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Test

Wenn die Schiene auf E-Car und E-Bike trifft

182 km zeigt die „Reichweitenprognose“ an. Da ginge sich die Strecke „Bahnhof Edlitz-Wien futurezone-Redaktion Lindengasse“ leicht aus und man hätte sogar noch 28 km „Reserve“ – vorausgesetzt, man hetzt das E-Car nicht über die Südautobahn. Allerdings ist es nicht im Sinne des Erfinders, die weite Strecke mit dem E-Car zurückzulegen. Gemeinsam mit 14 weiteren Partnern haben die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) nämlich das Pilotprojekt eMORAIL gestartet. Dabei sollen Straße und Schiene, Individual- und Öffentlicher Verkehr vereinigt werden.

Das Konzept von eMORAIL
eMORAIL ist eine Mischung aus Carsharing, Elektromobilität und Smartphone-App und soll den Pendlerverkehr der Zukunft abbilden. „Mobil zu sein, bedeutet nämlich nicht, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen, sondern es dann zur Verfügung zu haben, wenn man es benötigt“, sagt sagt ÖBB-Strategiechef Tom Reinhold. „Ziel ist, eine innovative, kostengünstige und umweltschonende Mobilitätslösung für Pendler zu entwickeln.“

Das Prinzip eMORAIL ist einfach erklärt: Pendler fahren mit dem Elektroauto zum nächsten Bahnhof, wo es einen eigens reservierten Parkplatz gibt. Sowohl dort als auch beim Pendler daheim befindet sich eine Ladestation. Der Pendler steigt nun in den Zug um, der ihn in die Stadt bringt. Auf seinem Smartphone sieht er via App, welche Verkehrsmittel er in der Stadt nehmen soll. Via App kann er auch E-Bikes vorbestellen. In der Zwischenzeit kann sein auf dem Bahnhof abgestelltes Auto von anderen genutzt werden. Kommt er nach der Arbeit wieder am Heimat-Bahnhof an, so steigt er wieder in das E-Car ein und fährt nach Hause.

Die futurezone durfte eMORAIL testen und schlüpfte zwei Tage in die Rolle eines Pendlers.

Umständliche Registrierung
Alles beginnt mit der Anmeldung auf der Plattform und die ist nicht ganz so trivial, wie sie sein könnte. Durch ganze elf Seiten muss man sich klicken, um zum eMORAILer zu werden, was aber auch versicherungstechnische Gründe hat. Hat man die Registrierung geschafft, kommt die Anmeldebestätigung samt Passwort per Mail. Dieses Passwort ist wichtig, ist es doch der Code mit dem man – wie man später erfährt – sein E-Bike freischalten kann.

Mit der Anmeldung gibt es auch den Link zur App, die es derzeit nur für Android-Geräte gibt. Die App braucht man aus mehreren Gründen: Damit kann das E-Car reserviert  werden. In der App ist auch die Fahrkarte für den Zug gespeichert, sie beinhaltet außerdem eine Fahrplanauskunft in Echtzeit. Auch das eMORAIL-Call Center kann via App kontaktiert werden.

Pilotprojekt
Die futurezone ist am Bahnhof Edlitz-Grimmenstein in Niederösterreich vom eigenen Auto auf das E-Car, einem von zwei Mercedes-Benz A-Klasse E-CELL, umgestiegen. Derzeit läuft das Pilotprojekt nämlich im Edlitz-Grimmenstein und in Leibnitz in der Steiermark. Im Echtbetrieb fassen eMORAIL-Kunden künftig das Auto auf bestimmten Bahnhöfen aus. Gleichzeitig erhält man eine Smartcard, mit der sich das Auto öffnen und die Ladestation aktivieren lässt.

Voraussetzung, um eMORAILer zu werden, ist, zu Hause eine Garage oder zumindest ein Carport zu haben, weil eine eigene Ladestation errichtet werden muss. Auf öffentlichen Parkplätzen ist dies (derzeit) noch nicht möglich. Das Auto lässt sich auch über die herkömmliche Steckdose laden, allerdings dauert das erheblich länger.

Spritzige eMobility
Der grünliche E-CELL-Mercedes fährt sich wie eines von jenen Autos, die man aus den diversen Science-Fiction-Filmen kennt – man hört den Motor nicht, was anfangs irritiert. In puncto Dynamik ist das Elektroauto so spritzig wie ein normaler „Benziner“. Selbst Steigungen schafft er mühelos.

Der eigentliche Pendler-Tag ist genau genommen ziemlich simpel. Mit dem Auto am Bahnhof angekommen, parkt man an einem von mehreren grün gekennzeichneten Parkplätzen rückwärts ein, öffnet den Kofferraum und schließt das darin verstaute Ladekabel an eine der Ladestationen und den Tankstutzen des Autos an. Der getankte Strom wird teilweise in Photovoltaik-Anlagen auf den Bahnhofsdächern erzeugt. Mit der Smartcard aktiviert man den Ladevorgang, schließt damit auch das Auto ab und steigt in den Zug nach Wien ein.

Das Ticket in der App
An der Zugfahrt hat sich freilich nichts geändert, das Ticket aber ist in der App versteckt. Der QR-Code – welcher sich leider nicht zoomen lässt ­- wurde zwar vom Scanner des Schaffners erkannt, konnte aber nicht vom System verifiziert werden. Auch bei der Rückfahrt wurde das Ticket vom System nicht erkannt. Die Schaffner akzeptierten das Ticket aber dennoch.

