Wie gut die Wirtschaft auf ein Blackout vorbereitet ist (Symbolbild)

Wie gut die Wirtschaft auf ein Blackout vorbereitet ist (Symbolbild)

© Reuters

Stromausfall

Blackout: "Österreich ist nicht ausreichend vorbereitet"

In der Türkei legte am Dienstag ein großflächiger Stromausfall, der bis zu acht Stunden angedauert hat, das ganze Land lahm. 76 Millionen Bürger waren davon betroffen. Wenige Tage zuvor erwischte es die Niederlande. In Ankara und Amsterdam brach der Verkehr komplett zusammen. Die U-Bahnen standen ebenso still wie die Bahn. Auf den Straßen brach Chaos aus, weil die Ampeln ausgefallen waren. Auch der Flugverkehr war betroffen. Am internationalen Flughafen Schiphol konnten keine Maschinen mehr starten und landen. Fabriken standen still, Bürogebäude waren finster und entwickelten sich zu Geisterarbeitsstätten.

Komplexe Systeme

Was wie ein Szenario aus dem Thriller „Blackout“ des Bestseller-Autors Marc Elsberg klingt, war dieser Tage pure Realität. Es traf die beiden Länder völlig überraschend, der Stromausfall zeichnete sich durch nichts vorher ab. „Die Wahrscheinlichkeit für größere Ausfälle ist gestiegen“, erklärt Elsberg, der in der Energiebranche mittlerweile Experten-Status erlangt hat, im Gespräch mit der futurezone. „Das liegt in erster Linie an der wachsenden Komplexität des Systems.“

Im Mai 2013 löste etwa die Zählerabfrage im bayrischen Gasnetz einen Kollaps der Steuerung des österreichischen Hochspannungsnetzes aus. „Nur dank kompetenter, erfahrener Netzführer und viel Glück ist nichts passiert“, sagt Elsberg. Laut dem Sicherheitsexperten und Initiator von „Plötzlich Blackout“, Herbert Saurugg, nehmen die Eingriffe der Netzbetreiber in ihre Systeme seit Monaten drastisch zu.

Mehr Eingriffe ins Netz

Fritz Wöber, Pressesprecher der Austria Power Grid (APG), die für das Übertragungsnetz in Österreich zuständig ist, bestätigt dies. „Die Eingriffe ins System werden häufiger und die Herausforderungen immer größer“, sagt Wöber. „Wir adaptieren unsere Maßnahmen daher laufend und tun alles, um ein Blackout zu verhindern.“ Auch Patrick Reiterer von der Wiener Netze GmbH bestätigt: „Das Stromnetz wird immer komplexer und schwerer zu steuern.“ Saurugg fürchtet, dass die Systeme „irgendwann nicht mehr steuerbar“ sein könnten. „In dem komplexen europäischen System können kleine Ursachen große Wirkungen haben. Und die Komplexität wächst weiter“, fügt Elsberg hinzu.

Bestseller-Autor Marc Elsberg wird am Freitag, 10. Oktober, beim #Twitteratur-Festival in 140 Zeichen literarisch tätig sein.
Wenn wie in der Türkei diese Woche acht Stunden der Strom fehlt, führt das dazu, dass in der Bevölkerung die Verunsicherung wächst, sobald die Kommunikation zusammenbricht. „Nach ein paar Stunden funktioniert außer batteriebetriebenen Radios praktisch kein Kommunikationsmittel wie TV, Handy oder Internet mehr und ohne Information kommt bald Unruhe auf“, erklärt Elsberg. Deshalb sei „eine gewisse gesellschaftliche Vorbereitung“ dringend nötig. „Sowohl bei der Bevölkerung, als auch bei Unternehmen und Institutionen“.

Nicht vorbereitet

Österreich ist laut den beiden Experten derzeit nicht ausreichend auf eine solche Situation vorbereitet. „Diverse Einrichtungen wie Krankenhäuser haben natürlich Notstromsysteme für zwei Tage. In unserer strukturell extrem vernetzten Welt hilft es aber nur beschränkt, wenn einzelne Einheit noch Strom haben, da sie meist von zahlreichen Partnern und Zulieferern abhängig sind, die keinen Strom mehr haben“, sagt Elsberg. Als Beispiel nennt er die Auslagerung der Küchen bei den Spitälern. „Lieferwagen bringen drei Mal täglich die fertig portionierten Speisen.“

„Uns fehlt das vernetzte Denken“, sagt Saurugg dazu. Selbst wenn eine Organisation behauptet, sie habe einen Krisenplan entwickelt, heißt das nicht, dass jeder einzelne Mitarbeiter genau weiß, was im Ernstfall zu tun sei, so Saurugg. „Das wiederum bedeutet, dass der Plan nicht funktionieren kann.“ Weit verbreitet sei außerdem der Irrlaube, dass schon jemand im Unternehmen für so einen Krisenfall verantwortlich sei, sagt Saurugg. „Jeder kann in so einem Fall etwas tun, in seinem kleinen Bereich.“

Steckengebliebene Aufzüge

Ein Beispiel hierfür liefert Elsberg: Von den Vorfällen in Amsterdam und in der Türkei haben viele Menschen berichtet, dass sie im Aufzug steckengeblieben sind. „Als man sich das Szenario einmal für Berlin durchgerechnet hat, ist man draufgekommen, dass es Tage dauern würde, bis die Feuerwehr die letzten Menschen befreit“, so Elsberg. „Dabei ist das übrigens ein klassischer Fall, wie man vorbeugen könnte. Einen steckengeblieben Fahrstuhl könnten meist auch geübte Laien im betroffenen Gebäude auf die nächste Etage bringen und öffnen. Sie müssen es nur vorher lernen und üben.“

Panik verbreiten wollen die beiden Experten mit ihren Erklärungen allerdings nicht. Zum Denken anregen sollten die jüngsten Vorfälle aber schon. So werden die wirtschaftlichen Gesamtkosten des achtstündigen Ausfalls in der Türkei mit „mindestens 700 Millionen US-Dollar“ beziffert.

Tipps für das Blackout: Wie man sich darauf vorbereiten kann.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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