© Florian Schulz

Interview

Auf der Jagd nach dem besten Foto in der Welt der Eisbären

Florian Schulz (visionwildnis.com) hat insgesamt über 22 Monate in der Arktis verbracht und bei Temperaturen von bis zu -45 Grad fotografiert. Mit der futurezone spricht er im Interview über die Tiersuche in der Eiswüste, die Gefahren der Arktis und Tipps für Naturfotografen.

Wie haben sie sich auf die Arktis vorbereitet? Hatten Sie ein spezielles Trainingsprogramm?
Ich habe in den Wintermonaten angefangen bei -15 Grad zu joggen, um mich an die Kälte zu gewöhnen. Wichtig ist ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie sehr man den Körper belasten kann, ohne zu schwitzen. Verschwitzt bei Minus 40 Grad im Freien zu sein ist nicht ratsam.

Viel Vorbereitungszeit floss in die Überlegungen, wie man sich richtig schichtenweise anzieht. Das beginnt bei der guten Wollunterwäsche und geht bis zur Wahl der Handschuhe – von Seidenhandschuhen bis zu den Fäustlingen. Teilweise waren es vier Paar Handschuhe, so getragen, dass man schnell zwei Paare ausziehen kann, um die Kamera zu bedienen.

Wie hat die Kamera die Kälte überstanden?
Ich habe bei bis zu Minus 45 Grad fotografiert. Die Anzeige am Display wurde langsamer, wenn man etwa mit dem Rad die Blende verstellt hat, es wirkte wie in Zeitlupe. Ansonsten war ich selbst überrascht wie gut die Kameras die Kälte mitgemacht haben.

Die große Frage ist immer die Stromversorgung. Bei langen Expeditionen, bei denen man bis zu drei Monate ohne Steckdose unterwegs ist, hatte ich bis zu 15 Stück Akkus für die Nikon D3S mit. Die Akkus hielten länger als ich gedacht hätte: Bei Minus 35 Grad lief die Kamera vier Stunden durchgehend für eine Timelapse-Aufnahme.

Bei „Arktis“ denken viele nur an endlose Eis- und Schneemassen. Wie findet man dort die Tiere?
Man kann die Arktis erstmal einfach als Eiswüste erleben, die Landschaft in der Stille wahrnehmen, die bizarren Formen der Schneeverwehungen bewundern. Aber gerade im Sommer wandern unzählige Tiere dort hin, wie Vögel, Karibus und verschiedene Walarten. Die Tiere zu finden ist nicht leicht, deshalb hat sich das Projekt auch über viele Jahre hingezogen.

Man muss für die Suche nach den Tieren große Gebiete abdecken, dazu war ich mit Hundeschlitten, Schneemobilen, auf Flüssen mit Rafts oder auch mit Buschflugzeugen unterwegs. Je nachdem welche Tierart ich fotografieren wollte, musste ich einen geeigneten Aussichtspunkt finden. Für Eisbären bin ich auf große Eisberge geklettert und habe mit dem Fernglas das Packeis abgesucht.

Manchmal vergeht eine komplette Woche bis man den ersten Bären entdeckt. Manchmal kann es Jahre dauern, bis man ein bestimmtes Tier findet. Die großen Karibuherden gehen gewisse Wanderwege zu bestimmten Wochen im Jahr. Dennoch habe ich sie erst bei der dritten Expedition zu Gesicht bekommen.

Wie finanzieren sie ihre Expeditionen?
In so abgelegen Gebieten wie der Arktis ist alles sehr kostspielig. Meistens habe ich mehrere Auftraggeber und stecke auch noch eigenes Geld rein. Über Verlage und mit Partnern wird die Finanzierung möglich. Man kann auch, etwa in Alaska, den Straßen entlang arbeiten, was günstiger ist. Aber wenn man die Vielfalt der Arktis erleben will, muss man tiefer hinein. Ein Flug in die Arktis kostet schon mal 8000 Dollar hin und 8000 Dollar zurück.

Mir geht es nicht darum, mit welchem Projekt ich möglichst viel Geld verdiene. Ich hänge mich rein und mache dabei nicht immer die wirtschaftlich korrekten Entscheidungen, freue mich aber immer über die Bilder die daraus entstehen.

Für welches Tier mussten Sie sich am meisten für das perfekte Foto anstrengen?
Der Eisbär ist eine der größten Herausforderungen. Ihn zu fotografieren weist auch eine Gefahr auf. Man will nahe ran um Fotos zu machen aber es ist ein Tier, das einen auffressen kann. Es ist nicht nur eine große Herausforderung Eisbären auf dem Packeis zu finden, sondern auch selbst in dieser Umgebung, also als Mensch in der Welt der Eisbären, zu überleben.

