Hacker erobern den Weltraum
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Der Applaus im Vortragssaal Kourou ist groß, als unter dem Motto “Hackers in Space” verkündet wird: "In 23 Jahre setzten `wir` einen Hacker auf den Mond. Mit “wir” ist die lose organisierte Gruppe von über dreitausend Technikenthusiasten gemeint, die sich am alten Flugfeld Finowfurt auf Einladung des Chaos Computer Club zum Chaos Communication Camp 2011 versammelt hat. Nicht umsonst heißt der Vortragssaal Kourou nach der Startrampe der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Die ganze Hackergemeinde hat sich mit dem Raumfahrtfieber angesteckt. Dabei ist allen klar, dass es sich bei der Ankündigung einer bemannten Mondmission wohl eher um eine Motivationsrede als um einen konkreten Plan handelt. Deshalb hat man sich für die fünf Tage dauernde Konferenz am Campingplatz auch realistische Ziele gesteckt.
Geht nicht gibt`s nicht
Selbst dem skeptischen Besucher wird schnell klar: diese Leute akzeptieren “geht nicht”, oder “zu kompliziert” nicht als Antwort. Sie stecken die Köpfe zusammen und streichen das Wort unmöglich aus dem kollektiven Vokabular. Innerhalb der nächsten Tage wird es ihnen dann auch tatsächlich gelingen Raketen zu bauen und zu starten, ein
Open Source Forschungssatelliten Programm auf den Weg zu bringen und ein Funksignal zum Mond und zurück zu schicken.
GLORIA
Rund ums Lagerfeuer sitzen Hacker und unterhalten sich. Im Hintergrund läuft keine Lagerfeuermusik, eine Gruppe Franzosen spielt auf ihren elektronischen Trommeln. Der Sound ist ähnlich experimentell wie die mathematischen und technischen Konzepte die von den ums Feuer sitzenden Hobbyforschern diskutiert werden. Die feuchten Stämme im Feuer und die Köpfe rauchen. Wie kann die Temperatur und Zusammensetzung der Erdatmosphäre, die Größe und Chemie von Aerosolen am effizientesten gemessen werden? “Effizienz ist wichtig.” sagt Sayandeep Khan, 22 Jahre, Deutsch-Inder aus Bremen. Er will einen Würfelsatelliten mit bloß zehn Zentimetern Seitenlänge bauen, der mit Messgeräten vollgepackt ein halbes Jahr lang die Erde umkreisen und Klimadaten sammeln soll. Khan hat eine Mission, die er GLORIA nennt. Er will einen Open-Source-Satelliten bauen und die Daten, die gesammelt werden allen zur Verfügung stellen. Warum er sich nicht auf die
NASA verlässt? Die habe ein ähnliches Projekt vor wenigen Jahre aus Kostengründen eingestellt, sagt Khan.
Open Source
Im Vordergrund steht für ihn allerdings eine andere Überlegung: “Es muss nicht alles für Profit sein. Das ist ein Open Source Projekt, anderes als die NASA wollen wir etwas mit dem Volk machen.” Mit Hackern zusammen zu arbeiten sei unbürokratisch, schneller und billiger als bei akademischen oder staatlichen Playern anzuklopfen, sagt Khan. “In der Konzeptphase kann jeder neue Ideen einbringen. Die Daten sind offen.” Wenn die GLORIA Mission erst einmal gestartet ist, sollen insgesamt sechs Satelliten Daten zur Erde schicken, die dann im Internet veröffentlicht werden.” Da gibt es auch keine Verschwörungstheorien, wie sie sich um die Apollo 11 Mission (die erste Mondlandung) ranken. Denn jeder, der ein Funkgerät für 100 Euro besitzt, wird GLORIA empfangen können.
Huckepack
Bis es jedoch so weit ist, wird die Erde wohl noch einige Umlaufbahnen um die Sonne drehen, denn die Herausforderungen sind groß. Groß aber nicht unmöglich. “Einen Satelliten zu bauen, ist nicht kompliziert. Es sind bloß viele Punkte zu beachten”. Der Satellit müsse extrem hohe und extrem niedrige Temperaturen aushalten, Strahlung abschirmen und sechs Monate mit einer Batterieladung auskommen. Für eine andere Energiequelle wie ein Sonnensegel ist im zehn mal zehn Zentimeter Design kein Platz. Form und Größe des GLORIA-Satelliten wurden gewählt um ihn für einen Huckepackflug zu optimieren. Denn Sachen in eine Umlaufbahn um die Erde zu schießen ist teuer. Glücklicherweise haben Raumfahrtunternehmen wie
Arianespace, bei denen man Pakete Richtung Orbit für teures Geld buchen kann, das gleiche Problem, dass wir vom Kofferpacken kennen. Zwischen großen Paketen bleibt ein wenig Platz. Die Betreiber von Amateursatelliten wie GLORIA bauen ihre Satelliten so, dass sie in diese Zwischenräume passen. Der Huckepackflug wird so um vieles billiger.
Was Ingenieure fühlen...
“Noch ist alles Mathematik”, sagt Khan der von einer Kollegin auf das Hackercamp aufmerksam geworden ist. Hier hat er Ingenieure getroffen, die ihn auf Schwächen in seinem Konzept aufmerksam machen. “Ich bin Wissenschaftler,” sagt er. “Was Ingenieure fühlen, wenn sie meine Konzepte ansehen, habe ich hier das erste Mal beobachtet. Es gibt viele technische Fehler in meinen Projekten”.
Feuerprobe im Wetterballon
Aus diesem Grund unterziehen die versammelten Weltraumhacker Khans Konzepte einer Feuerprobe. Sie packen einige, der von Khan vorgeschlagenen Sensoren in einen Wetterballon der, wenn schon nicht in den
Weltraum, immerhin 30 Kilometer hoch fliegen kann, bevor der Ballon platzt und das Messgerät wieder zur Erde segelt. Zwei große Latexballons werden mit Wasserstoff gefüllt, Windrichtung- und Geschwindigkeit mit ernster Mine verfolgt. Als der Ballon schließlich abhebt geht Jubel durch die Menge. Die beteiligten Techniker fallen einander in die Arme als der Ballon beginnt Funksignale zu übermitteln. Drei Kilometer hoch steigt er in den ersten zehn Minuten. Nur Khan bleibt ruhig. “Ich habe da keine Gefühle,” gibt er sich abgeklärt: “Ich warte auf die Daten." Er weiß wovon er redet, denn bisher hat er drei Ballon- oder Raketenmissionen zur Stratosphäre gestartet und nur einmal gute Datensätze ernten können.
Auch diesmal dürften die Daten ausbleiben. Über der polnischen Grenze übermittelt der fallende Ballon das letzte Mal ein Signal, dann geht er verloren, ist wohl irgendwo im Wald abgestürzt. Ob die Amateurfunker, die mit ihren GPS gesteuerten Quadrocopter-Drohnen auf die Suche gegangen sind wohl noch Erfolg haben werden? “Und wenn schon, sagt Sayandeep Khan, “Es ist wichtig dass sich so viele Leute dafür interessiert haben.”
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