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Interview

AirBnB: "Wir bieten mehr als nur Zimmer an"

Sie rühren gerade in  Europa die Werbetrommel für AirBnB. Ich nehme stark an, Sie übernachten bei einigen Ihrer Nutzer.
Brian Chesky: Ja klar, ich habe in Berlin in einem wunderschönen Loft gewohnt und in Hamburg bei einem AirBnB-Nutzer geschlafen. Im Juni 2010 habe ich meine Wohnung aufgegeben und wohne seither ausschließlich bei AirBnB-Nutzern. Im Juni 2010 habe ich meine Wohnung aufgegeben und wohne seither ausschließlich bei AirBnB-Nutzern.

Was ist so toll an Privatunterkünften? Hotels bieten doch viel mehr Komfort.
Ich glaube, dass wir eine neue Kategorie des Reisens kreiert haben. Erstens inspirieren wir Leute zum Reisen, die zuvor nicht viel gereist sind. Zweitens ermöglichen wir Zugang zu Leuten vor Ort, und das gab es zuvor nicht. Und drittens haben wir Menschen in Städten eine Unterkunft vermitteln können, wo Hotels komplett ausgebucht waren – etwa während der Fußball-WM oder den Olympischen Spielen. Insgesamt steigern wir also den Tourismus.

Noch ist AirBnB ein Geheimtipp. Kann es die Reisebranche verändern?
Wir versuchen wirklich, Reisen neu zu definieren. Wir bieten mehr als nur Zimmer an, wir bieten eine Erfahrung an, von der die Unterkunft nur ein Teil ist und zu der auch das Kennenlernen des Gastgebers gehört. Beim Reisen geht es um das Abenteuer, und unsere Plattform macht dieses Abenteuer auf sichere Art möglich. Es findet ein Wandel statt: Die Leute suchen sich nicht mehr die Stadt aus und dann das Hotel. Auf unserer Webseite suchen sie nach den beliebtesten Gastgebern und suchen sich danach die Destination aus. Wir sperren die Tür zu Wohnungen und Häusern auf, die man sonst nie von innen gesehen hätte. Das ist das Coole daran.

In den USA ist Ihr Dienst ja schon sehr populär, aber wie sieht es mit dem internationalen Geschäft aus?
Das wird falsch wahrgenommen. Mehr als die Hälfte der Buchungen werden außerhalb der USA gemacht. Bis dato wurden insgesamt mehr als 1,9 Millionen Nächte gebucht.

Stichwort Buchung: Beim Buchen überweist man das Geld an AirBnB, der Gastgeber bekommt es aber erst, nachdem der Gast angekommen ist. Was passiert mit dem Geld in der Zwischenzeit - manchmal Monate?
Das Geld wird in einem sicheren Konto aufbewahrt und kommt nicht auf unser Firmenkonto, wird also nicht für unser Geschäft eingesetzt. Der Grund:Wir wollen beide Parteien, Gast und Gastgeber, absichern. Der Host will eine Zusicherung, dass die Buchung ernst gemeint ist, und der Gast muss es nicht gleich an den Gastgeber überweisen und kriegt es im Falle eines Problems zurück - etwa, wenn die Unterkunft nicht so wie beschrieben ist.

AirBnB sitzt aber trotzdem oft monatelang auf dem Geld. Bekommen Sie Zinsen dafür?
Wir machen null Zinsen mit dem Geld, und selbst wenn wir es versuchen würden, wäre das nicht viel Geld. Wir machen damit in keinster Weise Umsatz.

Vor einigen Tagen haben Sie sich öffentlich über Nachmacher-Webseiten wie Wimdu, 9flats, Myfriendshotel and Airizu beschwert. Machen die Ihnen Ihr Geschäft kaputt?
Wir wollten unsere Nutzer warnen, weil immer mehr Vermieter von Verkäufern dieser Webseiten angeschrieben werden und sie zu einem Wechsel bringen wollen. Wir sind mehr als ein Verzeichnis von Privatunterkünften, wir sind eine echte globale Community von Reisenden und Gastgebern. Dass sich Gäste und Gastgeber gegenseitig bewerten können, hat eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen. Es mag Webseiten mit mehr Zimmern im Angebot geben, aber keiner hat so eine Community wie wir.

Sie werden also nicht klagen?
Das Beste, was wir tun können, ist unser Produkt zu verbessern. Erst vor ein paar Wochen haben wir Accoleo aufgekauft, eine echt talentierte Gruppe von sechs Unternehmern.

Was ist eigentlich mit Couchsurfing.org, die eine ähnliche Idee hatten? Haben sich deren Gründer schon über AirBnB beschwert?
Nein, weil wir zwei völlig verschiedene Herangehensweisen haben. Couchsurfing spricht nur eine kleine Gruppe von Menschen an, während wir unabhängig von Alter und Ansprüchen Unterkünfte vermitteln können.

In New York gibt es einen Anbieter, der Dutzende Appartments über AirBnB vermietet. Gehen Sie gegen diesen offensichtlich professionellen Vermieter vor, der versucht, den Marktplatz zu fluten und den Preis zu kontrollieren?
Beim Online-Stellen verlangen wir echte Fotos von den Unterkünften. Das hält Hotels in der Regel davon ab, dass sie bei AirBnB inserieren. Trotzdem gibt es Anbieter mit vielen Unterkünften, und einige Nutzer bevorzugen professionelle Anbieter. Wir überlassen es dem Reisenden, sich das Zimmer auszusuchen. Langfristig ist AirBnB ein Marktplatz, in dem sich die besten Angebote durchsetzen werden.