Welches Tier der Arktis ist besonders fotogen?
Es gibt so viele verschiedene Tierarten die fotogen sind. Je mehr Zeit man investiert, desto mehr Begeisterung hat man für das Tier und desto mehr hält man die Strapazen bei der Suche nach dem perfekten Bild aus.

Natürlich bin ich von den Eisbären total begeistert. Es sind imposante Tiere, die verschiedene Facetten zeigen, etwa mit ihren Jungen oder wenn sie sich aufrichten – das verleiht ihnen fast menschliche Züge.

Es ist aber nicht so, dass ich ein Lieblingstier habe. Ich kann mich genauso für Vögel, wie Lummen und Schneeeulen, begeistern und über Tage hinweg im Tarnzelt lauern, um das beste Bild von ihnen zu kriegen. In solchen Situationen ist für mich etwa die Schneeeule eines der schönsten Tiere, wegen der anmutigen Art ihres Fluges, dem weißen Gefieder und den kräftigen, gelben Augen.

Gab es während den Reisen auch gefährliche Situationen?
Ja, wir hatten eine Situation mit einem Eisbären am Packeis, der immer näher kam. Zusammen mit einem befreundeten Führer habe ich in die Luft geschossen, als er auf zehn Meter herankam. Danach lief er weg, kam aber noch drei Mal wieder so nahe heran, trotz Warnschüsse. Da wird einem schon mulmig.

Das ist eine der offensichtlichen Gefahren. Die versteckten Gefahren sind oft die gefährlicheren. Ich lag einmal direkt an der Eiskante um Lummen am Wasser zu fotografieren. Da war in einem Gebiet, in dem im Winter das Wasser offen war. Plötzlich wurde mir klar, dass das Eis, auf dem ich lag, so durchlöchert war, dass es jeder Zeit hätte abbrechen können. Im Minus 1 Grad kaltem Wasser bei der Strömung wäre es das gewesen. Nochmal würde ich das Risiko nicht für ein Bild eingehen – zumindest nicht ohne zusätzliche Sicherung mit Seil und Partner.

Wie haben sie sich auf den langen Reisen in der Arktis ernährt? Trockennahrung und Notrationen oder auch selbst geangelt und gejagt?
Wir haben auch geangelt, teilweise mitten im Winter. Eskimos haben uns gezeigt, wie man durch zwei Löcher im Eis, die 50 Meter entfernt voneinander sind, ein Netz führt. So haben wir tatsächlich mitten im Winter Seesaiblinge gefangen. Wir haben auch Belugawal von ihnen zu probieren bekommen und Robbenfleisch.

In Spitzbergen bei den Expeditionen ist Trockennahrung und Sirup der zu Tee wird am Speiseplan. Man ist so hinter den Bildern her, dass man nicht auch noch Energie für die Nahrungssuche aufwenden will und kann.

Welches war Ihr schönster Moment in der Arktis?
Da gibt es viele. Etwa wenn man lange Zeit auf etwas hinarbeitet, wie die Suche nach der Karibuherde. Man findet sie jahrelang nicht und bei der dritten Expedition ziehen plötzlich 60.000 Karibus an einem vorbei. Oder wenn man ein besonderes Eisbär-Bild machen will, es wochenlang nicht klappt und dann aber das Foto genauso wird, wie man es sich vor dem inneren Auge ausgemalt hat.

Mit welcher Fotoausrüstung waren sie unterwegs?
Früher habe ich eine Nikon D3S verwendet, jetzt eine D4S. Ich gehe mit der Entwicklung der Kameras mit, gerade das Fotografieren der Nordlichter klappt mit der neuen Kamera besser aufgrund des erweiterten ISO-Bereichs. Für Tauchgänge ist ein Unterwassergehäuse mit dabei. Neben Weitwinkelobjektiven sind die Teleobjektive 600mm f4, und 200-400mm im Gepäck, dazu kommen noch verschiedene Stative. Meistens sind es vier volle Taschen die zwischen 20 und 30 Kilogramm wiegen – gerade so viel, dass sie den Fluglinien-Bestimmungen entsprechen und sie noch mit Hunde- und Motorschlitten transportiert werden können.

Da wir jetzt mehr filmen aus früher kommt noch ein Stativ für Kameraschwenks hinzu. Wir filmen sowohl mit den DSLRs als auch mit Filmkameras, wie etwa der Red.