Auf der Fahrt ist genügend Zeit für „Spielereien“, wie etwa das Mitverfolgen des Ladestandes „seines“ E-Cars. Im Normalfall wird das Auto unter Tags – damit ist der Zeitraum zwischen 7.30 Uhr und etwa 16.00 Uhr gemeint - von einem Unternehmen genutzt. In der Pilotphase sind es entweder die Post, die EVN oder lokale Betriebe. Künftig sollen auch Gemeinden, mobile Sozialdienste und andere Behörden das Auto nutzen. Deren tägliche Kilometerleistung soll zwischen 60 und 80 Kilometer betragen.

Sharing-Paare
Sollte es zu einem Unfall oder Zwischenfall kommen, gibt es eine Hotline, die nicht nur Hilfe leistet, sondern auch den Sharingpartner informiert. Verspätungen kommen sehr selten vor, da die meisten Pendler sehr konstante Arbeitszeiten und Wege haben. Mit jedem „Sharing-Paar“ – also Pendler und Unternehmen – werden aber konkrete Uhrzeiten vereinbart, zu denen das Fahrzeug am Bahnhof verfügbar sein muss. Ist einer unpünktlich, so sind, wie im City-Carsharing üblich, Pönalen zu bezahlen. In der Pilotphase ist es bislang nicht zu Zwischenfällen gekommen. Sollte das Auto aber eines Tages nicht am Bahnhof bereitstehen, so kann man ein Taxi ordern – jedem Teilnehmer steht ein Kontingent an Taxigutscheinen zur Verfügung.

E-Bikes als Alternative zu Öffis
Obwohl man in Wien auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen kann/soll, gibt es für eMORAIL-Kunden auch die Option, E-Bikes oder neuerlich ein E-Car zu nutzen – falls der Zielort mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwierig zu erreichen ist. In Wien-Meidling stehen sechs E-Bikes zur Verfügung. Leider gibt es – was wohl mit dem Pilotprojekt zu tun hat – keine Wegweiser von den Bahnsteigen zu der Station. Derzeit liefert nur die App die Information, dass sich E-Bikes in der Eichenstraße befinden. Hat man die eMORAIL-Station entdeckt, öffnet sich mit der Kombination Smartcard und Code der Balken des gewünschten E-Bikes. Auf einem Touchscreen wählt man aus, welches der verfügbaren Räder man nutzen will.

Fahrradschloss empfehlenswert
Für jene, die noch nie mit einem E-Bike unterwegs waren, sind die Räder gewöhnungsbedürftig. Sofort nachdem man in das Pedal tritt, ist ein relativ starker Schub zu spüren. Mit dem E-Bike geht es zum Arbeitsplatz und dort – mahnt die ÖBB – sollte es mit einem Schloss (das der Kunde selbst mitnehmen muss) abgesperrt werden. Aufpassen sollte man auch bei der Rückgabe der E-Bikes, denn sollte der Fahrer groß und der Sattel dementsprechend hoch eingestellt sein, dockt der Ladeteil nicht bei der Ladestation an. Daher sollte man unbedingt die korrekte Anschlussposition kontrollieren.

Die Rückfahrt nach Edlitz gestaltet sich so unspektakulär wie die Fahrt nach Wien – abgesehen davon, dass das elektronische Ticket  (QR-Code) abermals nicht vom System erkannt wurde. Am Bahnhof angekommen, öffnet man wieder mit der Smartcard das Auto, löst das Ladekabel von Station und Auto und fährt los. Wenn Freitag ist, kann man das Auto das gesamte Wochenende über nutzen.

Sollte ein Unfall passieren, so haftet man bis maximal 199 Euro Selbstbehalt, laufende Services und Technik-Checks sind in der monatlichen Gebühr abgedeckt. Wie im Mobilfunkbereich wird es eine Mindestvertragslaufzeit geben. Wie lange diese sein wird, steht derzeit noch nicht fest.

Fazit
Zielgruppe von eMORAIL sind Pendler, die zwischen sieben und 15 Kilometer (E-Cars) bzw. Weniger als sieben Kilometer (E-Bikes) vom Bahnhof entfernt wohnen. Die Distanz zwischen Bahnhof und Arbeitsort soll mindestens 40 Kilometer betragen. Ideal sind Bahnhöfe, bei denen es einerseits ein hohes Park&Ride-Aufkommen und andererseits genügend Park&Ride-Flächen gibt. Das Pilotprojekt läuft bis Ende Oktober. Nach der anschließenden Evaluierungsphase wird geklärt, ob ein Rollout auf anderen Bahnhöfen stattfinden wird. Am jeweiligen Bahnhof müssten eine Stromzuleitung und ein Fundament für die Ladestationen der E-Cars bereitgestellt werden.

Was eMORAIL monatlich kosten wird, steht noch nicht fest. Derzeit werden die Nutzungsbeiträge vom Fördergeber und den beteiligten Unternehmen gestützt. „Die Ermittlung eines marktfähigen Preises ist eines der Endprodukte des Projekts“, sagt ÖBB-Stratege Reinhold. „Der künftige Preis für das eMORAIL-Paket wird je nach Entfernung zwischen Pendlerwohnort und Arbeitsort individuell berechnet werden.“

Das Tester-Paket beinhaltet praktisch ein Monat Mobilität in Form des E-Car/E-Bike samt Wartung, Reinigung, Versicherung und Strom, das ÖBB-Ticket, ein Smartphone und die eMORAIL-App. Die monatliche Gebühr soll auch zeigen, wo es künftig hingehen wird: Bezahlt wird für die Nutzung, nicht mehr für den Besitz von Fahrzeugen. Es gibt eine Buchung, ein Ticket und eine Abrechnung für alle Verkehrsmittel.

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