Deezer: "Wir schnappen iTunes die Nutzer weg"
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Deezer ist seit einigen Monaten in
Österreich vertreten. Wie läuft das Geschäft?
Unsere Reichweite liegt derzeit bei etwa 50.000. Von der Kooperation mit T-Mobile erwarten wir uns ein starkes Wachstum.
In
Großbritannien hat
Deezer bereits eine Partnerschaft mit Orange, jetzt kooperiert man in
Österreich mit
T-Mobile. Ist das die Strategie, in jedem Land einen Mobilfunker als Partner zu gewinnen?
Unsere Strategie ist zweifältig: Auf der einen Seite machen wir mit Facebook einen globalen Rollout. Wir sind einer der zehn wichtigsten Timeline-Apps von Facebook, wenn man die Aktivität der Nutzer als Maßstab nimmt. Wir sind mit Facebook in 200 Ländern vertreten, und in 90 davon sind wir der einzige Musik-Streaming-Anbieter, etwa in der Türkei oder in Indonesien. Und auf der anderen Seite suchen wir Mobilfunker als lokale Partner - in 20 Ländern haben wir bereits Kooperationen unterzeichnet. Mit Facebook erschließen wir neue Märkte, mit den Mobilfunkern erobern wir sie.
Die Deezer-Nutzung setzt also immer die Mitgliedschaft bei einer anderen Firma voraus, entweder bei
Facebook oder bei einem Handy-Betreiber. Warum das?
Das ist natürlich eine zweischneidige Entscheidung. Wir glauben, dass Deezer besser ist, wenn man es mit Facebook verknüpft. Natürlich erreichen wir so jene Leute nicht, die kein Facebook-Konto haben. In der Praxis sind die Nutzer, die Deezer verwenden wollen, aber ohnehin schon Mitglied. In Frankreich ist Facebook aber nicht notwendig, wir entscheiden das Land für Land.
Hier in
Österreich finden es jedenfalls viele Leute diskriminierend, für die Nutzung von
Deezer oder
Spotify einen Facebook-Account haben zu müssen. Was sagen Sie denen?
Werdet T-Mobile-Kunde. Nein im Ernst, das ist ein Kompromiss, den wir in der Anfangsphase machen müssen. Vielleicht wird Facebook eines Tages nicht mehr verpflichtend sein, aber das wird nicht 2012 passieren.
Sie könnten ja auch den Login per
Twitter oder Google+-Account erlauben.
Wir haben zwar keinen Vertrag unterschrieben, aber wir sehen uns als Partner von Facebook. Wir glauben, dass wir das Spiel so spielen müssen.
Google+ oder Twitter haben wir nicht auf dem Plan.
© Jakob Steinschaden
Themenwechsel: Ihr Konkurrenz
Spotify scheint als Marktführer bei seinem Angebot ein, zwei Schritte voraus zu sein, etwa bei der Integration von Apps.
Also erstens glaube ich, dass
Spotify technisch hinten nach ist. Sie haben sich für Software-Clients entschieden, was der Innovation entgegensteht. Alles ist in Apps gepackt. Wenn sie neue Funktionen einführen wollen, müssen die Nutzer ihre Software updaten, und das können sie deswegen nicht so oft machen.
Spotify kann nicht so schnell Innovationen einführen. Deezer hingegen ist Browser-basiert, alles liegt auf unseren Servern. Wir können jeden Tag Fehler ausmerzen, neue Funktionen einführen. Wenn man in die Zukunft, auf HTML5 schaut, dann ist klar: Diese Technologie ist von überall zugänglich und sehr schnell erweiterbar. Die Peer-to-Peer-Technik, auf die
Spotify setzt, will morgen keiner mehr. Ein Beispiel: Bei
Spotify arbeiten einige Hundert Techniker für 13 Länder, wir brauchen nur 30 Programmierer für 200 Länder.
Spotify ist wie Apple, die glauben, dass sie die besten Produkte machen, aber wir sind auf der Seite von Facebook.
