© Christian Ecker Filmproduktion

Serie: Die führenden IT-Frauen Österreichs

"Keine Frau will eine Quotenfrau sein"

futurezone: Warum gibt es so wenige Frauen in der IT? Das Verhältnis Männer/Frauen ist noch immer geschätzte 80/20.
Christine Sumper-Billinger: Frauen wählen meines Erachtens noch immer das klassische Berufsbild, also wirtschaftliche Berufe oder eher Sozialberufe. Es ist dadurch bedingt, dass die technischen Berufsbilder in der Schule nicht gefördert werden. Diese Klischees müssen aufgebrochen werden. In der Technik ist die Halbwertszeit des Wissens eine sehr kurze. Wenn Frauen an Familie denken und eine Zeit lang nicht berufstätig sind, ändert sich ihre berufliche und auch die Lebens-Situation, und dafür müssten die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Da geht`s etwa um Kinderbetreuung am Arbeitsplatz.

Wie sind Sie in die IT-Branche gekommen?
Über Umwege. Ich habe Wirtschaft studiert, bin geprüfte Steuerberaterin, war im Finanzministerium und habe bei Finanz-Online die IT näher kennengelernt. Ich bin also keine ausgebildete Technikerin, im BRZ leite ich das kaufmännische Ressort.

Was halten Sie von der Quotenregelung in der Technik?
Eigentlich generell nicht sehr viel. Auch wenn die skandinavischen Modelle herangezogen werden. Etwa die Forderung nach mehr Frauen in Aufsichtsräten. Aber dafür braucht man Frauen mit Berufs- und nötiger Manager-Erfahrung. Frauen wollen keine Quotenfrauen sein. Aber da sind wir wieder beim Thema Rahmenbedingungen.

Was wären die besten Rahmenbedingungen?
Ein entsprechendes Schulbildungssystem, wo von Grund auf die Berufsbilder dargestellt werden. Derzeit werden ja nur die klassischen Berufsbilder vermittelt – studiere Medizin, du wirst eine Göttin oder ein Gott in Weiß. Studiere Wirtschaft und du wirst eine Top-Managerin und bist irgendwann einmal am Trend-Cover. Aber wenn man ein TU-Studium empfiehlt, fällt es schon ein wenig schwerer ein Berufsbild zu vermitteln. Daher ist es wichtig, Success-Stories zu verkaufen. Und das müssen Berufsexperten in den Schulen vermitteln. Das Technische ist für die Jugend eher ein Praxis-Thema, sprich ein iPhone, das Web etc., aber es werden keine konkreten Berufsbilder gesehen. Es sollten vermehrt die Kooperationen gesucht werden zwischen Unternehmen und Schulen, um Technik zu vermitteln. Mit Unis gibt`s Kooperationen, aber nicht mit Schulen.

Wo werden die Fehler gemacht?
In  der Bildungspolitik, es wird teilweise am falschen Platz gespart. Wir geben ja nicht zu wenig aus für Bildung in Österreich, wenn man uns im internationalen Vergleich sieht. Die Mittel werden nur nicht effizient eingesetzt. Das Bildungssystem bildet nicht auf die Bedürfnisse der Unternehmen, der Wirtschaft aus. Ich stimme da völlig dem Genetiker Markus Hengstschläger (Buch: "Die Durchschnittsfalle") zu – wir fördern das Mittelmaß, nicht aber die Top-Experten. Man muss die Bildung auch praxisorientierter machen. Nicht Trocken-Training, sondern Kooperationen mit Unternehmen zu suchen. Wir vergeben jährlich 50 Praktikumsplätze und unterstützen Diplomarbeiten.

Wären Sie Unterrichtsministerin, was würden Sie ändern?
Ich würde die Bildungsfelder entsprechend definieren. Die Mittel, die eingesetzt werden, würde ich einem Bildungs-Controlling zuführen. Das läuft nicht optimal. Wir sehen das auch bei Bewerbungen für Lehrstellen. Es gibt unzählige Bewerbungen, aber es krankt an den Grundkenntnissen, am Rechnen, am Schreiben. Auch sieht man an internationalen Beispielen wo die Entwicklung hingehen sollte: Indien wird hinkünftig alle Schulbücher digitalisieren und Taiwan wird jedem Schüler einen PC zur Verfügung stellen. Dies zeigt eindrucksvoll wie zukunftsorientiert Schulpolitik gestaltet werden kann und wo hinkünftig auch in Österreich die "Reise" hingehen sollte.

Und wie würden Sie das Problem des Frauenmangels in der IT lösen?
Man sollte sich fragen, ob man Mädchen nicht anders unterrichten muss in technischen Belangen, um das Interesse zu wecken, als Burschen. Es gab eine Feldstudie zum Thema Mathematikunterricht. Bei getrenntem Unterricht war die Begeisterungsfähigkeit bei den Mädchen größer. Man muss unterschiedlich motivieren. Auch hier sollte man überlegen, ob gewisse Änderungen notwendig sind. Der Unterschied ist ja nichts Schlechtes, Frauen und Männer haben unterschiedliche Stärken, das sehen wir auch bei uns. Im SAP-Bereich sind mehr Frauen tätig als in der Programmierung. Daher muss ich den einen Bereich stärker fördern. Man muss Mädchen anders ansprechen, um sie für Technik zu begeistern.

Was würden Sie punkto IT-Ausstattung in Österreich ändern? Ein Rechner auf fünf Schüler – sagt die Statistik.
Massiv fördern, denn man muss sehen, wohin die Reise geht. Wenn man mit Computer nicht umgehen kann, wird man, ist man ein Außenseiter. Es muss in die Infrastruktur investiert werden.

