© uBook

Bildung

Ideale Universität existiert nicht

Zumindest von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP), dem Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, Anton Zeilinger, und dem Präsidenten der Uni Hamburg, Dieter Lenzen, wird das angloamerikanische Uni-Modell nicht dem kontinentaleuropäischen vorgezogen.

Humboldtsche Universität
Töchterle sah in der Humboldtschen Universität das heute weltweit gültige Universitätsmodell. Studierende und Lehrende würden gemeinsam agieren, das forschende Lehren durch Bildung und Wissenschaft sei aktueller denn je. Beispiel seien etwa die immer stärker wachsenden Doktoratkollegs: „Moderne Forschung lebt durch die Dissertanten." Auch der Zwang zur Präsentation der Ergebnisse gehe auf dieses Modell zurück. Gleichwohl müsse man sagen, dass die Humboldtsche Universität ihr Ideal nie erreicht habe. Wahrscheinlich könne dies gar nicht erreicht werden - aber je näher man ihm komme, desto erfolgreicher sei man.

Lenzen hält das Humboldtsche Modell dagegen nicht für weltweit realisiert: Die US-Spitzenunis seien alle vor 1810 gegründet worden und hätten ihr Modell seither nicht adaptiert. lm Wettstreit der Systeme habe die Einführung des Bologna-Systems dazu geführt, dass das atlantische Modell gewonnen habe.

Berufsausbildung an Universitäten
Gleichzeitig wies Lenzen darauf hin, dass die USA mehr als 4.800 „Universities" aufwiesen. „Die weit überwiegende Mehrheit hat aber nichts mit Harvard, Stanford etc. zu tun." Da die USA keine Berufsausbildungseinrichtungen hätten, würde eben auch die Berufsausbildung an den Unis stattfinden. In Österreich, Deutschland und der Schweiz gebe es dagegen ein gut ausgebautes duales System bei der Lehre. Lenzens Ansicht nach brauche es viel mehr differenzierte Hochschul-Typen wie Fachhochschulen oder Berufsakademien. „Meine Sorge ist, dass am Ende alles University heißt und wir das klassische Modell aber nicht wiederfinden."

Breite Sitze statt einzelner Top-Unis
Zeilinger brach eine Lanze für die kontinentaleuropäischen Universitäten. Natürlich sei das US-Modell für eine Handvoll Spitzenunis und jene, die dort arbeiten, schön. „Aber für die anderen hat das negative Folgen." Wenn er Vorträge an einer durchschnittlichen europäischen Unis halte, sei das Publikum dort besser als an einer durchschnittlichen amerikanischen. „Die Chance, dass ein Student einen Spitzenwissenschafter trifft, ist daher an einer europäischen Uni größer als in den USA."

Auch Töchterle warnte vor einer Verengung auf wenige Top-Unis. Taiwan mit seinen rund 23 Mio. Einwohnern weise 170 Universitäten auf, von denen aber höchstens fünf tatsächlich die Qualität einer Uni hätten. „Die sind so begehrt, dass Eltern ihre Kinder in eine unglaubliche Tretmühle hetzen." Diese Entwicklung wolle er in Österreich nicht. „Ich möchte eine breite Spitze, und wir haben auch mehrere sehr gute Unis." Er glaube auch nicht, dass für die Qualität nur Geld entscheidend sei: Es gebe eine Fülle an Fächern, wo man auch mit weniger Finanzmitteln erfolgreich sein könne - das seien nicht nur die Philologie und geisteswissenschaftliche Gegenstände, sondern auch etwa die Wirtschaftswissenschaften. Eine breite Spitze sei durchaus möglich, etwa durch die Schaffung von Verbünden.

Ohne Geld geht gar nichts
Auch die Schweizer Ökonomin Andrea Schenker-Wicki, Mitglied des österreichischen Wissenschaftsrats, meint, dass die amerikanischen Top-Unis finanziell ganz anders ausgerüstet seien als die europäischen. Und: „Ohne Geld geht gar nichts, leider." Dem US-Modell den Vorzug geben wollte sie aber auch nicht. Selbst US-Spitzenuniversitäten seien zum Teil hochverschuldet. Ein durchschnittlicher Bachelor-Student in den USA weise Schulden von 26.000 Dollar (ca. 19.000 Euro) auf, und die Schulden der US-Studenten sei insgesamt höher als die Summe aller Kreditkartenschulden in den USA.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare