Michael Strebl ist der neue Geschäftsführer von Wien Energie und zuständig für die Digitalisierung.
Michael Strebl ist der neue Geschäftsführer von Wien Energie und zuständig für die Digitalisierung.
© /Wien Energie/Ludwig Schedl

Interview

"Wir haben keine Angst vor Google oder Apple"

Sie haben Anfang Oktober die Geschäftsführung von Wien Energie übernommen. Was sind ihre ersten, großen Ziele?
Michael Strebl: Mein Ziel ist es, den Trend der Digitalisierung für uns und unsere Kunden zu nutzen. Da gibt es die vielfältigsten Chancen. Aus meiner Sicht ist das Wesentlichste, dass wir durch die Digitalisierung näher an unsere Kunden herankommen. Die Energieversorger sind nach wie vor sehr technisch getrieben. Wir haben alle Daten über unsere Netze, Kraftwerke, aber wenig Informationen über die Kunden. Und da ist die Digitalisierung eine echte Chance.

Inwiefern?
Es gibt den typischen Kunden nicht mehr. Früher hatte man Großkunden, Gewerbekunden und Privatkunden, diese Trennung löst sich aber zunehmend auf. Die Bedürfnisse ändern sich. Der klassische Kunde will saubere Energie zu einem fairen Preis, und dass alles funktioniert. Aber es gibt auch Kunden, die sich für Photovoltaik und E-Autos interessieren und die in Eigenerzeugung investieren wollen. Davon gibt es immer mehr. Andere sagen, dass es ihnen wichtig ist, sich an erneuerbaren Kraftwerken zu beteiligen. Die Digitalisierung ist einfach die Chance, individuellere Angebote für die Kunden zu schüren.

Wie genau soll das funktionieren?
Wir möchten unsere Kunden positiv überraschen, einen „das hätte ich mir nicht gedacht“-Effekt erzielen. Dazu gebe ich Ihnen gerne ein Beispiel aus dem Silicon Valley. Ich hatte die Gelegenheit, dort drei Monate zu leben. Dort gibt es einen Energieversorger, der seine Kunden, wenn dort eine Trafo-Station kaputt ist, über die Website oder per SMS informiert. Aber man kann auch noch etwas draufsetzen. Das ist dann das, was ich unter Mehrwert der Digitalisierung verstehe. Wenn in der Nähe der Trafo-Station auch ein Restaurant ist kann dieses alle Kunden, die dort einen Tisch gebucht haben, informieren. Der Restaurant-Besitzer kann dann die Gäste in eine andere Filiale umleiten. Als Trostpflaster gibt es ein Getränk gratis. Das bedeutet für mich, die Kunden positiv überraschen. Da müssen wir hin.

Ist das wirklich ein Beispiel aus der täglichen Praxis?
Ja, die Netze sind ferngesteuert und da weiß man den Fehler dann schon sehr schnell und sehr genau. Der Netzbetreiber hat die Information, welche Trafo-Station kaputt ist, der Energielieferant hat die Adressen, weil der schickt jedes Monat die Rechnung, der Restaurant-Besitzer weiß, wer bei ihm einen Tisch gebucht hat. Das wird alles miteinander verknüpft und durchgeschleust. Wir werden da als Wien Energie sicherlich als Branche innovativer sein müssen und wir brauchen da mehr Drive, um neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können.

Wenn Sie von verschiedenen Kundengruppen sprechen. Wie genau wollen Sie die Kunden einteilen, mit welchen Daten? Da reichen ja die Adressdaten nicht aus.
Wenn sich Besucher der Website für das Thema Erneuerbare Energien interessieren, wird man künftig auch auf dieses Interesse stärker eingehen und mit einem Angebot reagieren. Das Gleiche gilt für alle Kanäle, den Kundenservice vor Ort, am Telefon oder auch über die sozialen Medien.