Mit der Funktion “Social Connections” wertet AirBnB die Daten von Facebook-Nutzern aus. Wozu wird das gemacht, welche Daten speichert AirBnB auf seinen Servern?
Wenn man sein Facebook-Konto mit der AirBnB-Webseite verknüpft, speichern wir alle Daten so, wie es die Nutzungsbedingungen von Facebook vorsehen. Mit den Daten können wir Verbindungen zwischen den Nutzern berechnen. So können wir etwa feststellen, ob zwei einander unbekannte User einen gemeinsamen Freund haben. Wenn ein Bekannter zufrieden mit einer Unterkunft war, dann hilft das bei der Buchungsentscheidung. Bis dato haben wir mehr als 20 Millionen solcher Beziehungen herausgefunden.

US-Medien zufolge zählt AirBnB bereits zu jenen Internetfirmen, die mehr als eine Milliarde US-Dollar wert sind.
Das ist nur ein Gerücht. Der ganze Rummel um AirBnB kommt daher, weil wir im vergangenen Jahr so enorm gewachsen sind. Vor zwölf Monaten hatten wir 15 Mitarbeiter, heute sind es mehr als 100. Im vergangenen Jahr ist die Idee eine globale Bewegung geworden und aus unserer Heimatstadt San Francisco hinausgewachsen. Es ist ein globaler Marktplatz für Privatunterkünfte geworden, von Baumhäusern in Vermont bis zu Schlössern in Marokko. Wir werden oft mit eBay verglichen, und ich glaube, dass das sehr treffend ist.

Der renommierte Risikokapitalgeber Fred Wilson (u.a. an Twitter, Foursquare, Etsy, Disqus, Zynga, Kickstarter, Tumblr) hat vor kurzem zugegeben, dass er es bereut, nicht bei AirBnB investiert zu haben. Was hat Sie an den Erfolg Ihrer Idee glauben lassen?
Bevor wir AirBnB gegründet haben, haben wir selbst Zimmer vermietet, um nebenbei Geld zu verdienen. Wir hatten so positive Erfahrungen mit den Gästen, und wir sind ziemlich durchschnittliche Menschen. Wenn also wir davon begeistert werden können, können das viele andere Leute rund um den Globus auch.

Einer Ihrer Investoren ist Schauspieler Ashton Kutcher. Ist er nur ein Star mit zu viel Geld oder kennt er sich wirklich im Online-Business aus?
Ashton ist schon länger in der Technologie-Branche unterwegs. Als wir ihn kennen gelernt haben, war sofort klar, dass er sich sowohl in der Technikwelt des Silicon Valley als auch der Welt der Popkultur auskennt. Er ist ein blendender Marketing-Stratege und kann unsere Idee massentauglich machen.

AirBnB bietet Vermietern einen Fotografen an, die Fotos für die Online-Präsentation der Privatzimmer machen. Wo ist das verfügbar und wieviel kostet das?
Das ist derzeit in 140 Städten der Welt möglich, demnächst auch in Wien. Wir bieten den Service kostenlos für unsere Top-Hosts an, um es möglichst einfach zu machen, Zimmer vermieten zu können.

Wo bleibt eigentlich eine App für Tablets? Mit der könnte man die Angebote viel besser durchsuchen als am kleinen Smartphone-Display.
Ja, da haben Sie recht. Ich kann Ihnen kein genaues Startdatum nennen, aber natürlich bietet das iPad ein ganz besonderes Erlebnis, vor allem bei hochauflösenden Fotos. Ich glaube aber, dass eine solche App eher auf den Reisenden abgestimmt werden müsste, während die iPhone-App eher für die Gastgeber gedacht ist.

Zu Ihren Zukunftsplänen: Werden Sie auch einmal andere Dinge wie Autos über die Webseite vermieten?
Heute sind wir ein Marktplatz für freie Zimmer, eines Tages sind wir vielleicht ein Marktplatz mit vielen verschiedenen Kategorien. Aber in nächster Zeit bleiben wir bei Unterkünften. Das Nächste, was wir möglich machen, ist die Vermietung von Unterkünften länger als einen Monat.

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Unter www.airbnb.com finden sich derzeit etwa
70.000 Privatunterkünfte in mehr als 180 Ländern. Nutzer haben bis dato 1,9 Millionen Übernachtungen gebucht. Ab sofort kümmert sich eine Community-Managerin in Wien persönlich um die Anliegen von Gastgebern und Gästen in der Stadt. Im Schnitt kostet eine Übernachtung 63 Euro. Gezahlt wird der volle Betrag bei Buchung  – entweder mit Kreditkarte oder dem Bezahl-Dienst PayPal. Der Gastgeber bekommt den Betrag 24 Stunden nach Ankunft des Gastes.

Der 29-Jährige Brian Chesky hat „Airbed and Breakfast“ (Luftmatratze und Frühstück) gemeinsam mit Joe Gebbia und Nathan Blecharczyk 2008 gegründet. Von jedem Buchungsbetrag bekommt ihre Firma zwischen sechs und zwölf Prozent Provision. Mit den Risikokapitalfirmen Greylock Partners (USA) und Digital Sky Technologies (Russland) teilt sie sich mit Facebook die selben Geldgeber.

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Jakob Steinschaden

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