© Deidre Schoo

Vortrag

"Ohne Facebook ist das Leben sinnvoller"

Mit dem Begriff "Guru" sollte man immer vorsichtig umgehen, insbesondere in Zeiten, in denen jeder Publizistikstudent mit Facebook-Account schneller zum "Social Media Guru" promoviert als man "Nyan Cat" sagen kann. Wer aber partout Gurus braucht, der kommt mit Sree Sreenivasan der Sache schon ziemlich nahe.

Sreenivasan, Professor für Journalismus an der Columbia University, war einer der ersten am Netz. Email hatte er schon 1992, als es "zwar Mails gab, aber noch niemanden, dem man sie schicken konnte." Er gilt als eine der 35 einflussreichsten Social Media Persönlichkeiten und ist einer von nur 20 Journalisten, für die die Society of Professional Journalists eine Twitter-Folgeempfehlung ausspricht. Die Eigenwahrnehmung des sympathischen Inders fällt da ein wenig bescheidener aus. Ein "Brückenbauer zwischen den Welten" sei er: "Ich war immer der komische Typ, der in 140 Zeichen dachte, während man an meiner altehrwürdigen Universität eher in Jahrhunderten denkt." Folgerichtig fühlt er sich auch im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wie zuhause.

Vortrag ohne Bekehrung
"How social media has changed everything we know about communications, media and relationships" ist der etwas sperrige Titel seines Vortrags, eingeladen hat die Telekom Austria im Rahmen ihrer Hedy Lamarr Lectures. Im Publikum finden sich weniger Digital Residents als erwartet, dafür - sehr erfreulich - auch einige ältere Semester.

"Ich bin nicht hier, um irgendjemanden zu bekehren" beruhigt Sreenivasan, "Social Media soll man nur nutzen, wenn es zum eigenen Leben und Workflow passt. Wenn nicht, lässt man es besser bleiben." Und setzt gleich noch nach: "Wenn Sie nicht auf Facebook sind, dann können Sie konzentrierter Bücher lesen, Sie führen bessere Beziehungen und ihr Leben ist sinnvoller. Zumindest haben Sie keine Entschuldigung dafür, falls es nicht so ist. Wir anderen schon. Wir haben Facebook."

Facebook in Ägypten
Wichtig sei, immer die physische und die virtuelle Welt miteinander zu verbinden. Wem das gelingt, der hätte das Medium verstanden, meint Sreenivasan und zitiert als Negativ-Beispiel das ägyptische Militär-Regime unter Mubarak: "Man hat in Ägypten gewusst, dass es nicht genug ist, die Menschen am Tahrir Platz zu töten, man musste sie auch virtuell töten, deshalb wurde Facebook abgeschaltet - die physischen und virtuellen Handlungen haben einander gespiegelt." Ähnliches in China, wo die Regierung bemüht war, Aufstände nach Vorbild der tunesischen Jasminrevolution im Ansatz zu ersticken. Es wurde daher nicht nur die Google-Suche für das Wort "Jasmin" blockiert, sondern auch physisch jede Jasmin-Blume im Land ausgerissen. "Das Regime handelte parallel in der virtuellen und physischen Welt, um alle Arten der Informationsübertragung zu unterbinden."

Offline und Online-Kommunikation
Die Entsprechung von Online- und Offline-Leben, so Sreenivasans Kernthese, kommt in jedem Bereich zu tragen. Social Media diene lediglich als Verstärker. Wer also offline einen schlechten Kundenservice anbietet, hat online einen noch schlechteren. Wer hingegen offline gut kommuniziert, glückt dies online umso besser. Die Geheimformel einer erfolgreichen Social Media Strategie, die Sreenivasan am Ende seines Vortrags herunterbetet, ist somit nicht wirklich geheim: Mach dich nützlich, sei hilfsbereit, sei glaubwürdig, sei unterhaltsam... Fazit: "Das gilt ohnedies für jede Art von Kommunikation."

Sree Sreenivasan hält am Mittwoch einen "Advanced Social Media Workshop" bei fjum - Forum für Journalismus und Medien Wien.

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Nicole Kolisch

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