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Trend

Elektro-Gärtnern mit iPhone, WLAN und Sensoren

“Wir geben Pflanzen eine Stimme.” Wenn David Kurmann von der Firma Koubachi aus Zürich über den “Wi-Fi Plant Sensor” spricht, dann ist das nicht nur Marketing-Gerede. Denn der eiförmige Pflanzen-Sensor lässt Basilikum-Stockerl, Orchidee oder Gummibaum tatsächlich mit seinem Besitzer kommunizieren. “Benötigt momentan kein Wasser”, “Möchte morgen besprüht werden” oder “Benötigt in einer Woche Dünger”: Via Heim-WLAN schickt der Sensor Messdaten (Bodenfeuchtigkeit, Lichtintensität und Temperatur) an die Server von Koubachi. Dort werden die Daten auf Basis der Nutzerangaben (Art der Pflanze) in einfache Pflegetipps übersetzt, die man per iPhone-App aufs Smartphone-Display geliefert bekommt.

Sensoren & Smartphone
Zum Laufen ist der Pflanzensensor schnell gebracht, wie ein futurezone-Test zeigte - einzig der Kaufpreis von etwa 130 Euro ist abschreckend. “Das klingt teuer, aber der Sensor kann für mehrere Pflanzen verwendet werden”, sagt Kurman. Denn die Software lernt die Pflanze innerhalb von zwei Wochen kennen, berechnet dann auf Basis der Erfahrungswerte und der Jahreszeit die notwendigen Wasser- und Düngemittelmengen. Den Sensor kann man dann in den nächsten Blumentopf stecken. Mehrere Hundert Bestellungen sind bei Koubachi seit dem Start vor einigen Wochen eingegangen; die Geräte, die in Malaysia hergestellt werden, sollen mit steigender Nachfrage billiger werden.

Urban Framing im Trend
Mit dieser steigenden Nachfrage wird bereits fix gerechnet. “Pflanzen werden heute als Lebenspartner und Design-Elemente in der Wohnung gesehen”, sagt Kurmann, gleichzeitig würde das Interesse am Ziehen seiner eigenen Kräuter und Gemüsesorten zu Hause wachsen. Koubachi und andere Unternehmen peppen den Trend “Urban Farming” (Gärtnern in der Stadt), der vor einigen Jahren aus New York und Kuba nach Europa schwappte, um Hightech auf.

Smartphones, Sensoren und WLAN-Internet bilden die Grundlage für neue “grüne” Spielereien, die zahlungswillige Städter als Kundschaft sucht. Was auf Gartenbesitzer möglicherweise wie eine vorübergehende Laune der hippen Digital-Bohème wirkt, hat aber einen weltwirtschaftlichen Hintergrund: Seit 2008 leben weltweit mehr Menschen in Städten als am Land, und vielen von ihnen ist gesunde Ernährung und Umweltbewusstsein wichtig.

Darauf setzt etwa die New Yorkerin Britta Riley mit ihren Windowfarms (“Fenstergärten”) - ein neuartiges und platzsparendes Bewässerungs- und Topf-System, das man sich einfach hinters Fenster hängen und dort von Kresse über Erdbeeren bis Erbsen viele Kräuter und Früchte ziehen kann. Ideengeber war unter anderem die US-Weltraumorganisation NASA, die seit langem mit dem Lebensmittelanbau in Innenräumen experimentiert.

Riley zufolge gibt es global drei Milliarden Menschen, denen lediglich Wohnungsfenster zur Pflanzenzucht zur Verfügung stehen. Das Zusatzversprechen: Mit dem Eigenanbau könne man zur CO2-Reduktion beitragen, da die industrielle Lebensmittelproduktion ein großer Energieverschwender sei, so Riley. “Für jede Kalorie Nahrung werden sieben bis zehn Kalorien fossiler Brennstoffe verbraucht”, rechnet sie vor. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass die Windowfarms für ihr Pumpensystem ebenfalls Strom brauchen - der Anwender bezieht im Idealfall seine Energie aus Öko-Quellen. Derzeit nur in den USA erhältlich, sollen die Windowfarms ab Herbst auch in Europa ausgeliefert werden - zu einem Preis von etwa 95 Euro.

Für Selbermacher und Bastelfaule
Auslöser des Trends zum Pflanzen-Hightech ist wohl die Firma Botanicalls. Sie sorgte mit ihrem “Botanicalls Kit”, mit dessen Hilfe Zimmerpflanzen bei ihren Besitzern “anrufen” (ein automatisierter VoIP-Call) oder twittern können, um nach der Gießkanne zu verlangen. Dass man den Sensor allerdings nicht fertig, sondern als Bausatz (gegen etwa 80 Euro) geliefert bekommt, dürfte wohl nur eine kleine Bastler-Gemeinde mit Löt- und Programmier-Kenntnissen ansprechen.

Dieses Manko ist wohl der estnischen Firma Click & Grow bewusst geworden. Denn seit kurzem verkauft sie um etwa 60 Euro elektronische Blumentöpfe, die vom Samen bis zur Wasserpumpe alles Notwendige beinhalten. Der Käufer muss nur mehr zwei Batterien einlegen, einen Liter Wasser einfüllen und die weiße Box an ein sonniges Plätzchen stellen - und ein bis zwei Wochen später soll man ohne weiteres Zutun Basilikum, Mini-Tomaten, Chilis oder Thymian ernten können.

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Jakob Steinschaden

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