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Google-News-Chef: “Medien müssen umdenken”

“Es gab noch nie in der Geschichte so viele Innovationen im Journalismus wie heute”, sagte Gingras vor europäischen Zeitungsmachern im Rahmen des European Newspaper Congress in Wien. Als Grund dafür sieht er die zahlreichen technischen Innovationen im Internet und neue Endgeräte, wie Smartphones und Tablets. “Vor 300 Jahren gab es diese Geräte noch nicht, Medien waren darum nur ein sehr kleiner Teil des täglichen Lebens der Menschen”. Heute habe sich die Situation geändert: “Wir haben alle eine kleine Druckerpresse eingesteckt. Medien dominieren unser Leben.“

"Tiefe und symbiotische Beziehung"

Dazu trage auch die schiere Masse an Informationen bei, die das Netz biete. Die Herausforderung, der sich Google stelle, sei es, diese Informationen zu organisieren. Dazu sei eine “tiefe und symbiotische“ Beziehung mit den Verlagen notwendig, meinte Gingras. “Wenn es kein reichhaltiges Ökosystem an Informationsquellen gebe, bräuchte man auch Google nicht.“

Den Zeitungsmachern rät Gingras, die neuen Möglichkeiten, die diese Entwicklung bietet, auch zu nutzen. “Es werden mehr Nachrichten konsumiert, als jemals zuvor." Google helfe einerseits den Nutzern, die richtigen Infos zu finden, und andererseits helfe es den Herausgebern sie an ein neues Publikum zu bringen. “Klicks bringen Umsatz und Google gibt den Medien die Möglichkeit, zu wachsen”, so der Google-News-Chef.

Besucher kommen durch die Hintertür

Um online wachsen zu können, müssten Medien ihre Struktur überdenken und neu bewerten, wie sie ihr Online-Angebot aufbauen. Dabei sollten sie den Fokus auf Inhalte und speziell auf Artikelseiten anstatt auf die Startseite legen. “Die Homepage ist die Eingangstür einer Webseite, aber die Besucher kommen nicht mehr über den Eingang, sondern durch die Hintertür, die Terrasse oder vielleicht das Badezimmerfenster”, so Gingras. Grund dafür sind nicht zuletzt auch die Online-Netzwerke wie Twitter oder Facebook, wo entsprechende Links geteilt werden.

Auch die Länge von Artikeln solle laut Gingras überdacht werden. “Ich frage mich, braucht es wirklich Artikel mit 3000 Wörtern, wenn ich Statistiken habe, dass Seitenbesucher nach 25 Prozent des Textes sowieso zu Lesen aufhören?” Auch rät er den Online-Medien, sich zu spezialisieren. Anstatt ein Nachrichtenangebot zu schaffen, das alles bietet, solle man das Angebot aufteilen, um so mehr Übersicht zu erreichen.

Paid Content

Angesprochen auf Paid Content, also bezahlte Nachrichteninhalte in Online-Medien, reagiert Gingras vorsichtig. “Manche Medien schaffen es, ihre qualitativ hochwertigen Inhalte zu verkaufen, das gelingt aber nicht allen.” Eine allumfassende Antwort auf die Frage, inwieweit bezahlte Inhalte in Zukunft im Internet eine Rollen spielen werden, will er dabei nicht geben. “Das ist eine Frage, die Zeit braucht, um sie zu beantworten, es gibt darauf keine spezifische Antwort”, so Gingras.

Auch bei derFrage, was etablierte Medien tun können, um weiterhin eine Rolle zu spielen, bleibt Gingress vage: “Ich würde mich Fragen, was sind meine Schlüsselwerte?" Medien müssten umdenken. Derzeit sei die Medienbranche mit schwerwiegenden Veränderungen konfrontiert, konstatiert Gingras. “Änderungen wird es geben, für manche Medien werden sie schmerzhaft sein, aber sie werden kommen.“ Laut Gingras müssen sich die Medien klar werden, dass Ihre Leistungen nicht das gedruckte Papier, sondern die Nachricht an sich ist. "Die Zeitung ist nur der Container", so Gingras.

Neuer Ansatz

"Es braucht neue Ansätze", führt Gingras im Gespräch mit der futurezone genauer aus. Die Medienwelt müsse neuartige Wege beschreiten, um weiter bestehen zu können. Als Beispiel nennt Gingras etwa die sehr erfolgreiche Rezepte-App der New York Times. "Anders wären diese wertvollen Inhalte in irgendwelchen Redaktionsarchiven verstaubt. Durch das Internet und die neuen Möglichkeiten, kann man sie auch neu präsentieren und monetarisieren". Gingras selbst zeigt sich abschließend optimistisch für die Medienlandschaft: "Das offene Internet ist eine Herausforderung, aber sie ist bewältigbar."

Nutzer können auswählen, von welchen Nachrichtenquellen sie diese Empfehlungen angezeigt bekommen wollen. Angezeigt werden die Redaktionsempfehlungen in einem eigenen Bereich auf der Startseite von Google News. Zum Start sind in Österreich 14 verschiedene Medien mit an Bord, darunter auch das Online-Angebot des KURIER.

"Es ist der einzige Platz, an dem Median auf Google News ihre Marke bewerben können", so Google-News-Chef Richard Gingras im Gespräch mit der futurezone. Bislang hatten Verlage und Redaktionen keinen Einfluss darauf, wie ihre Artikel bei Google News gewichtet werden. Nun können sie etwa exklusive Geschichten kennzeichnen und auch neue Formate bewerben. “Wir arbeiten intensiv mit unseren österreichischen Partnern zusammen, um ihnen zusätzliche Möglichkeiten zu bieten, die Aufmerksamkeit der Nutzer zu gewinnen“, sagt Google-Manager Gerrit Rabenstein. “Die Redaktionen können dabei Reportagen, Fotostrecken aber auch neue, experimentelle Formate hervorheben.“

"Uns ist es wichtig, dass die Leute Zugang haben zu unseren hochqualitativen News und Informationen, egal von wo sie wollen, wie sie wollen und wann sie wollen. Wir freuen uns in Österreich eine der ersten zu sein die mit Google zusammenarbeiten und sorgfältig ausgewählte redaktionelle Highlights von KURIER den Google News AT Lesern bieten zu können", so George Nimeh, KURIER Chief Digital Officer.

Konflikt

Google News ist neben der traditionellen Websuche eine Möglichkeit, das Web gezielt nach Nachrichten zu bestimmten Suchbegriffen zu durchforsten. Der Dienst wurde bereits 2002 gegründet und wird mittlerweile in über 75 verschiedenen Editionen in über 45 Sprachen angeboten.

Googles Nachrichtenportal ist seit Jahren auch Streitpunkt zwischen dem Suchmaschinenkonzern und Verlagen. Kritisiert wird, dass Google Textausschnitte ohne Genehmigung verwendet. Google weigert sich für Ausschnitte aus Nachrichten zu bezahlen und argumentiert damit, dass Google News den Online-Nachrichtenportalen Besucher und damit auch Werbeeinnahmen bringe. Der Streit führte in Deutschland dazu, dass Online-Nachrichtenangebote nur noch auf dezidierten Wunsch auf Google News aufscheinen.

Gingras zufolge generiert Google News insgesamt wöchentlich zehn Milliarden Klicks zu Nachrichtenseiten. "Wir sind ein geht-weg-Webseite", so Gingras. "Wir wollen Nutzer dazu bringen, direkt die Nachrichtenseiten zu besuchen.

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Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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