Arbeitsbedingungen

Weinende Mitarbeiter bei Amazon

Der amerikanische Online-Händler Amazon stand bereits im Jahr 2013 wegen der schlechten Behandlung von Leiharbeitern besonders in Deutschland in der Kritik. Zahlreiche Streiks waren die Folge. Nun veröffentliche die New York Times einen Bericht, in dem von extremem Druck auf Angestellte und Manager des Unternehmens die Rede ist.

Amazons Arbeitsphilosophie ist kein Geheimnis. Die kommunizierten Grundprinzipien empfindet man in Seattle als viel mehr als nur schön ausformulierte Kalendersprüche. Sie werden im Amazon-Alltag von den Mitarbeitern gelebt. Der Konzern will "nur die Besten" einstellen. Neuankömmlinge bekommen nicht selten sehr schnell sehr viel Verantwortung auferlegt, was positive wie negative Konsequenzen mit sich bringt. Einerseits zeigen sich die jungen Mitarbeiter erfreut, rasch in wichtige Arbeitsabläufe und Projekte des Unternehmens integriert zu werden. Die anfängliche Motivation, die mit viel Erfolgsdruck einhergeht, kann aber schnell negative Auswirkungen hervorrufen. Der hohe Druck, den eine Position bei einem aufstrebendem Unternehmen wie Amazon mit sich bringt, sei eben nichts für jedermann, wie Susan Harker, Top-Recruiter bei Amazon, anmerkt. "Die Arbeit ist nicht immer einfach, manche Leute kommen damit nicht zurecht."

Tränen im Büro

Betroffene berichten teilweise von erschreckenden Szenarien. So wurde eine ehemalige Angestellte am Tag nach einer Fehlgeburt von Zwillingen dazu genötigt, eine Dienstreise zu bestreiten, da "die Arbeit trotzdem getan werden muss". Eine andere Mitarbeiterin konnte aufgrund der Krebserkrankung ihres Vaters die geforderte Anzahl an Arbeitsstunden nicht mehr bewältigen. Als sie um Versetzung in eine weniger zeitaufwendige Position beantragte, wurde sie in den Augen ihres Vorgesetzten zu einem Problem.

Ein ehemaliger Angestellter aus dem Bereich Buch-Marketing habe nahezu jeden seiner Kollegen am Schreibtisch weinen sehen. "Du verlässt einen Konferenzraum und siehst einen erwachsenen Mann, der sich die Hände vor das Gesicht hält." Väter berichteten darüber hinaus, eine Kündigung in Betracht gezogen zu haben, da der Druck aus der Chefetage, weniger Zeit mit der Familie zu verbringen, immer stärker wurde.

Angestellte als "Athleten"

Zahlen spielen für Amazon und somit auch für die Angestellten eine zentrale Rolle. Es geht in erster Linie darum, die Leistung der Mitarbeiter quantitativ messen zu können und so festzustellen, welche Mitarbeiter gute Arbeit, sprich positive Zahlen, abliefern und welche nicht. Die Angestellten werden als "Athleten" beschrieben, die ihre Leistung erbringen müssen. Ein geheimes internes Bewertungssystem unter den Angestellten ermöglicht es, zusätzlich Feedback zu den Kollegen zu erstellen und direkt an deren Vorgesetzte zu übermitteln. Das System werde allerdings oft zum Anschwärzen anderer Mitarbeiter missbraucht.

Feiertage - Fehlanzeige

Spontane Konferenzen und Meetings am Ostersonntag und zu Thanksgiving sind nichts Außergewöhnliches. Unzählige Überstunden an Wochenenden sind nahezu selbstverständlich. So berichtet eine Angestellte, einen Freiberufler in Indien ohne Wissen Amazons aus eigener Tasche bezahlt und mit Dateneingabe beauftragt zu haben, um selbst mehr Zeit für wichtigere Tätigkeiten zu haben. Die Angestellten hatten die Philosophie Amazons derartig internalisiert und so eine emotionale Bindung zu den Projekten aufgebaut, dass alles andere als Erfolg undenkbar war. Derartige Fälle führten nicht selten zu Erkrankungen der Betroffenen.

Reaktionen

Amazon-Gründer und CEO Jeff Bezos zeigte sich in einem internen Memo an den Konzern erschüttert. Das im Artikel beschriebene Amazon sei nicht das Amazon, das er kenne und leite. Dennoch ermutigt er die Mitarbeiter, derartige Vorkommnisse sofort in der Personalabteilung zu melden. Ein Abteilungsleiter kritisierte den Bericht ebenfalls und machte seinen Unmut auf Linked in kund. Andere Prominenz der Tech-Branche wie beispielsweise Twitter-CEO Dick Costolo bezeichneten die beschriebenen Szenarien als "aus dem Zusammenhang gerissen".

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Michael Simmer

Als News-Junkie muss und will ich immer wissen, was gerade in der Welt passiert. Auch deshalb fühlte ich mich - aufgewachsen im schönen Oberösterreich - schon immer zur Großstadt hingezogen. Gibt es mal nichts Neues zu erfahren, vertreibe ich mir die Zeit mit Freunden, Familie und Sport.

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