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Technisches Museum Wien

„Kinder müssen Technik spüren“

futurezone: Die Bezeichnung „Museum" impliziert Altes, ist auf den ersten Blick etwas, in dem Geschichte „aufbewahrt" wird. Wie hilfreich kann ein Museum sein, Jugendliche für die Technik der Gegenwart zu begeistern?
Gabriele Zuna-Kratky: Ein Museum mit der alten Definition ist wirklich etwas, das rückwärts gewandt ist. Aber wenn wir zu unseren Wurzeln zurückkehren: Hier in Wien hat man bei der Gründung einst Zukunftsträchtiges ausgestellt. Im Technischen Museum konnten seinerzeit die neuesten Innovationen der Kronländer bewundert werden. Aber das wurde über die Jahre vergessen. Auch, dass es früher eine Ausbildungsstätte war. Im Laufe der Zeit ist es dann zu einem angestaubten Haus verkommen, so nach dem Motto, „wenn dein altes Auto liegen bleibt, dann kannst du es gleich ins Technische Museum stellen".

Dieses Image hat dieses Haus jetzt bei den Jugendlichen nicht mehr?
Wir sind angetreten, diesen Begriff zu ändern. Wir wollten eine Plattform sein für Neues, das uns durch Kooperationen mit Industrie, Wirtschaft und Medien auch gelingt. Mit zukunftsgerichteten Bereichen, damit man auf dieser Plattform einerseits zurückschauen, eine Standortsbestimmung der Gegenwart machen kann und auch in die Zukunft schaut, in dem wir hier Unterschiedlichstes präsentieren.

Wichtig ist aber, nachhaltige Begeisterung auszulösen.
An einem solchen Ort kann man begeistern, weil wir für Technik allgemein stehen. Für die Technik im Kfz-Bereich, in der Schwerindustrie, in der Energie. Kinder und Jugendliche können sich aussuchen, wo sie andocken, und wir versuchen die Leute von dort abzuholen. Unser Credo ist: Das Vorwissen der Leute nie zu überschätzen - wenn man die Latte zu hoch legt, gehen sie drunter durch. Die Intelligenz nicht zu unterschätzen – die Menschen können lernen, sie sind sehr aufnahmefähig. Wenn man sie von dort abholt, wo sie stehen, kann man ihnen sehr vieles vermitteln.

Auch den Jugendlichen?
Gerade den Jugendlichen, denn wenn sie früh mit dem in Kontakt kommen, was sie interessant finden, dann bleibt das. Je früher desto besser. In der Vorschule wird immer schon diskutiert, dass man die Kinder fördern muss, etwa mit Fremdsprachen. Man muss sie also auch früh an die Technik heranführen. Wir beginnen hier im Technischen Museum mit den Zweijährigen.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem Interesse von Buben und Mädchen?
Bei den Mädchen ist es leider schon so, dass manchmal die Frage, „gibt`s das auch in rosa" gestellt wird. Ich kann es nicht erklären warum das so ist, keiner kann es erklären, aber ich spreche es aus. Bei uns werden die Kinder vollkommen gleich behandelt, aber man merkt, dass die Burschen sofort zu den Feuerwehr-Autos und Autos rennen, und sich die Mädchen doch anders verhalten.

Kapsch-CEO Georg Kapsch meinte in einem

futurezone-Interview
, dass die Sozialisierung schon im Kindergarten beginnt, und es für Buben eine Bastel-, für Mädchen eine Puppen-Ecke gibt. Und das nicht sein sollte.
Man braucht nicht bei den Kindern früh ansetzen, man sollte pränatal agieren, man muss bei den Eltern ansetzen, und bei den Kindergärtnerinnen, bei den Lehrern, bei den Erziehern.

Kann man ein Kind „verziehen", ihm zu viel Technik geben?
Das kann man nicht. Was war früher? Der Papa hat Zeitung gelesen oder ist ins Büro gefahren – die Kinder haben gar nicht gewusst, was der Papa macht. Ich finde, Technologie hat das Leben der Familie erleichtert, die Kinder sehen den Papa am Computer arbeiten, zudem ist disloziertes Arbeiten möglich.

Ich kann mich an eine Veranstaltung im TMW erinnern, bei der Sie einige hundert Kinder gefragt haben, wer einen technischen Beruf ergreifen will. Fünf haben damals aufgezeigt, was für mich ein wenig deprimierend war.
Das war damals ein Trockenschwimmkurs. Wenn man diese Kids einen halben Tag hat, dann garantiere ich ihnen, dass sie sagen „wow, ich möchte". Die Kinder möchten etwas tun, möchten etwas angreifen und begreifen, im wahrsten Sinn des Wortes. Sie müssen was riechen, was spüren. Die müssen mitten drinnen sein. Wenn sie in einem Hamsterrad laufen und durch Muskelkraft einen Apfelkorb hinaufheben – dann sind sie mitten in der erlebbaren Technik. Sie können Technik spüren. Das Problem ist, dass technische Produkte immer kleiner, komplexer und somit auch unverständlicher werden. Es ist schwer, diese Technik begreifbar zu machen – wir versuchen dieses Verständnis zu erleichtern, indem wir auch die Grundlagen – wie Physik oder Mechanik – erklären.

