierigen Phase die Gebiete Forschung und Innovation nie zurückgeschraubt hat“, sagt Otter, wie man an vielen Innovationen aus der Gegenwart, wie etwa die Brennstoff-Zellen-Technologie oder selbstfahrenden Autos von Toyota, erkennen kann. „Japan will punkto Innovation am Ball bleiben, daher öffnet sich die japanische Industrie immer mehr auch ausländischen Anbietern.“ Die Direktinvestitionen im Ausland betragen fast 140 Milliarden Dollar, womit Japan neben der USA Spitzenreiter ist und um fast 40 Milliarden Dollar Investition vor China liegt.

Michael Otter hat in seiner Vision „Japan 20/30/40“ 14 Bereiche dingfest gemacht, in denen Österreich profitieren könnte. „Die meisten davon sind Technologiethemen“, so Otter, „und gerade hier orten wir große Chancen, denn es gibt viele Konzerne, die Teil ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten nach Österreich verlagern könnten“.

Lesen Sie morgen: Die Vision Japan 20/30/40

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