Marktführer ist
Deezer aber trotzdem nicht.
Von den Nutzerzahlen her ist
Spotify noch größer, aber ich glaube sowieso nicht, dass wir Konkurrenten sind. 90 Prozent unserer Nutzer kommen nicht von
Spotify, wir schnappen
iTunes und Online-Piraterie die Nutzer weg.
Sie sind also ein Apple-Rivale?
Ja, definitiv.
Das bedeutet ja, dass
Musik-Streaming das Digital-Geschäft der Musik-Branche kannibalisiert.
Nein, das stimmt nicht. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: In Frankreich sind die CD-Verkäufe innerhalb von acht Jahren um 60 Prozent gesunken. Zu dem Zeitpunkt, als Deezer startete (2007, Anm.) sind die CD-Verkäufe aber bereits um 50 Prozent gesunken. Klar ist eines: Wer Deezer nutzt, der kauft keine CDs mehr. Aber früher hat der durchschnittliche Haushalt zwei CDs pro Jahr gekauft, in einigen wenigen Ländern wurden immerhin 50, 60 Euro für Musik pro Kopf ausgegeben. Als Deezer-Abonnent zahlt man 120 Euro pro Jahr. Das ist definitiv eine Revitalisierung des Marktes.
Streaming wird also die Musik-Branche retten?
Im Jahr 2000 war der weltweite Musikmarkt 26 Mrd. Dollar schwer, heute ist er 15 Mrd. Dollar groß. Mein Schätzung: Der globale Musikmarkt wird wieder auf 26 Mrd. Dollar klettern, aber ganz anders verteilt sein.
Das beklagen ja die Musiker - viele sehen keine relevanten Einnahmen bei
Streaming.
Denen sei gesagt: Deezer ist in Frankreich innerhalb eines Jahres beim Umsatz so groß geworden wie
iTunes. Das bedeutet, dass neues Geld in den Markt fließt. Generell aber zahlen wir die Labels und nicht die Künstler, und es fehlt an Verständnis für diese Mechanismen. Aber das will ich nicht kommentieren.
Ok. Jedenfalls haben sich internationale Größen wie
Metallica, AC/DC,
Led Zeppelin, die
Beatles oder
Tom Waits teilweise oder vollständig dagegen entschieden (eine Liste gibt es hier, Anm.), ihre Werke bei
Streaming-Diensten anzubieten. Kommentieren Sie das?
Die werden kommen, das ist nur eine Frage der Zeit. Das ist keine philosophische Frage, sondern eine Frage der Verhandlungen.
Einige Produzenten, auch in
Österreich, beklagen, dass die Qualität der Musik unter
Streaming-Diensten leidet - Stichwort “Musik-Buffet”.
Das ist lediglich eine Geldfrage. Wenn wieder mehr Kapital in den Markt fließt, dann wird wieder mehr in die Produktion gesteckt.
Abschlussfrage: Wird es durch den immer personalisierteren Musik-Konsum eigentlich noch so große Stars geben wie in den 60ern, 70ern, 80ern oder 90ern, die auch von Massenmedien aufgebaut wurden?
Es wird weiterhin große Stars geben, aber es ist ein Problem. Wenn man heute jemanden auf der Straße nach den größten Bands aller Zeiten fragt, wird er neben Lady Gaga ziemlich sicher die alten Stars aufzählen. Im Internet wird alles mehr und mehr auf Basis der eigenen Vorlieben angepasst, vielen fehlt der Blick aufs große Ganze, man bewegt sich nur mehr im eigenen Ghetto. Wir müssen Funktionen einführen, die erlauben, Rockmusik zu durchsuchen und nicht bloß jene Rockmusik, die die Freunde mögen, die eigentlich Electro hören. Der Presse kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Deezer selbst etwa hat für jedes Land zwölf verschiedene Musikkategorien eingeführt, die das Wichtigste darin präsentiert und die es uns erlauben, auf kulturelle Bedürfnisse eingehen zu können.
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