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Smart Banking

Banken und Fintechs sagen Kontostand vorher

Start-ups aus dem Finanzwesen, die sogenannten Fintechs, sorgen weiterhin für eine Menge Innovationskraft in der Bankenbranche. Das zeigte das diesjährige Pioneers Festival, auf dem Start-ups wie Number26, Loot und Pleo einigen Mitbewerbern die Show stahlen. Dabei geht der Trend klar in eine Richtung: Das Bankkonto soll smarter werden und mithilfe von Algorithmen dem Kunden mit Prognosen und Finanztipps zur Seite stehen.

Die Erste Bank experimentiert auf ihrer Banking-Plattform George bereits seit längerem mit Tools und Plug-ins, die Kunden das Aufschlüsseln ihrer Einnahmen und Ausgaben erleichtern. Number26, das von Österreichern gegründete Start-up mit Sitz in Berlin, will nun einen Schritt weitergehen. Statt nur den aktuellen Kontostand zu zeigen, wird Number26 künftig auch Prognosen zur Entwicklung des Kontostands abgeben, unter anderem auf Basis des bisherigen Einkaufverhaltens oder regelmäßiger Zahlungen, wie etwa der Miete.

Bank weiß, wann man Geld ausgeben will

„Unsere Nutzer kreieren allein dieses Jahr mehr als eine Milliarde Datenpunkte. Das ermöglicht ‚Smarter Banking’“, so Valentin Stalf, einer der Gründer von Number26. „Es geht ja auch darum, den Kunden besser kennenzulernen.“ Bereits jetzt kann Number26 den Kontext der Buchungen erkennen. Bezahlt man beispielsweise mit Number26 in einem Restaurant, wird die Buchung unter der Kategorie „Essen“ abgelegt. Künftig soll das Bankkonto aber noch schlauer werden. So soll es beispielsweise erkennen, ob sich der Kontoinhaber auf einer Geschäftsreise befindet und die Buchung entsprechend kategorisieren.

Das ermögliche viele neue Geschäftsfelder. Einerseits könnten so mögliche Betrugsfälle besser erkannt werden, es sollen aber auch neue Anreize zum Ausgeben von Geld geschaffen werden. Weiß die Bank beispielsweise, dass man sich jährlich ein neues Smartphone leistet, könnte der Kunde rechtzeitig zuvor ein entsprechendes Angebot oder einen passenden Kreditrahmen bekommen. „In zehn Jahren wird es bei Number26 eher darum gehen, die Probleme der Kunden automatisch zu lösen“, so Stalf.

Auch das britische Start-up Loot, das ähnlich wie Number26 funktioniert, will den Bankberater mit Algorithmen ablösen. „Viele Menschen in Großbritannien leben an der Grenze und wissen nicht, wie viel Geld sie diesen Monat ausgeben könnten. Wir wollen ihnen zeigen, wie sie Geld sparen können“, so Ollie Purdue, Gründer von Loot.

Erste Bank kooperiert mit Predictr

Auch die Erste Bank will seine Smart-Banking-Plattform „George“ sukzessive mit ähnlichen Features ausbauen. Der Konzern kündigte auf dem Pioneers Festival eine Kooperation mit dem noch jungen Start-up „Predictr“ an. Das Wiener Unternehmen hat sich auf „Predictive Analytics“ für Banken spezialisiert. Was genau hinter der Kooperation steckt, will Predictr-Gründer Jakob Etzel nicht verraten. Er deutet jedoch an, dass es sich dabei um ähnliche Funktionen wie bei Number26 handeln könnte - und man dem Konkurrenten aus Berlin zuvorkommen will. „Ich glaube, wir können es schneller ausliefern“, so Etzel und spricht von wenigen Monaten.

Die Erste Bank ist eine der wenigen etablierten Banken, die sich in dieses neue Feld wagt. Das sei allerdings nur möglich, da man einen eigenen Start-up-Hub betreibe, über den Projekte wie George außerhalb der alten Strukturen des Unternehmens entwickelt und zur Marktreife gebracht werden. „Die alte DNA der Bank würde jede Form der Innovation zerstören“, sagt Peter Bosek, Chief Retail Officer der Erste Bank. „Wir versuchen mit George diesen kulturellen Wandel der Branche mit zu beeinflussen.“

Doch auch wirtschaftliche Faktoren verhindern einen raschen Wandel im Bankensektor. „Es ist auch eine Frage der Kosten. Künstliche Intelligenz und Algorithmen würden viele Jobs in Banken obsolet machen und das würde kurzfristig für hohe Kosten sorgen“, so Yann Kandelman vom französischen Konzern Orange, der durch die Übernahme von Groupama Banque kürzlich auch in das Bankgeschäft eingestiegen ist.

Fintechs müssen am Wachhund vorbei

Datenschutzbedenken werden sowohl von den Banken als auch den Start-ups vom Tisch gewischt. Insbesondere die Start-ups geben sich davon überzeugt, dass viele frustrierte Bankkunden vom Komfort überzeugen lassen. Diese Meinung scheinen auch die etablierten Banken zu teilen wie deren verstärkte Aktivität auf dem Fintech-Sektor zeigt. Immer mehr Banken kaufen sich gezielt Fintech-Start-ups, zuletzt übernahm unter anderem die spanische Bank BBVA die Finanz-Start-ups Holvi und Simple. Eine Strategie, die aus Sicht der Experten zum Scheitern verurteilt ist.

„Selbst die Banken, die als VCs in Fintechs investiert haben, werden in den nächsten fünf Jahren Probleme bekommen. Denn wenn es ihnen gelungen ist, ein Fintech in das Unternehmen zu integrieren, sind sie entweder Magier oder sie haben ihr Geschäftsmodell dabei zerstört“, so Etzel von Predictr.

Einen klaren Lösungsvorschlag kann niemand bieten. Sowohl Erste Bank als auch Western Union geben sich davon überzeugt, dass man durch externe Start-up-Hubs für Innovation im Unternehmen sorgen kann. Die Start-ups setzen hingegen zunehmend auf Zusammenarbeit - sowohl untereinander als auch mit Banken. So tritt Number26 mittlerweile als „Fintech-Hub“ auf und integriert andere Start-ups, unter anderemTransferWiseundBarzahlen, in sein Angebot.

Milliardenhype

Der Hype um die Branche scheint zumindest ungebrochen: 2015 wurden 18,8 Milliarden US-Dollar in Fintechs investiert, 4,9 Milliarden Dollar mehr als im Jahr zuvor. „Versteht mich nicht falsch, aber ihr seid komplett überbewertet“, so Bosek, der Investments der Erste Bank in Start-ups ausschließt. Stattdessen wolle man mit den Unternehmen zusammenarbeiten.

„Mir würde es sehr gefallen, wenn die Fintechs über George gehen würden statt unsere Kunden direkt abzuwerben“, so Bosek, der George als Plattform wie Apples App Store versteht. „Wir sind nun einmal wie ein ‚Wachhund‘, der seine Kunden verteidigen will. Wenn ihr uns einen Weg zeigt, mehr Geld zu verdienen, lassen wir euch auch bei der Tür rein.“

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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