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Wissenschaft

Semantische Suche für Musik in Entwicklung

Verwendet die Popsängerin Shakira in ihren Songs traditionelle Musikelemente aus ihrer Heimat Kolumbien? „Ja", sagt Professor Tiago de Oliveira Pinto von der Musikhochschule Franz Liszt Weimar und verweist auf vergleichende Analysen ihrer Lieder mit Rhythmen der Cumbia. Diese Musik hatten einst Sklaven aus Afrika nach Kolumbien gebracht, wo sie sich mit indigenen und spanischen Musikelementen vermischte.

Das interdisziplinäre Pilotprojekt Global Music Database macht es möglich, in kurzer Zeit Herkunft, historische Verwandtschaft und stilistische Besonderheiten von Musik bei ihrem Siegeszug um die Welt zu erkennen: Typisch dafür steht auch der Samba de Roda aus Bahia in Brasilien und seine angolanischen Vorfahren.

Seit zwei Jahren arbeitet der aus Brasilien stammende Musikethnologe mit Experten aus Europa, Asien, Lateinamerika und Afrika an einer semantischen Suchmaschine, die auf automatische Rhythmuserkennung und Klanganalyse setzt. „Wir machen uns von der globalen Musikindustrie unabhängig, denn bestehende Suchmaschinen können nur identische Musikstücke aus riesigen Datenbanken finden. Wir synthetisieren Grundelemente von Rhythmen, um Nutzern allgemeine musikalische Informationen zu liefern", erläutert Projektmitarbeiter Philip Küppers.

Musik, nicht Künstler im Vordergrund
Es gehe nicht um den Namen des Künstlers oder des Stückes, sondern um die Musik an sich. Das sei ein ganz anderer Ansatz. Fehlerhafte oder unvollständige Informationen, etwa die Verwechslung von Samba und Salsa, würden ausgeschlossen.

Die Software entwickelten Audio-Ingenieure vom Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie in Ilmenau (Thüringen). Die Ilmenauer haben bereits mehrfach mit Weimar zusammengearbeitet. Christian Dittmar, Gruppenleiter für Semantische Musik und Technologien, erinnert sich an unvorhergesehene Probleme im laufenden Projekt. „Wir waren davon ausgegangen, wenn uns die Musikwissenschafter computerlesbare Noten geben, dass wir dann die typisch rhythmischen Grundmuster erkennen können", sagt der 34 Jahre alte Diplomingenieur für Elektrotechnik.

Dies habe aber nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. „Wir mussten daher ein System entwickeln, das die Musikstücke direkt vergleicht." Wie beim Samba-Sprung von Afrika nach Brasilien komme es den Musikwissenschaftern gerade auf die Abweichungen von dem mathematisch festlegten Grundmuster an. Die Ilmenauer arbeiten derzeit an weiteren Feinheiten der Software.

Internet, Smartphone und Tablet verändern die Art, Musik zu suchen und zu hören komplett. Immer größere Datenmengen werden heruntergeladen, die Strom benötigen und die Umwelt belasten. Sind Songs darunter, die der Nutzer nicht hören will, landen sie im „Papierkorb". Bereits heute gingen bis zu sieben Prozent des europäischen Stromverbrauchs auf das Konto Internet und das Herunterladen und Onlinetauschen von Audio- und Videodateien, sagt Küppers, gelernter Tontechniker und Musikwissenschafter.

Umwelt schonen
Das Projekt Global Music Database setzt auf Umwelt- und Ressourcenschonung. „Der leistungsstarke Server für die erforderliche Datenbank wird deshalb in einen norwegischen Fjord umziehen", erklärt Professor Pinto. „Schmelzwasser aus den Bergen soll den Server in einem stillgelegten Stollen umweltschonend kühlen. Der Energieverbrauch soll damit um 30 Prozent reduziert werden." Die Weimarer kooperieren dazu mit dem norwegischen Unternehmen für Audioanwendungen Bach Technology.

2011 und 2012 haben die EU und das Land Thüringen das Gemeinschaftsprojekt von Forschungseinrichtungen und Privatwirtschaft gefördert. Weitere Förderanträge laufen. „Wir wissen jetzt, wie es geht", sagt de Oliveira Pinto. Bisher sei das Projekt auf Weltmusik begrenzt. Europäische Klassik mit Menuett, Flamenco oder ungarischen Weisen - das könne die Software noch nicht erkennen. Die Gesamtkosten bezifferte der Brasilianer mit 1,3 Mio. Euro. Alle Ergebnisse fließen in das virtuelle europäische Musikarchiv der Europeana.

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