Die Finanzierung ist aber ein Problem.
Stimmt, aber da muss man eben Partnerschaften suchen. Da muss man wie bei Universitäten auch bei Schulen Partner finden. Das ist auch für Unternehmen eine Investition in die Zukunft.

In 75 Prozent der Berufen ist IT notwendig, das haben viele Lehrer noch nicht erkannt und bleiben stur bei ihrem Ausbildungsplan.
Die Lehrer sind nicht mit dem Thema aufgewachsen und sind teilweise auch nicht willig, sich mit diesem zu beschäftigen und es zu verbreiten. Die heutigen Lehrer sind die Kipp-Generation, weil die dynamische Entwicklung der Technik bzw. IT im Laufe ihres Lebens dazugekommen ist. Die Jugendlichen von heute sind ja damit aufgewachsen. Es wird zum Teil auch nicht erkannt, welche Motivation ich mit IT in gewissen Gegenständen erzielen kann, weil Unterrichtsfächer greifbarer werden. Beispiel Geografie-Unterricht: Google Earth ist sicherlich interessanter als eine Landkarte, die man auf die Tafel hängt.

Motivation beginnt ja schon im Kindesalter, wie machen Sie das mit Ihrem Kind?
Er ist jetzt fast drei Jahre alt und kennt den Unterschied zwischen meinem BlackBerry oder iPhone meines Mannes. Er sieht sich Bob der Baumeister am iPhone an. Er wächst mit den neuen Medien auf. Es ist nichts Schlechtes, wenn er auf dem iPhone oder iPad ein Puzzle löst,  warum sollte es besser sein, wenn man ein Ravensburger Puzzle spielt. Er ist schon fast ein Freak (lacht). Kinder beobachten, wie man mit Technik umgeht. Wenn man die Wissbegierigkeit nutzt, bringt das etwas für ihre Zukunft. Es muss bei den Kindern das Mysterium Technik geknackt werden. Da die Kinder heute schon mit Technik aufwachsen, muss sich die Bildungspolitik daran orientieren und das Bildungssystem reformieren. Aber auch die Eltern sind verpflichtet, mehr für die IT-Ausbildung ihrer Kinder zu tun und daheim mit ihnen aktiv sein.

Wie schätzen Sie die Situation in Österreich ein, wie wird sich der Fachkräftemarkt in den kommenden fünf Jahren entwickeln?
Es gibt Zyklen, auch vor fünf Jahren war es eng, damals haben wir Trainee-Programme gestartet. Jetzt sind wir wieder in einer Phase, wo es schwierig ist, qualifizierte Leute zu finden.

Wie viele Bewerber gibt es pro Job?
Das ist unterschiedlich, teilweise nur zwei, manchmal 20. Die Zeitspanne, eine Stelle zu besetzen, dauert ziemlich lange. Wir machen Partnerschaften mit anderen Unternehmen, wie Arbeitsleihunternehmen, und wenn die Leute passen, dann übernehmen wir sie. Manche der Bewerber haben am Papier eine gute Ausbildung, aber es fehlt ihnen an der Praxis.

Stichwort Praxis, die fehlt in vielen Bereichen.
Daher hätte ich gerne für meinen Sohn eine Schule, die praxisnah ist. Denn derzeit ist es so, dass die Kombination an Theorie und Praxis nicht vorhanden ist. Es fehlt meist das Zusammenführen von theoretischem Wissen und Praxis. Das ist in allen Bildungsbereichen so. Praxis muss vermehrt fix in die Bildungspläne integriert werden. Wenn man eine Skiwoche organisieren kann, sollte man auch eine Praxis-Woche oder einige Tage Praxis in den Unterricht einbauen können. Die Wirtschaft und die Schule müssen sich mehr zusammenfinden. Die Kinder spielen mit einem Feuerwehrauto und wollen Feuerwehrmann werden, sie spielen mit einem Polizeiauto und wollen Polizist werden – daher muss man ihnen früher schon andere Möglichkeiten aufzeigen. Wieso studieren die Leute Technik? Weil der Vater Technik studiert hat.

Wie finden Sie Mitarbeiter im BRZ?
Wir gehen den Weg, dass wir die Leute schon in der Ausbildung ansprechen, kooperieren mit HTLS, mit Unis etc. Viele der Studenten haben schon eine Job-Zusage, man muss ihnen also schon früh Angebote machen. Zudem haben wir immer wieder gute Trainee-Programme, etwa im SAP-Bereich. Das BRZ hat das größte SAP-System Österreichs. Wir bieten den Mitarbeitern ein gutes Programm an Fortbildung. Und für Frauen bieten wir nach der Karenz Teilzeitmodelle an etc.

Wenn 75 Prozent der Jobs mit IT zu tun haben, wird es ein Gerangel um die Arbeitskräfte geben?
Es wird strenger und zäher werden und daher wird es wichtig sein, in unserem Fall die Marke BRZ als Arbeitgeber zu positionieren. Jedes Unternehmen hat Vor- und Nachteile für gewisse Lebenssituationen. Es geht meines Erachtens darum, die besten Köpfe zu bekommen und daher muss man als Firma ein gutes Rundumpaket bieten. Wer um die Welt reisen will, wird bei uns nicht glücklich werden. Das kann er vielleicht bei Microsoft oder einem anderen internationalen Unternehmen besser. Aber bei uns gestalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die IT eines ganzen Staates – und das ist innovativ und spannend. Dass wir nur 4.5 Prozent Fluktuation haben, zeigt, dass sich die Mitarbeiter wohl fühlen.

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