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Propaganda

Chinas Mikroblogs geraten vermehrt unter Druck

Chinas Regierung lässt das Internet von einem gewaltigen Heer an Zensoren filtern. Kritische Seiten können in Minuten verschwinden, Suchbegriffe sind von vorne herein gesperrt. Aber die Nutzer waren schon immer clever und suchten sich Auswege. Bislang galten die beliebten Mikroblogs Weibo als eine Antwort.
In Windeseile lassen sich auf den twitterähnlichen Kurzmitteilungsdiensten Neuigkeiten teilen. Löscht ein Zensor einen Eintrag, taucht der schnell wieder mit anderen Formulierungen auf. Doch seit Ende vergangenen Jahres geht die Regierung in einer Kampagne gegen Gerüchte im Internet vor und lässt Blogger verhaften. Das verschreckt die Nutzer der Online-Portale.

Im vergangenen Jahr verloren die Weibo rund 28 Millionen Mitglieder, wie das halbstaatliche chinesische Internet-Netzwerkinformationszentrum CNNIC ausrechnete. Trotz des Rückgangs stehen sie immer noch bei 281 Millionen Nutzern. Zum Vergleich: Das Online-Netzwerk Twitter hatte kurz vor dem Börsengang im Winter die Zahl seiner aktiven Nutzer auf gut 230 Millionen beziffert. Allerdings ist Twitter, ebenso wie Facebook oder Youtube, in China gesperrt. Ohne technische Tricks zur Umgehung der Zensur können Nutzer nur auf die chinesischen Dienste zugreifen. Dort blühten erste Anzeichen einer freien Debatte auf.

Staat liest mit

Doch eine Kampagne der Regierung und die Sprunghaftigkeit der Nutzer setzten den Weibo zu. Die Regierung überwacht die Einträge genau. Eine eigene Abteilung des Parteiorgans „Volkszeitung“ analysiert, wer wann was auf Weibo postet. Einige der einflussreichsten Blogger hätten Weibo bereits verlassen, andere schrieben viel weniger als zuvor, teilte die „Volkszeitung“ mit. Zwischen dem 10. August und dem 10. Oktober seien die Aktivitäten der Top-100-Blogger um mehr als zehn Prozent zurückgegangen. Viele seien vorsichtiger bei politischen Themen geworden.

„Die gute Kraft hat begonnen, wieder das Mikrofon zurückzubekommen,“ sagte der Chef der Analyseabteilung, Zhu Huaxin. Für ihn ist das Internet „das wichtigste Schlachtfeld der Propaganda“, sagte er der Staatszeitung „Global Times“. „Die Partei und die Regierung haben erste Schritte für eine Initiative auf diesem Kampfgebiet um die öffentliche Meinung unternommen.“ 60 000 staatliche Einrichtungen haben laut amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zudem eigene Profile auf Weibo.
Kristin Shi-Kupfer vom Mercator Institut for China Studies (MERICS) in Berlin meint: „Die Zensur und die Verhaftungen hatten einen großen Einfluss auf die zurückgehenden Nutzerzahlen.“ Neben der Regierungspropaganda und eingeschüchterten Bloggern gebe es aber noch andere Gründe, sagt die Forschungsgruppenleiterin der dpa. Der bekannte Juraprofessor He Weifang habe etwa bei seiner Abmeldung von Weibo neben der Zensur auch eine Kommerzialisierung und immer emotionalere Diskussionen in den Netzwerken kritisiert.

Alter Hut

„Es gibt mehrere Ursachen“, sagt auch Jeremy Goldkorn, der auf der Webseite danwei.com über das chinesische Internet berichtet. Die Konkurrenz durch das Chat-Programm Weixin (Wechat), vergleichbar mit WhatsApp, setze den Weibo zu. Laut den CNNIC-Zahlen sind 37 Prozent der Weibo-Abgänger zu Weixin gewechselt. Zudem seien viele Nutzer von der penetranten Werbung frustriert. Für Manche gibt es auch ganz banale Gründe: „Meine Mutter ist auf Weibo“, sagt ein 25 Jahre alter Pekinger. Vor zwei, drei Jahren sei Weibo modern und innovativ gewesen. Seit sich auch Eltern, Verwandte und Arbeitskollegen dort tummelten, traue er sich kaum noch etwas zu schreiben. „Weibo ist mittlerweile ganz einfach uncool.“

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