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Vortrag

Die Suchmaschine des 17. Jahrhunderts

Nicht nur Immobilien, Wertgegenstände und Dienstleistungen standen hier zum Tausch und Verkauf, auch Arbeitssuchende wie etwa Dienstboten fanden sich in den sogenannten Adressbüros des 17. Jahrhunderts ein: In der zunehmenden Anonymisierung der bevölkerungsreichen Großstädte fungierten sie als Informationsschnittstellen. Anton Tantner, Historiker an der Universität Wien, beschreibt die Adressbüros im Gespräch mit der APA als „Suchmaschinen des 17. Jahrhunderts“. Seine Forschungsergebnisse wird Tantner heute, Montag, Abend bei einem Vortrag im in Wien beheimateten Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften der Kunstuniversität Linz präsentieren.

Handschriftliche Register
Das Konzept war simpel: Ein Adressbüro führte sowohl über Anbieter als auch Suchende handschriftliche Register - ergänzten sich zwei Anfragen, wurden die Auftraggeber zusammengeführt. Viel hat es daher nicht gebraucht, um eine dieser Vermittlungszentralen zu eröffnen: Ein Gassenlokal, die Bewilligung der Obrigkeit und zahlungsfreudiges Publikum. Denn meist wurden die Registerauszüge nur gegen eine kleine Gebühr ausgehändigt.

„In der Basisfunktion ging es um Verkäufe, Arbeits-, Immobilien und Kapitalvermittlung“, so Tantner, der sich seit einigen Jahren mit der Geschichte der Adressbüros beschäftigt. „Die Büros nutzten dabei die selben Instrumente wie etwa Google heute. Damit kann man Adressbüros als Vorläufer der heutigen Suchmaschinen einordnen.“ Denn Ziel sei die Erschließung von Netzwerken und Informationen gewesen. Somit lasse sich einer der Ursprünge der heutigen Wissensgesellschaft bereits in der frühen Neuzeit verorten.

Erstes Adressbüro in Paris
Das erste "Bureau d’adresse" eröffnete 1630 in Paris. Hier habe auch der sozialpolitische und karitative Aspekt im Vordergrund gestanden, erklärte der Historiker. Frisch angekommene Landbevölkerung – arm nicht nur im materiellen, sondern auch im Sinne von fehlenden Netzwerken – sollte Arbeit vermittelt bekommen. Angeboten wurden zusätzlich häufig auch kostenlose Krankenbetreuung oder Vorträge, so Tantner. "Zu Beginn waren Adressbüros noch häufig mit Utopien aller Art verknüpft, etwa jener der universalen Wissensvermittlung."

Den Ursprung dieser Vermittlungsstellen des Suchens und Findens führt der Historiker auf die zunehmende Anonymisierung der Großstadt zurück, deren Bevölkerung stetig gewachsen sei. "Dorfähnliche Strukturen lösten sich zunehmend auf, in den großen Mietshäusern der Städte kannte man sich kaum. Persönliche Netzwerke funktionierten nicht mehr", meint der Historiker. Die freiwillige Registrierung mit Namen und Wohnort erregte jedoch auch das Interesse der Behörden. Immer wieder wurde versucht, die Register zur Kontrolle der Bürger zu nutzen – meist jedoch vergeblich, da bei weitem nicht alle Neuankömmlinge ihre Daten angaben.

Vom Dromedar bis zur Tapete
Auch in anderen Großstädten verbreitete sich die Idee des Adressbüros: 1707 öffnete das „Frag- und Kundschaftsamt“ in Wien seine Türen, das bis ins 19. Jahrhundert existierte. Bekanntheit habe es vor allem mit der Herausgabe des sogenannten „Kundschaftblatts“ erlangt, wo aktuelle Anfragen zusammengefasst abgedruckt wurden, erklärte Tantner. Dabei habe man auch mit dem „Wienerischen Diarium“ kooperiert, das 1780 zur „Wiener Zeitung“ wurde.

Zwar hätten die Adressbüros nicht den Abdeckungsgrad der heutigen Suchmaschinen wie etwa Google erreicht, jedoch erregte die Institutionalisierung der persönlichen Bekanntschaft einiges an Aufsehen. Zu tauschen und verkaufen habe es rasch vom Dromedar bis zur Tapete alles gegeben. „Eines der Büros warb damit, vom höchsten Fürsten bis zum niedrigsten Rüpel alle Kunden zu bedienen“, so Tantner.

Anton Tantners Vortrag "Suchen und Finden im analogen Zeitalter. Adressbüros im Europa der Frühen Neuzeit“ wird am Montag, 7. Jänner, um 18:00 Uhr im Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz stattfinden. Nähere Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier.

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