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Streit um Neuausrichtung von Wikimedia Deutschland

Die Wikimedia Deutschland, Betreiberin der deutschsprachigen Online-Enzyklopädie Wikipedia, hat sich von ihrem Vorstand Pavel Richter getrennt und steuert möglicherweise auf eine Zerreißprobe hin. „Ich persönlich teile diesen Entschluss nicht und halte ihn für einen falschen Schritt für unseren Verein“, schrieb der Vorsitzende von Wikimedia Deutschland, Nikolas Becker, in einer öffentlichen Mailing-Liste. „Zutiefst besorgt“ sei er „über die Art und Weise, wie es zu diesem Beschluss kam“. „Ich bin mir sicher, dass die bestehenden Differenzen auch auf weniger invasive Art hätten gelöst werden können.“

Schon länger geplant

Wie Becker zuvor offiziell für das Wikimedia-Präsidium am Montag mitteilte, strebe das zehnköpfige Gremium seit längerem eine andere strategische Ausrichtung des Vereins an und sei der Überzeugung, dass dieses mit dem derzeitigen Vorstand nicht umgesetzt werden könne. Der Verein und Pavel Richter hätten sich auf eine einvernehmliche Trennung verständigt, schrieb Becker. Richter stand für eine Stellungnahme zunächst nicht zur Verfügung.

„Aus meiner Sicht hat unser Vorstand Pavel Richter in den letzten fünf Jahren hervorragende Arbeit für den Aufbau unseres Vereins geleistet“, teilte Becker der dpa mit. Die Geschäftsstelle in Berlin beschäftige mittlerweile 60 Mitarbeiter, „die hochmotiviert daran arbeiten, unsere Vision vom freien Wissen in die Tat umzusetzen.“ Als Ausdruck des Erfolgs sieht Becker auch, dass der Verein seine Mitgliederbasis auf mittlerweile 120 000 Unterstützer verbreitern konnte.

Keine Abstimmung

Die Entscheidung für eine Absetzung Richters sei „viel zu kurzfristig und ohne Einbeziehung der Mitglieder erfolgt“, kritisierte Becker. Laut einem Bericht von „heise online“ stand die Abberufung des Vorstands zuletzt nicht einmal auf der Tagesordnung einer für Samstag in Frankfurt angesetzten ordentlichen Mitgliederversammlung. Die Mitglieder würden in Frankfurt aber über den personellen Wechsel informiert werden und darüber diskutieren können, sagte Wikimedia-Sprecher Michael Jahn. Zu den Meinungsverschiedenheiten wollte Jahn sich jedoch nicht äußern.

Sebastian Wallroth, Beisitzer im Präsidium, verteidigte gegenüber „heise online“ dagegen die Entscheidung. „Die Abstimmung fiel mit sehr großer Mehrheit ohne Gegenstimmen.“ Sie sei das Ergebnis eines mehrwöchigen Prozesses.

Seit 2009 tätig

Zwischen den verschiedenen Akteuren bei Wikipedia hätten sich in den vergangenen Jahren tiefe Gräben gebildet, hieß es bei „heise online“. Mitglieder der Freiwilligen-Community misstrauten der Arbeit der Geschäftsstellen, die Ländervereine beklagten Zentralisierungsbestrebungen der Wikimedia Foundation in den USA. Auch wie stark das gewählte Präsidium des Vereins in die Tagesgeschäfte eingreifen darf, sei immer wieder Gegenstand von Debatten gewesen.

Der Historiker und Politikwissenschaftler Richter arbeitete seit 2009 in der Geschäftsführung von Wikimedia Deuschland. Seit 2011 war er alleiniger Vorstand und alleinvertretungsberechtiger Geschäftsführer der Wikimedia Fördergesellschaft.

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