Schadstoff-Tests

EU will Weg zum sauberen Auto ebnen

Was die meisten Autos in die Luft blasen, will man lieber nicht einatmen. Stickoxide etwa können üble Folgen haben bis hin zum Lungenkrebs. Deswegen gibt es EU-Vorgaben für den Schadstoff-Ausstoß. Doch die Tests gelten als wenig realitätsnah und sollen nun reformiert werden. Fragen und Antworten:

Worin liegt das Kernproblem der heutigen Abgastests?

Kritiker halten sie für zu zahm. Im Labor gemessene Schadstoffwerte sind in der Regel deutlich niedriger als beim „echten“ Fahren auf der Straße. Hersteller können die Werte ganz legal drücken, etwa durch spezielle Reifen. Nach einer Studie der Forschungsorganisation ICCT, die auch den VW-Skandal ins Rollen brachte, ist der tatsächliche Spritverbrauch vieler Autos um ein Drittel höher als im Labor - damit klettert vor allem auch der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid (CO2). Die gesundheitsschädlichen Stickoxide (NOx), um die es im Fall VW geht, liegen demnach oft ebenfalls höher als im Realbetrieb.

Was soll sich ändern?

Die Tests sollen realistischer werden. Beim sogenannten RDE-Verfahren („Real Driving Emissions“) wird das Testauto auf der Straße gefahren und nach dem Zufallsprinzip beschleunigt oder abgebremst. Spezielle Messgeräte registrieren dabei den Ausstoß etwa von Stickoxid oder Feinstaub. Dieser Test gilt als weniger manipulierbar als Labortests. Allerdings ist es noch nicht so weit: RDE soll zwar ab Januar 2016 zum Einsatz kommen, jedoch vorerst nur zu Informationszwecken.

Was ist noch zu regeln?

Eine ganze Reihe von Details ist noch zu klären. Zum Beispiel, wann die neuen Tests relevant werden. Laut Vorschlag der EU-Kommission sollen die Testergebnisse ab Herbst 2017 für die Genehmigung neuer Autotypen eine Rolle spielen, ein Jahr später müssten Neufahrzeuge die für RDE-Tests festgelegten Werte einhalten.
Es muss aber auch noch festgelegt werden, wie stark die RDE-Werte von den erlaubten Stickoxid-Grenzwerten - für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gilt eine EU-Obergrenze von 80 Milligramm pro Kilometer - abweichen dürfen.

Die Abweichungen sollen Unsicherheiten bei der Straßenmessung Rechnung tragen. Mit der Zeit soll aber immer weniger Diskrepanz erlaubt sein - die Autobauer müssen sich also immer mehr anstrengen. Die EU-Kommission will zweijährige Übergangsfristen mit Abweichungen von 60 Prozent erlauben, danach wäre nur noch ein vergleichsweise kleiner Unterschied erlaubt.

Wann wird darüber entschieden?

Möglicherweise an diesem Mittwoch. Unklar ist aber, ob im zuständigen Ausschuss mit Experten aus den EU-Staaten die nötige Mehrheit zustande kommt. Falls nicht, wandert die Entscheidung von der technischen auf die politische Ebene. Dann wären die EU-Staaten am Zug, die innerhalb von zwei Monaten entscheiden müssten. Wenn die Experten am Mittwoch grünes Licht geben, ist der Beschluss im Prinzip gefallen, die EU-Staaten und das Europaparlament haben aber noch Prüfrechte. Die Entscheidung könnte aber auch vertagt werden.

Was hält die Autoindustrie davon?

Der europäische Branchenverband Acea betont, man unterstütze das neue Verfahren. Die Branche dringe aber auf schnelle Entscheidungen, sagt eine Sprecherin. Sie brauche schnellstmöglich Klarheit über die Details, um Verfahren und Fahrzeuge rechtzeitig anpassen zu können. Der deutsche Verbandschef Matthias Wissmann kritisierte VW wegen des Abgas-Skandals - nahm die Dieseltechnik insgesamt aber in Schutz. VW hatte mit einer Software Abgastests bei Dieselautos manipuliert.

Und die Umweltverbände?

Julia Poliscanova von der Umweltorganisation Transport and Environment wirft der Industrie vor, das Verfahren abmildern zu wollen: „Sie versuchen, den Test durch zusätzliche Diskussionen zu technischen Details hinter verschlossenen Türen zu schwächen.“ Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) moniert: „Das geltende Verfahren zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs, der CO2- sowie der Schadstoffemissionen ist völlig diskreditiert.“

Was sagen deutsche Fachbehörden dazu?

Das Kraftfahrtbundesamt hält sich derzeit bedeckt, Kritiker wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sehen die Behörde zu eng mit der Industrie verbandelt. Deutlicher wurde die Chefin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger: „In Deutschland lagen 2014 immerhin 62 Prozent der städtischen verkehrsnahen Messstellen über dem EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid. Emissionen aus Diesel-Pkw haben daran einen erheblichen Anteil.“ Sie sprach sich ebenfalls für die RDE-Tests aus. Peter Mock vom ICCT schlägt vor, dass die Behörden künftig selbst verbindlich testen sollen - und das „unter realen Fahrbedingungen“.

Hat das auch etwas mit dem CO2-Ausstoß im Straßenverkehr zu tun?

Direkt nicht, denn beim Treibhausgas CO2 geht es vor allem um Schäden für das Weltklima, nicht um Gesundheitsgefahren. Aber auch hier will die EU den Ausstoß präziser messen, das ist schon beschlossen. Sie will dabei aber beim Laborverfahren bleiben. Der sogenannte WLTP-Test könnte ab September 2017 für neue Typzulassungen und ein Jahr später für Neufahrzeuge gelten, heißt es bei der Kommission. Für CO2 gibt es ebenfalls Grenzwerte - jedoch nicht je Fahrzeug, sondern als Durchschnittsvorgaben je Hersteller. So dürfen alle Neuwagen ab 2021 im Flottenschnitt nur noch höchstens 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen.

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