Wie viele „Aktionen" werden hier im Technischen Museum gemacht?
Insgesamt 3500 Führungen, pädagogische Aktionen, Vorführungen. Die intensiveren Sachen sind die Workshops – zum Thema Fliegen haben wir „Nils Holgersson", zum Thema Wasser haben wir „ Blubber-di-blubb", das sind auf einen Sammlungsbereich oder auf Sonderausstellung und Altersgruppe zugeschnittene Programme. Weil wir schon so viele gebuchte Führungen haben – im Juni und im Jänner ist das Museum komplett ausgelastet – haben wir, vor allem für Schulen, den

entwickelt. Man legt sein Niveau fest, stellt sich auf der Webseite seine eigenen Fragen zusammen und kann eine Fragen- und eine Antwortversion ausdrucken. Schummeln ist fast nicht möglich, da es 600 Fragen gibt und weil jeder Schüler andere Fragen hat. Das entlastet unsere Kulturvermittler, wie wir das Führungspersonal bezeichnen.

Es gibt einen IT-Fachkräftemangel, können Sie viele Jugendliche motivieren, einen technischen Beruf zu ergreifen?
Ich hoffe es, lassen Sie mir die Hoffnung. Ich weiß, wie schwierig das ist. Diese Hoffnung gibt mir auch die Kraft, dass wir weiter machen und dass wir mehr Aktionen machen. Wir hatten z.B. die „Talente-Tage" mit der Industriellen Vereinigung. Wir haben Betriebe wie Kapsch, Agrana, Kraft Food eingeladen und die Lehrlinge haben über ihren Beruf gesprochen und ihn als cool verkauft und die Vertreter der Unternehmen haben Fragen beantwortet.

Warum gibt es einen IT-Fachkräftemangel? Wer hat die Fehler gemacht?
Es sterben Berufe aus, aber im IT-Bereich gibt`s immer wieder neue. Menschen in IT-Berufen haben eine sehr kurze Halbwertszeit, sie müssen sich immer auf etwas Neues einstellen.

Hat die Politik Fehler gemacht?
Es ist irrsinnig wichtig, die Leute ihren Stärken gemäß auszubilden. Ein gleichmachendes System ist nicht vernünftig. Die Talente zu fördern, vor allem die technischen Talente zu fördern und zu orten, das ist schon einmal das Schwierige. Es ist eine Begabtenförderung notwendig. Die Politik hat erkannt, dass Technikförderung notwendig ist. "Yo!-Tech" oder die "Talentetage" oder andere punktuell gesetzte Maßnahmen sind zwar wichtig, ersetzen aber nicht ein durchlaufendes Förderungssystem.

Es gibt ja funktionierende Fördersysteme.
Es gibt ein Skigymnasium, es gibt ein Gymnasium für musische, es gibt eines mit Medienschwerpunkt. Auch die HTL ist ein bewährtes System. Die früh einsetzende durchgehende intensive Förderung ist wichtig.

Wie hilfreich könnten Medien bei der IT-Förderung sein?
Ameisenessen (im Dschungelcamp, Anm.) ist eine leichte Übung, da brauch ich nicht viel Hirn. Es ist auch keine Leistung, von einer Kamera beim Duschen gefilmt zu werden. Wäre es nicht spannend, zu sehen, wie Menschen etwas kreieren, programmieren, etwas auf die Beine stellen?

IT-Erziehung beginnt im eigenen Haus. Nicht nur im Elternhaus, sondern im Unternehmenshaus. Wie fördern Sie IT?
Wir haben verpflichtend unsere Abteilungsleiter mit Samsung Smartphones ausgestattet. Ich führe den Kalender, damit alle über die Termine Bescheid wissen. Mit unserer aktuellen Homepage haben wir etwas Neues geliefert – über den Rätselrallyegenerator. Da haben wir fast zwei Jahre daran gearbeitet. Jeder muss im Haus eine Schulung durchlaufen und sich auf die neuen Medien einstellen.

Ist Teleworking in einem Museumsbetrieb überhaupt möglich?
Ja, weil es Familienförderung ist. Das ist nicht nur auf Frauen bezogen. Wir haben einen Mitarbeiter, der mit einer Ärztin verheiratet ist und drei Kinder hat. Er arbeitet zwei Tage von zu Hause. Er hat Geräte erhalten, die alle eingerichtet sind. Und da gibt`s etliche. Wenn das Kind krank ist, nehmen sich die MitarbeiterInnen nicht unbedingt einen Pflegeurlaub, sondern arbeiten von zu Hause und sind dem Unternehmen sehr verbunden. Wir haben eine sehr geringe Mitarbeiter-Fluktuationsrate. Wichtig ist beim Teleworking: Es braucht einen Kontakt zur Firma. Der menschliche Kontakt ist wichtig, wenn man sich nie in der Redaktion sehen lässt, ist es ein Problem. Den größeren Teil müssen sie hier verbringen, da wir in Teams arbeiten.

Wie sind Sie technisch bewandert?
Ich habe noch Luft nach oben, aber zeigen Sie mir jemanden, der das in Zeiten des schnellen Wandels nicht hat (lacht).

Das TMW in Zahlen:
Das Technische Museum Wien hat knapp 300.000 Besucher pro Jahr, wovon etwa ein Drittel Schüler im Klassenverband, ein Drittel Familienbesucher und ein Drittel Touristen und Einzelbesucher sind. Zwischen 150.000 und 200.000 Besucher kommen mit Kindern. Früher hat es geheißen, man geht zweimal im Leben ins Technische Museum – einmal an der Hand seines Vaters, das zweite Mal mit dem eigenen Sohn. Mit Aktionen wie Begleitprogrammen und Sonderausstellungen sollen aus  Mehrfachbesuchern Vielfachbesucher werden.

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