US-Automarkt: E-Revolution im Land der Spritfresser?
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Wer in den USA Autos verkaufen will, muss schweres Gerät wie SUVs und Pickup-Trucks auffahren - diese Grundregel gilt seit Jahren. Die Absatzbilanz offenbart das immer gleiche Bild: Die Kunden stehen auf große Benzinschlucker, umweltverträglichere Modelle sind weitgehend abgemeldet. Doch nicht nur auf der Branchenschau in Detroit zeigt sich, dass alternative Antriebe im Kommen sind. Sind die USA endlich reif für die Elektro-Revolution? Wir sind noch nicht da - aber der US-Markt für E-Autos wird in einigen Jahren mehr als eine Nische sein, sagt Alec Gutierrez vom US-Analysehaus Kelley Blue Book. Die deutsche Auto-Industrie sieht sich gut aufgestellt, um hier entscheidend mitzumischen. Bei Elektroautos werden wir unsere Modelloffensive weiter verstärken, sagt der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann.
Für die Autobauer hierzulande könnte die Entwicklung im schwierigen US-Markt angesichts von Volkswagens Abgas-Skandal ein rettendes Ufer darstellen. Denn die Diesel-Technologie, auf die neben VW auch BMW und Daimler stark gesetzt haben, steckt wegen der Affäre um manipulierte Abgas-Tests in einer schweren Krise.
In Amerika glaubt niemand mehr an den Diesel, bilanziert Volvo-Chef Håkan Samuelsson die Folgen. Volvo hat in Europa einen Diesel-Anteil von 90 Prozent, setzt in den USA aber auf Benziner. Für die Deutschen und ihren Exportschlager - sie steuern 95 Prozent des gesamten Dieselanteils im US-Markt bei - stellt sich nach dem VW-Debakel die Frage: Haben batteriebetriebene Stromer wirklich das Zeug, in den USA zum Ersatz für den Selbstzünder zu werden?
Kleiner Kuchen
Bereits 2015 hätten die deutschen Hersteller ihren Marktanteil mehr als verdoppelt, so Deutschlands oberster Auto-Lobbyist Wissmann: Knapp jedes fünfte Elektroauto, das in den USA verkauft wird, zählt zu einer deutschen Marke. Allerdings heißt das im US-Markt nicht viel: Insgesamt hatten im vergangenen Jahr nur 0,3 Prozent der insgesamt knapp 17,5 Millionen verkauften Neuwagen einen E-Antrieb. Das sind nur wenige Zehntausend. Der Kuchen, von dem sich die deutschen Hersteller ein Stück abschneiden wollen, ist also winzig.
Ob sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, ist nach Einschätzung von Experten ungewiss. Frühestens 2017, wenn mit dem Chevy Bolt und möglicherweise dem Tesla Model 3 zwei erschwingliche Stromer für die breite Masse kommen, könnten wir vielleicht einen nennenswerten Markteinfluss sehen, sagt Analyst Gutierrez. Es wird lange dauern und nur schrittweise vorangehen, glaubt Branchenkenner Devin Lindsay von der Beratungsfirma IHS Automotive.
Beide Fachmänner sind sich aber sicher: Langfristig handelt es sich bei den Elektroautos durchaus um einen ernstzunehmenden Trend. Der Grund dafür liegt jedoch auch maßgeblich an Regulierung und Subventionen.
Das wird am Chevrolet Bolt EV aus dem Hause der Opel-Mutter General Motors (GM) deutlich. Sein Kaufpreis soll bei gut 37 000 Dollar liegen, laut GM-Chefin Mary Barra aber nach Abzug staatlicher Vergünstigungen auf etwa 30 000 Dollar sinken. Der Bolt gilt als Nagelprobe für Stromer in den USA. Mit einer Reichweite von mehr als 320 Kilometern soll er neue Maßstäbe im Massenmarkt setzen. Die deutschen Hersteller wollen hier ebenfalls angreifen. Der krisengeschüttelte VW-Konzern stellte jüngst den sogenannten budd-e als Konzeptauto vor - einen batteriebetriebenen Nachfahren des legendären Transporters Bulli. Das soll nur der Anfang einer Elektro-Offensive sein. Viele weitere Modelle werden folgen, kündigte VW-Markenchef Herbert Diess in Detroit an.
Billiges Öl
Auch Audi, Daimler und der mit den Modellen i3 und i8 ohnehin schon gut im Markt vertretene BMW-Konzern wollen verstärkt auf die E-Karte setzen. Allerdings ist mittelfristig kein Absatz-Boom zu erwarten. Der niedrige Ölpreis, der das Benzin in den USA massiv verbilligt hat, dämpft die Nachfrage nach Elektroautos. 2015 gingen die Verkäufe deutlich zurück, obwohl das Marktsegment durch gesetzliche Vorschriften und staatliche Anreize gefördert wird.
Solange die US-Kunden frei entscheiden können, was sie kaufen, und es SUVs und Pickup-Trucks gibt, wird es schwierig bleiben, meint IHS-Analyst Lindsay. Zudem stellt sich auch noch die Frage, inwiefern und ab wann mit den Stromern Geld zu verdienen ist. So räumt beispielsweise Elon Musk, der schillernde Chef des Branchen-Pioniers Tesla aus dem US-Tech-Mekka Silicon Valley, freimütig ein, dass sein Unternehmen frühestens 2020 profitabel werden dürfte.
Kommentare