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"Das digitale Musikgeschäft ist minimal"

"Der Musikmarkt ist überhaupt nicht eingebrochen", sagt Peter Tschmuck, Musikwirtschaftsforscher an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien (Wordpress-Blog). "Die digitale Revolution hat dazu geführt, dass die Musikindustrie gewachsen ist." Nur die Tonträgersparte sei eingebrochen, allerdings nicht wie oft behauptet um 50, sondern um maximal 20 Prozent, wie neue Studien zeigen würden. Die Schuld an diesem Rückgang wird oft Filesharing-Plattformen wie Napster gegeben, über die sich Nutzer seit mehr als zehn Jahren kostenlos digitale Musik besorgen können.

Tschmuck sieht das teilweise illegale Filesharing von MP3s aber nicht als Ursache, sondern als Symptom eines grundlegenden Wandels: "Die Digitalisierung hat zu einer Entbündelung der Musik geführt", so der Wissenschaftler. "Wir haben uns weg von einer Album- hin zu einer Track-Kultur bewegt." Früher hätte die Musikindustrie ein, zwei Hits mit Füllmaterial zu einem Album gemacht und teurer verkaufen können. Im Internet ist es möglich, einzelne Lieder herunterzuladen. Mehr als 50 Prozent des Geschäfts gehe heute über den Single-Markt, so Tschmuck.

Außerdem gibt es Belege, dass das Filesharing der Musikindustrie gar nicht schadet. Forscher sprechen dabei vom so genannten "Sampling-Effekt": Internetnutzer besorgen sich gratis Songs. Wenn ihnen ein Interpret gefällt, kaufen sie seine Werke regulär. Laut Tschmuck gebe es bereits Untersuchungen, die zeigen, dass der Absatz von Tonträgern in einigen Ländern wie Großbritannien dadurch um bis zu fünf Prozent gewachsen sei. "Außerdem wird sehr viel Musik gratis konsumiert, die ohnehin nie gekauft worden wäre", so Tschmuck.

Verschwindend kleine Streaming-Einnahmen
Für die Zukunft des Musikkonsums stehen derzeit alle Zeichen auf "Streaming": Via Internet werden Songs aus riesigen Songbibliotheken großer Anbieter auf Computer oder Handy gesendet, ohne gespeichert zu werden. "Das ist eine neue Form des Radios, bei der man selbst entscheidet, was gespielt wird", sagt Tschmuck. Der Nutzer nimmt dabei entweder Werbespots zwischen den Songs in Kauf und darf die Dienste gratis verwenden, oder zahlt eine Monatspauschale (etwa zehn Euro) dafür. In Österreich bietet etwa Musicload ein solches Service an, allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis Firmen wie Apple, Google oder Spotify Musik-Streaming ebenfalls offerieren werden.

Die Track-Kultur und das Musik-Streaming haben erhebliche Auswirkungen auf den Künstler. "Früher konnte man vom Verkauf der Musik leben", sagt Tschmuck. "Das digitale Musikgeschäft von heutigen Superstars aber ist minimal." Die Sängerin Beyoncé etwa verdiente 2010 etwa 20 Millionen Dollar mit Konzerten, zwischen ein und zwei Millionen mit CD-Verkäufen - und 9000 Dollar mit Streaming. Auch die Rockband AC/DC oder Popstar Britney Spears beziehen etwa 95 Prozent ihrer Einnahmen aus Ticketverkäufen. Doch auch das Geschäft mit Konzerten ist rückläufig: Wie eine GfK-Studie für Deutschland zeigt, sind die Einnahmen seit 2007 jährlich leicht gesunken. Auch in den USA wurden die Ticketpreise zuletzt billiger.

Neue Geldquellen anzapfen
"Musiker müssen möglichst viele Einnahmequellen anzapfen", sagt Tschmuck. In der Branche spricht man bereits von so genanntem 360-Grad-Managment: Dabei wird einerseits dafür gesorgt, dass die Songs eines Künstlers bei allen erdenklichen Verkaufsstellen erhältlich ist. Die niederösterreichische Firma ReBeat etwa hat sich darauf spezialisiert, MP3s von Bands bei 300 Online-Shops verfügbar zu machen. Neben Konzerten muss heute außerdem sichergestellt werden, dass über Merchandise und Sponsoring (z.B. von Instrumentenherstellern) genug Geld in die Musikerkasse fließt. Bei der Erschließung neuer Einnahmequellen ist die Branche kreativ: In Videospielen sind Songs nationaler (z.B. Anna F., Soap&Skin) und internationaler Künstler ebenso zu hören wie in Werbespots. Auch Beatles-Legende Paul McCartney musste bereits neue Wege einschlagen: Sein 2009er Live-Album "Good Evening New York City" ist in exklusiver Partnerschaft mit der US-Kaffeehauskette Starbucks erschienen.

Vor allem die HipHop-Branche zeigt sich in der Erschließung neuer Geldquellen kreativ: Die Rapper 50 Cent und Ludacris präsentierten auf der CES eigene Kopfhörer-Modelle und traten damit in die Fußstapfen von Jay-Z, P. Diddy und Dr. Dre. Auch Entertaiment-Legende Quincy Jones kooperierte bereits mit dem österreichischen Kopfhörer-Produzenten AKG, und Lady Gaga zeigte in Las Vegas eine mit ihrem Namen gebrandete Kamera-Brille von Polaroid.

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(Jakob Steinschaden)

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