In der Branche ist vieles im Umbruch. Wie schwierig ist es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln?
Natürlich ist es schwierig, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Da ist der Stein des Weisen noch nicht gefunden. Wir werden uns auch sicher verändern müssen. Die Digitalisierung wird unsere gesamten Arbeitsabläufe neu ordnen und auch die Art, wie wir mit unseren Kunden kommunizieren. Wir werden neue Kooperationspartner und Wettbewerber bekommen. Im Silicon Valley ist genau zu beobachten, wie sich Google, Apple und Tesla auf den Einstieg in den Energiemarkt vorbereiten. Das sind natürlich große Konkurrenten, die auf uns zukommen werden. Da müssen wir uns ordentlich vorbereiten, aber fürchten brauchen wir uns auch nicht. Wir haben sehr gute Assets in der Hand. Wien ist eine wachsende Stadt, wir sind regional gut verankert, es leben zwei Millionen Kunden in dem Raum. Wir haben eine solide Basis. Wir müssen uns verändern und vorbereiten, aber wir brauchen uns nicht fürchten.

Also sie fürchten sich nicht?
Wir leben in einem sehr dynamischen Markt, das gefällt mir. Ein schöner Platz, um die Ärmel aufzukrempeln und anzufangen. Ich habe die Zahlen kennengelernt in den letzten Wochen. Wien Energie hat einen Bekanntheitsgrad von 96 Prozent, das sind gute Voraussetzungen für eine Marke. Es wird natürlich Datenunternehmen geben, die in den Energiebereich gehen. Wir als Energieunternehmen gehen in den Datenbereich. Das wird ein spannendes Match. Aber wir fürchten uns nicht.

Die Vernetzung der Daten wird also Teil ihres Geschäftsmodells?
Wir als Energieversorger bleiben natürlich bei dem, was wir gut können. Die Vernetzung der Daten hilft uns aber, maßgeschneiderte Tarife, Produkte und Dienstleistungen für unsere Kunden anzubieten. Zum Beispiel beim Thema Photovoltaik am Dach. Das kann man mit E-Mobilität und Speicher verbinden. Etwa dann, wenn die Photovoltaik-Anlage dem Auto sagt, dass es mit dem Laden bis zum Nachmittag warten soll.

Werden Sie das Know-How im Bereich Daten zukaufen oder intern aufbauen?
Beides wird der Fall sein. Wir haben jetzt schon sehr viele Daten. Wichtig ist, diese Daten zu nutzen, um Kunden noch besseren Service bieten zu können. Es gibt auch einige Initiativen, mit Start-up-Unternehmen zusammenzuarbeiten. Das ist sicherlich eine befruchtende und interessante Geschichte.

Wie sollen Sie künftig mit der Digitalisierung Geld verdienen?
Wir wollen intern die Prozesse und Abläufe weiter straffen. Wenn ich mir vorstelle, wie lange es früher gedauert hat, Zählerdaten zu bekommen, eine Rechnung zu erstellen und an den Kunden zu verschicken… Das flutscht heute nur so durch. Und das ist sicher nicht das Ende der Fahnenstange.

Was genau ist noch geplant?
Für besonders spannend halte ich die Kombination Photovoltaik-Erzeugung und Speicher. Das Problem: Genau beim meisten Ertrag aus der Photovoltaik-Anlage sind die Kunden nicht zu Hause. Daher ist eine Kombination mit dem Thema Speicher naheliegend. Ich halte sehr viel von der Kombination, mit dem wollen wir starten. Dazu wollen im Herbst ein Produkt auf den Markt bringen. Das ist der erste Schritt.

Für welche Kunden?
Für Einfamilienhäuser. Aber es gibt noch weitere Schritte. Hier sind wir in einer Konzeptionsphase, das ist ein mehrjähriger Prozess.

Wird es eine eigene Datenabteilung bei Wien Energie geben?
Es geht nicht um einzelne Abteilungen. Die Digitalisierung muss das ganze Unternehmen durchfluten und davon eingenommen werden. Jeder muss sich überlegen, wie die Digitalisierung einen Mehrwert für die Kunden schaffen kann.

Michael Strebl (51) hat Anfang Oktober den Vorsitz der Wien Energie-Geschäftsführung übernommen. Strebl war davor über 20 Jahre in verschiedenen Funktionen bei der Salzburg AG tätig. Der gebürtige Salzburger hat ein technisches und ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert. Strebl ist seit 1994 in der Energiewirtschaft tätig und konnte im In- und Ausland Erfahrung sammeln, etwa an der London School of Economics (LSE) in England oder bei Siemens/USA im Silicon Valley. Die futurezone traf ihn zum Interview.

Disclaimer: Der Beitrag entstand im Rahmen einer entgeltlichen Kooperation mit Wien Energie.

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