Was war für Sie der Moment, in dem sie wussten: „Ich will Fotograf werden“?
Es hat als Kind zu dämmern begonnen. Ein Cousin hat ein Bild im Magazin "Herz für Tiere" veröffentlicht und dafür 200 Mark gekriegt. Ich dachte mir damals: „Was, für Bilder kann man Geld bekommen?“

Ich war schon immer begeistert von der Natur und Tierwelt und bin als kleiner Junge in den Wald gezogen um Vögel und Füchse mit dem Fernglas zu beobachten. Habe ich jemandem enthusiastisch von meinen Beobachtungen erzählt, kam bei dem Gegenüber nur wenig Begeisterung auf. Deshalb dachte ich mir, wenn ich Bilder von dem machen kann, was ich gesehen habe, verstehen sie meine Faszination besser.

Im Gymnasium wusste ich schon, dass ich Fotograf werden will. Mir haben viele gesagt, dass man davon nicht leben kann, weshalb ich es als Hobby betrieben und studiert habe um Lehrer für Biologie und Englisch zu werden. Ich wollte mich aber nicht nur halb sondern voll der Fotografie widmen. Ich habe das Studium abgebrochen und bin ganz in die Fotografie eingestiegen. Das war die beste Entscheidung, die ich je gemacht habe.

Sie halten auf der Messe Photo+Adventure das Seminar „Grundlagen der Naturfotografie“. Was sind Ihre Tipps für erste Gehversuche in der Naturfotografie?
Man sollte also länger an einer Sache arbeiten, um die besten Resultate zu erzielen. Was mir am meisten Spaß macht ist etwas zu fotografieren, was ich zuvor schon als Szene beobachtet habe. Dadurch kann ich mir schon im Kopf das Foto zurechtlegen, das ich später machen möchte. Es lohnt sich auch an denselben Ort bei verschiedenen Licht- und Wettersituationen zurückzukehren. Man lernt so das Tier und seine Verhaltensmuster kennen und weiß, wo man sich am besten platzieren muss. Man entdeckt dabei auch neue Motive.

Man sollte eine Szene auch mit verschiedenen Objektiven fotografieren, sich quasi zwingen unterschiedliche Brennweiten zu verwenden. Man sieht so dieselbe Situation immer wieder neu und anders. Es kann auch interessant sein die Perspektive zu wechseln, also mal von weiter unten oder von oben zu fotografieren.

Was ist die Mindestausrüstung, um in der Naturfotografie Fuß zu fassen?
Für mich ist die Minimalausrüstung eine DSLR-Kamera. Um kreativer arbeiten zu können bevorzuge ich die großen Sensoren. Mit den Objektiven sollte man die Brennweiten vom extremen Weitwinkel bis 400mm abdecken. Mit einer Kamera mit APS-C-Format wird durch den Cropfaktor aus einem 400mm-Objektiv eines mit 600mm Brennweite. Das ist für den ein oder anderen sicher hilfreich, um näher ans Motiv zu kommen.

Ein Stativ ist nicht immer nötig, ich halte oft aus der Hand drauf, wenn kein Stativ dabei ist. Man muss aber selbst einschätzen können, unter welchen Bedingungen man die Kamera noch ruhig halten kann.
Photo+Adventure

Vom 7. bis 9. November findet im Design Center Linz die achte Photo+Adventure statt. Neben zahlreichen Ausstellern, die die neuesten Trends der Fotografie, Videokameras und Zubehör präsentieren, wird es 70 Fachvorträge geben. Diese sind bereits im Eintrittspreis der Messe inkludiert (Tagesticket ab 10 Euro) und können ohne zusätzliche Kosten besucht werden. Die Vorträge führen durch entfernte Reiseziele wie Oman, Mexiko und Botswana aber auch in nahe gelegene Naturregionen.

Im Fotoworkshop- und Seminarbereich wird praktisches Wissen über Fotografie und Film vermittelt. Die Kurse richten sich an verschiedene Zielgruppen, von Einsteigern bis hin zum Fast-Profi. Zu den Vortragenden gehören bekannte Fotoprofis wie etwa Achim Meurer, Marc Graf, Gerhard Zimmert, Anselm Wunderer und Manfred Baumann.

Zusätzlich finden drei Abendveranstaltungen, außerhalb des regulären Messebetriebs, im Kongresssaal statt. Die Abschlussveranstaltung am Sonntag, dem 9. November, ist die Österreichpremiere von „Abenteuer Arktis“ von Florian Schulz. Sein Seminar „Grundlagen der Naturfotografie“ (70 Euro) findet am Sonntag von 10:30 bis 14:30 statt. Teilnehmer lernen Grundlagen sowie Tipps und Tricks vom Profi.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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