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Luftfahrt

Kameraaugen für Fluglotsen

Der Turm ist das Kennzeichen jedes Flughafens, vom Tower (Air Traffic Control Tower) werden nicht nur die Bewegungen der Flugzeuge in der Luft (Starts und Landungen) kontrolliert, sondern auch der Verkehr am Boden. Wo jetzt noch Menschen sitzen, die den Verkehr via Bildschirme und auch mit Fernglas überwachen, soll künftig noch mehr Technik, vor allem Videotechnologie, eingesetzt werden. Gemeinsam mit der deutschen Flugsicherung, die als einer der Vorreiter punkto Flugsicherheit zählt, hat das österreichische Unternehmen Frequentis, einen „Remote Tower"-Versuch durchgeführt, bei dem Kamerabilder als Außensicht-Ersatz, wie es im amtlichen Deutsch heißt, genutzt werden. „Unser Ansatzpunkt ist, ob man einen Tower so betreiben kann, dass ein Kamerasystem jene Informationen liefert, damit der Fluglotse in einem Büro sitzen und sogar mehrere Tower gleichzeitig kontrollieren könnte", erklärt Frequentis-CEO Hannes Bardach.

Kameras mit Sensoren
Frequentis hat sich auf Informationssysteme und Kontrollcenter-Lösungen für die wichtigsten sicherheitskritischen Bereiche wie Polizei, Luftverteidigung und vor allem Flugsicherung spezialisiert und gilt als

. Mit der deutschenRheinmetall Defence AG, einem Wehrtechnik-Unternehmen, wurde ein System entwickelt, mit dem im Bereich der Flugsicherung in einem Tower auf einem Flughafen das klassische „aus dem Fenster schauen" ersetzt werden soll. Name des Projekts: smartVISION.

Beim „Remote Tower" schaut der Fluglotse nicht mehr durch das Fenster auf Landebahnen, Rollweg und Vorfeld, sondern eine 360-Grad-Kamera. „Es sind mehrere Kameras, die auf einem Tower montiert sind, jede ist mit anderen Sensoren bestückt und hat andere Funktionen." Die Infrarot-Technologie ist hier genauso vertreten wie 3D oder auch Augmented Reality – so werden bei allen Flug- wie auch Fahrzeugen an Boden, vom Passagierbus über Catering-Fahrzeuge bis hin zum Flugzeug-Schlepper oder Follow-me-Car im Bild die so genannten Call-Signs eingeblendet, sobald sie von der Kamera erfasst werden.

"Mensch kann nicht zu hundert Prozent ersetzt werden"
„Der Mensch kann freilich nicht zu hundert Prozent ersetzt werden", sagt Frequentis-CEO Hannes Bardach, „aber eine Kamera kann bessere Bilder liefern als das menschliche Auge. Wenn der Mensch nichts mehr sieht, die Kameras sehen noch." Die Videotechnologien seien bereits derart gut, dass die Kameras selbst bei schlechten Wetterbedingungen, sei es Nebel, Regen oder schlicht Gegenlicht gute Bilder liefern, wie ein aktuelles Video veranschaulicht.

Vorteil des Remote Tower ist, dass sich der Fluglotse nicht mehr im Tower befinden muss, sondern in irgendeinem Büro sitzen kann und von dort aus An- und Abflüge organisiert. Bis er als alleinige Lösung Standard wird, ist aber noch eine Zukunftsvision. „Das wird noch länger dauern, denn das ist eine komplett andere Philosophie der Flugsicherung", meint Bardach. Er vergleicht es mit dem Fliegen an sich, auch heute schon könnten Flugzeuge ohne Piloten fliegen.

Vogelschwärme automatisiert erkannt
In einem ersten Schritt werden Remote-Tower-Lösungen vor allem zusätzlich auf einem echten Tower montiert, um die Fluglotsen bei ihrer Arbeit zu unterstützen und sie zu erleichtern. Künftig können sie auf einen hohen Mast montiert werden.

Beim Versuch in Dresden wurde etwa demonstriert, wie Flugzeuge von der Kamera automatisch ins Visier genommen und verfolgt (getracked) werden können. Durch die Infrarottechnologie werden Vogelschwärme automatisiert erkannt, der Pilot kann sofort gewarnt werden, um einen Vogelschlag zu verhindern. Auch Hasen, die eine Piste kreuzen erkennt die Kamera.

Auch der schwedische Rüstungskonzern Saab hat einen Remote-Tower entwickelt, allerdings wird bei der Frequentis-Lösung die neue Technologie „Thermal Infrared (IR)“ genutzt, die eine wesentlich bessere Nachtsicht und bei ungünstigen Wetterverhältnissen deutliche Vorteile liefert. Zudem ist der Arbeitsplatz des Fluglotsen kompakter und bei der Übertragung der Videodaten zwischen Center und Remote Airport ist weniger Bandbreite notwendig.

Zertifizierung steht noch aus
„Der Remote Tower ersetzt keinen Arbeitsplatz, sondern er unterstützt die Arbeit der Flugsicherung und kann macht diese Tätigkeit ortsunabhängig“, so Bardach. „Der Flughafen ist eines der größten Risiko-Punkte im gesamten Ablauf des Fliegens. Hier gibt es etwa das enorme Risiko, dass Flugzeuge am Boden zusammenstoßen.“ Und es gibt viele Flughäfen bzw. Landebahnen, die mit dem menschlichen Auge aufgrund der Größe gar nicht mehr einsehbar sind. „Von kreuzenden Landebahnen abgesehen.“ Hamburg, Zürich oder Saloniki etwa sind Flughäfen mit kreuzenden Landebahnen. Zum Teil kreuzen sich die Pisten auch auf dem Wiener Flughafen.

Der Remote Tower muss noch zertifiziert werden, und da der Zertifizierungsprozess noch nicht gestartet ist, kann man davon ausgehen, dass es noch zwei, drei Jahre dauert, bis die ersten Remote-Towers in Echtbetrieb sind.

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