Deutschland

Rewe-Chef über Online-Handel: "Das ist wie ein Bazillus"

Der Siegeszug des Online-Handels wirbelt den deutschen Einzelhandel durcheinander. Nur eine Branche blieb bisher verschont: Der Lebensmittelhandel. Nicht einmal ein Prozent des Lebensmittelbedarfs wird zurzeit per Mausklick gekauft. Doch der Chef des zweitgrößten deutschen Lebensmittelhändlers Rewe, Alain Caparros, ist sicher: Die Schonfrist geht zu Ende.

Bevorstehender Wandel

"Ich bin überzeugt, dass die Zeit des Massengeschäfts im stationären Handel vorbei ist", sagt Caparros. "Der Tagesbedarf wird schon bald online eingekauft werden." Die Leute würden älter und bequemer. Es sei naiv zu glauben, dass sie nur aus alter Verbundenheit weiterhin den altvertrauten Läden treublieben. "Warum soll ich schleppen, was ich geliefert bekommen kann", meint Caparros.

Mit der Erwartung großer Umbrüche im Lebensmittelhandel steht der Manager nicht allein. Eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) prognostiziert auch in dieser Branche einen rasanten Boom des E-Commerce: Schon 2020 werde wohl auch im Lebensmittelhandel jeder zehnte Euro per Mausklick ausgegeben.

"Das ist wie ein Bazillus", meint der Rewe-Chef. Die ersten Symptome spüre man kaum. Doch schon jetzt werde das Sortiment der Einzelhändler "scheibchenweise von den Onlinern attackiert". So würden bald 20 Prozent des Tierfutters online gekauft. Auch beim Weinverkauf spüre der Händler die wachsende Online-Konkurrenz.

Rüsten für die Online-Zukunft

Caparros ist gewarnt. Bei seiner Elektronikkette ProMarkt hat der Kölner Handelsriese den Internetzug verpasst - mit gravierenden Folgen. Die Vertriebslinie wurde inzwischen weitgehend abgewickelt. So etwas soll nicht noch einmal passieren.

Deshalb hat Rewe inzwischen ein eigenes Internet-Team rund um den "Chief Digital Officer" Jean-Jacques van Oosten aufgebaut, das den Online-Handel vorantreiben soll. "Wir haben ein kleines Silicon Valley bei uns gegründet", erzählt Caparros und fügt dann noch hinzu: "Die Jungen sind anders, bringen ganz anderen Drive in die Firma." Vorbild ist der britische Handelsriese Tesco, bei dem im Weihnachtsgeschäft schon acht Prozent der Lebensmittelverkäufe online erledigt wurden und der inzwischen nach eigenen Angaben mit „E-Food“ einen ordentlichen Gewinn einfährt.

Deutlich mehr Möglichkeiten

Bei den etablierten Rewe-Händlern stoßen die Investitionen in die Online-Zukunft allerdings nicht auf ungeteilte Begeisterung, wie der Manager einräumt. "Die Kunst wird sein, die beiden Kulturen zu verbinden." Noch sei das Online-Angebot von Rewe ein "kleines Pflänzchen". Aber die Verzahnung von Online-Angeboten und stationärem Handel biete große Möglichkeiten.

Der Supermarkt in der Innenstadt könne dadurch künftig seinen Kunden viel mehr Produkte anbieten, als es die Regalfläche eigentlich zulasse. Die neue Vielfalt könne im Laden online präsentiert und dann bei Bedarf nach Hause geliefert oder einfach beim nächsten Einkauf mitgenommen werden. Außerdem biete das Online-Geschäft Rewe als Nummer zwei auf dem deutschen Lebensmittelmarkt die Chance, näher an Marktführer Edeka heranzurücken.

Auch Amazon will Lebensmittel liefern

Zeit verlieren darf Rewe allerdings nicht. Auch die Konkurrenz steht längst in den Startlöchern. Der weltgrößte Onlinehändler Amazon plant nach Informationen der "Bild"-Zeitung, schon bald auch in Deutschland frische Lebensmittel online zu verkaufen.

Im Kampf gegen Amazon und Co. setzt der Rewe-Chef allerdings nicht nur auf neue Online-Angebote - auch die Rewe-Filialen sollen ein völlig neues Gesicht bekommen. Die Leute gingen heute seltener in die Kneipe oder ins Café, hat der Manager beobachtet. Kommunikation erfolge immer häufiger via Computer oder Smartphone. Doch bräuchten Menschen einen Ort zum Treffen und Austauschen. Das könne der Supermarkt sein.

Fast jeder der Rewe-Supermärkte hat deshalb inzwischen irgendeine Form von Gastro-Bereich: eine Sushi-Bar, ein kleines Café oder eine Weinecke. Caparros ist überzeugt: "Der Supermarkt der Zukunft wird ein Ort der Begegnung sein."

KochAbo in Österreich

In Österreich wird das Angebot des Lebensmittelzustellers KochAbo gut angenommen. Knapp zwei Jahre nach dem Start des Wiener Start-ups KochAbo macht der Essenslieferant eigenen Angaben zufolge wöchentlich einen Umsatz von 70.000 Euro. "Wir sind mittlerweile profitabel und verdienen mit jeder Box Geld", sagte KochAbo-Chef Michael Ströck, Sohn der gleichnamigen Wiener Bäckerfamilie.

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