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"Datenjournalismus erfordert neue Fertigkeiten"

Die journalistische Aufbereitung von öffentlich zugänglichen Daten spielt eine immer größere Rolle in der (Online-) Medienwelt. International anerkannte Publikationen wie die "New York Times" oder der "Guardian" haben sich mit Datenjournalismus bereits einen Namen gemacht. In Österreich ist diese Form des neuen journalistischen Arbeitens in der Praxis zwar noch rar gesät, doch nach und nach erlangt man auch in heimischen Redaktionen die Erkenntnis, dass man sich künftig stärker mit Datenmaterial und dessen Visualisierung beschäftigen wird.

Wie vielfältig und spannend das Thema Datenjournalismus sein kann, zeigten nun sieben Studentengruppen der FH Wien. Im Rahmen des Bachelor-Studiums Journalismus & Medienmanagement starteten der Open-Data-Experte Robert Harm und Robert Varga, Leiter Produktmanagement bei der APA, eine Lehrveranstaltung, die sich ganz dem Thema widmete. Die Studenten hatten die Aufgabe, sich einem bestimmten Thema mit einer datenjournalistischen Methode zu nähern. Sämtliche dafür notwendigen Schritte, also angefangen von der Beschaffung des Datenmaterials bis hin zur Visualisierung und Interpretation der Daten, wurden von den einzelnen Gruppen selbstständig übernommen.

"Ziel des Datenjournalismus-Projektes war es, auch herauszufinden, wie leicht oder schwer es ist, in Österreich an Daten heranzukommen", sagt Robert Varga. "Was sind möglicherweise die Stolpersteine, wo gibt es Probleme?" Bei der Beschaffung der Daten galt es auch, diese aktiv anzufragen und zu recherchieren, es wurde also nicht nur auf Open Data zurückgegriffen.

Sieben Projekte
Jedes der Studententeams (jeweils vier Personen) wählte ein anderes, grob vorgegebenes Themengebiet. Letztlich ergaben sich daraus die konkreten Projekte: Frauen in Führungspositionen, Rauchen, Waffengebrauch in den USA, Nationalratsprotokolle, Asyl, österreichische Spitäler und das Medientransparenzgesetz. Die Erkenntnisse und Visualisierungen wurden dann jeweils als eigene Blogs im Netz veröffentlicht.

Das Projekt Frauen in Führungspositionen ging der Frage nach, ob denn die Behauptung stimme, dass weibliche Führungskräfte den Firmen mehr Erfolg bringen, wie im vergangenen Jahr von einer Ernst&Young-Studie suggeriert worden war. Als Datenquellen wurden Jahresberichte der EU herangezogen sowie ein Experteninterview geführt. Die Gruppe mit dem Thema Rauchen stellte Vergleiche zwischen Raucheranteil und Lungenkrebsraten in unterschiedlichen Ländern an. Daten dafür lieferten etwa Berichte der WHO. Der Themenbereich Gesundheit wurde auch von einer zweiten Gruppe mit dem Projekt zu österreichischen Spitälern aufgegriffen. Datenmaterial, das dabei zum Einsatz kam, stammte etwa von der OECD, dem Bundesministerium für Gesundheit sowie von Statistik Austria. Es wurden Fragen aufgegriffen wie: Gibt es in Österreich zu viele Spitäler? Wie werden die Spitäler finanziert? Wie viel zahlt ein Bürger für das Spitalsbett, in dem er liegt? Visualisiert wurden die Ergebnisse hier etwa anhand von aufwendigen Karten.

Stimmt es denn, dass die USA wirklich jenes Land mit der größten Waffengewalt sind, damit beschäftigte sich das Projekt mit dem Titel "guns in the US" Untersucht wurden Zusammenhänge zwischen Waffenbesitz, Morden, Schusswaffenmorden und Einkommen in unterschiedlichen Ländern. Verschiedene Staaten wurden auch von der Gruppe mit dem Projekt Asyl miteinander verglichen. Die Idee dahinter war es laut den Studenten, zu veranschaulichen, welche EU-Mitgliedsstaaten die meisten Asylwerber aufnehmen, wo besonders viele Anträge eingebracht werden und - ganz allgemein - wie die Asylwerber in der EU verteilt sind. Auch diese Gruppe visualisierte ihre Ergebnisse in Form von interaktiven Karten.

Eine mitunter unterhaltsame Portion Innenpolitik liefert das Projekt "Unser Parlament in Zahlen", das für die Legislaturperiode 2008 bis 2012 erörterte: Wer waren die lustigsten, und wer die meistgerügten Parlamentarier? Was waren die meistdiskutierten Themen im Nationalrat? Welchen Berufen gingen die Abgeordneten neben ihrer Arbeit im Parlament nach? Die Studenten wühlten sich dafür durch riesige Mengen an offiziellen Parlamentsprotokollen der Plenarsitzungen. Nicht zuletzt befasste sich auch eine Gruppe mit dem neu eingeführten Medientransparenz-Gesetz. Es wurde verglichen, welche Medien im dritten Quartal 2012 eigentlich wie viel Geld erhalten hatten, welche Anteile auf Print und welche auf Online verteilt wurden. Datenmaterial dazu fand sich bei der Regulierungsbehörde RTR. Die Gruppe wies allerdings auch darauf hin, dass die Daten zum Teil recht undurchsichtig und schwer verwendbar seien.

Die Tools
Um aus den Rohdaten und Berichten am Ende anschauliche Ergebnisse zu machen und übersichtliche Visualisierungen zu basteln, die letztlich den Lesern präsentiert werden, bedarf es im Datenjournalismus spezieller technischer Tools. Jede der Studentengruppe griff bei den Projekten zumeist auf mehrere zurück. Häufig genannt und eingesetzt wurden Anwendungen wie info.gram, die IBM-Software Many Eyes, Tableau Public oder die Google-Software Fusion Tables. Die Programme sind durchwegs kostenlos nutzbar.

Herausforderung
Die Präsentationen zeigten letztlich zwei Dinge sehr deutlich: Dass Datenjournalismus ungemein spannende Ergebnisse liefern kann, dass diese Form des medialen Arbeitens allerdings auch sehr großen Zeitaufwand und bestimmte Fertigkeiten erfordert, die bislang nicht oder kaum zum Anforderungsprofil eines Journalisten zählten. Das bestätigt auch Robert Harm gegenüber der futurezone: "Die Auswertung der Datensätze erfordert neue Fertigkeiten von Journalisten. Die Notwendigkeit dafür ist meiner Ansicht nach bekannt." Es fehle jedoch oft an Ressourcen, um diese neue Fähigkeiten zu erlernen und nachhaltig in der eigenen Organisation einzusetzen. "Etwa in eigenen Datenjournalismus-Teams wie dies beim Guardian in Großbritannien praktiziert wird", so Harm.

Dass Datenjournalismus in Zukunft an Wichtigkeit gewinnen wird, davon ist der Open-Data-Experte überzeugt. "Wie man am Beispiel der Stadt Wien erkennen kann, beginnt die öffentliche Verwaltung seit vergangenem Jahr verstärkt damit, ihre Daten auch maschinenlesbar in Form von Open Data auf Portalen data.wien.gv.at zu veröffentlichen", sagt Harm. Dieser Trend werde sich weiter  fortsetzen. "Die Bedeutung des Datenjournalismus, welcher für eine Auswertung derartiger Daten unabdingbar ist, wird in Folge daher auch künftig stark ansteigen."

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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