© dapd

Generation angst

Profiteure und Verlierer des Kinderschutzes III

Frau von der Leyen gelang es nicht nur, zuerst Geheimverträge zwischen dem Bundeskriminalamt und den Internetprovidern und später das Zugangserschwerungsgesetz durchzusetzen; durch sie wurde der Verband "Innocence in Danger" hoffähig. Seit der Diskussion um die Netzsperren gelingt es "Innocence in Danger", stetig in den Medien zu bleiben und mit dem Format "Tatort Internet" (TI) wurde hier eine neue Tür aufgestoßen.

Fehlinformationen zu Tatort Internet

TI war von Anfang an so konzipiert, dass nur ausgewählte Medien von der tatsächlichen Form des Formates wussten - Programmzeitschriften, die mehrere Tage im Voraus das Programm zur Verfügung stellen, wurden mit falschen Informationen versorgt, die auf ein seriöses Format mit Bezug zur allgemeinen Kriminalität im Netz wie Phishing hinwiesen. Dem "Stern" sowie der BILD gelang es so, exklusiv über das Format zu berichten und damit für ausreichend Medienbegleitung zu sorgen, was durch die Einbindung der Ehefrau des deutschen Verteidungsministers, Stefanie von Guttenberg, noch verstärkt wurde.

Um zu verstehen, wie stark hier die Verflechtungen von Medien und Politik sind, die sich Verbände wie "Innocence in Danger" zu nutze machen, muss man lediglich der Spur des "neuen Adels", also der VUZ (Von und zu)-Gesellschaft folgen.

Hofberichtstattung auf moderne Art

Dass gerade die BILD mit in den PR-Coup rund um TI involviert war, ist keineswegs ein Zufall. Uns bei Innocence in Danger wird ja gerne vorgeworfen, dass wir mit der Bild-Zeitung kooperieren. "Wir tun das aber sehr gerne, weil es unser Anspruch ist, so viele Menschen wie möglich zu erreichen und das aus ganz, ganz unterschiedlichen Schichten. Es geht um die Masse." sagt Stephanie von Guttenberg zu diesem Thema, lässt aber eine nicht ganz unerhebliche Tatsache außer Acht: zur BILD-Zeitung besteht eine Verbindung der besonderen Art.

Anna von Bayern, Redakteurin bei der BILD, sorgt, nicht zuletzt seit der von ihr geschriebenen Biographie über den Verteidungsminister, für schmeichelhafte Schlagzeilen über das Ehepaar von Guttenberg. Gleichermaßen hilfreich ist Tamara Gräfin von Nayhauß (38), Mitarbeiterin des ZDF-Magazins "Hallo Deutschland", die für die Privatberichterstattung sorgt. Patenonkel ihres Sohnes ist Herr von Guttenberg - für Hofberichterstattung ist insofern gesorgt und davon profitiert auch "Innocence in Danger", denn die Präsidentin des deutschen Ablegers ist Stephanie von Guttenberg. Geschäftsführerin ist Julia von Weiler, die neben Beate Krafft-Schöning in "TI" eine herausragende Rolle spielt: sie ist Expertin für das Thema "sexuellen Missbrauch". Dass "Innocence in Danger" sich gerne in dem Format zeigt, ist kein Wunder: es dient als Werbeträger, denn unter den von RTL2 veröffentlichten Hilfsangeboten finden sich gleich mehrere Angebote, die direkt mit "Innocence in Danger" zu tun haben. Die angebotene Hilfsrufnummer für Erwachsene schlägt mit 14-42 Euro pro Minute zu Buche.

Mit "TI", Stephanie von Guttenberg als Gallinsfigur und einem überzeugten Produzenten, der derzeit die meisten Protagonisten von der Presse abschirmt, ist die Verbindung von Presse, Kinderschutzverbänden und Politik in die nächste Runde gegangen. Für die dahinterstehenden Politiker eine durchaus gewinnbringende Situation.

Engagement - ohne Schmutz an den Händen

Sich für den Jugendschutz, insbesondere im Netz einzusetzen, ist für Politiker eine bequeme Arbeit. Anders als durch direkte Projektarbeit muss man sich hier wenig die "Finger schmutzig machen", es reichen Absichtserklärungen, polemische Angriffe gegen Kritiker der Maßnahmen sowie auf Emotionen zielende Sätze wie "Denkt keiner an die Kinder?" oder "solange nur ein Kind leiden muss...".

Dabei ist es keineswegs so, dass die Maßnahmen ohne hohe Gelder auskommen, im Gegenteil. Immerhin 55 Millionen Euro sind für ein "Safer Internet"-Programm eingeplant (Stand 2008). Dieses Programm ist Teil eines Netzwerkes für NGOs, die sich zum Thema Jugendschutz im Internet involvieren und diesbezüglich gefördert werden - auffällig ist, dass dieses Netzwerk sich in seiner Gesamtheit für Netzsperren stark macht, Vereinigungen mit anderslautender Meinung werden nicht gefördert. Zu den bisher von Enacso profitierenden Vereinigungen gehörte unter anderem "Innocence in Danger" Deutschland, womit sich dann der Kreis zwischen Profit, Politik und Medien schließt. Der Jahresbericht von eNACSO erwähnt denn auch sehr deutlich die Vorstöße zur europäischen Strafbarkeit des "Cyber-Grooming" sowie die geplanten Netzsperren.

Deutsches Problem?

Bedenkt man diese Verflechtungen, dann ist ein Format wie "TI" keinesfalls ein deutsches Problem. Deutschland hat sich bei der Vorratsdatenspeicherung wie auch beim Thema Netzsperren als Vorreiter innerhalb der EU gezeigt und auch seine eigene Agenda stets über den Umweg EU zu erreichen versucht. Die Kontakte, die zwischen der EU-Kommission, die sich über das eNACSO-Netzwerk ihre eigene Schar aus zustimmungsbereiten weil auch davon profitierenden NGOs "heranzieht", die Zusammenhänge in Bezug auf "Innocence in Danger", dem Ehepaar Guttenberg, der BIlD oder auch der Deutschen Kinderhilfe, die derzeit das Format TI vehement verteidigt, sind gerade hinsichtlich der europäischen Vorstöße in Bezug auf Netzsperren zum Kinder- und Jugendschutz nicht vernachlässigbar.

Mit Hilfe von Medien und neuerdings auch Ex-Strafverfolgern wie Udo Nagel (Ex-Innensenator Hamburg, nun aber Moderator von "TI") gelingt es, die Themen "Cyber-Grooming" zu einem derart großen Problem mutieren zu lassen, dass der nächste Coup schon bevorsteht: RTL2 wird, mit Unterstützung der Deutschen Kinderhilfe, einen Präventionstag in Schulen abhalten und dabei dann auch eine Präventions-CD verteilen, sponsored by RTL2 und Deutsche Kinderhilfe.

Mehr zum Thema:

Profiteure und Verlierer des Kinderschutzes I
Profiteure und Verlierer des Kinderschutzes II

(Twister/Bettina Winsemann)

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare