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Yelp: Bewertungs-Portal startet in Österreich

"Wir starten immer in Städten, die kulturell relevant sind", sagt Miriam Warren vom Bewertungs-Portal Yelp über die Entscheidung der Firma aus San Francisco, ihren Dienst ab Freitag auch in Wien verfügbar zu machen. "Es ist vielleicht nicht die größte Stadt, aber es gibt eine sehr reiche Geschichte von Architektur, Künstlern und Musikern." Yelp gilt als Vorreiter einer langen Reihe von Webseiten, auf denen die Nutzer Kritiken über Restaurants, Shops oder Museen schreiben und diese Orte nach dem Fünf-Sterne-Prinzip bewerten. Nach Großbritannien, Irland, Frankreich und Deutschland ist Österreich das fünfte europäische Land, das die Bewertungs-Plattform erobern will. Unter Yelp.at sollen sich die Österreicher künftig einfinden, um Kommentare zu ihren besuchten Orten abzugeben oder Einträge anderer Nutzer über interessante Orte nachlesen zu können.

Yelp-Managerin Miriam Warren erläuterte im FUTUREZONE-Gespräch die Grundelemente des Web-Dienstes, Expansionspläne und Geschäftsmodell der US-Firma sowie die Funktionsweisen der neuen Handy-App.

Im Aufbau

Derzeit hält die Plattform bei 38 Millionen Nutzern weltweit, pro Monat sollen etwa eine Million neue User dazukommen. "Zu uns kommt nicht die MySpace-Generation, sondern eine ältere Nutzerschaft", sagt Warren. "Die meisten haben einen Uniabschluss, höheres Einkommen und leben hauptsächlich in Städten." Wie viele Nutzer man in den nächsten sechs Monaten in Österreich gewinnen will, wollte Warren aber nicht verraten.

Im Fokus des Österreich-Starts steht Wien. Dafür hat man einige Tausend POIs bei der Firma Infobel eingekauft (auch Foursquare besorgte sich hier seine Ortsverzeichnisse), damit die ersten Nutzer schon Inhalte finden können. Der Rest soll künftig von den Usern kommen: Diese können eigene Orte (etwa das Stammlokal oder das Lieblings-Café) eintragen. Großes Interesse wird auch von Ladenbesitzern erwartet, die ihre Filialen und Lokale bei Yelp eintragen können. Sie können außerdem einen "Claim" stellen, sollte ihr Geschäft schon von jemand anderem verzeichnet worden sein und bekommen dann das Recht, Informationen über den Ort (z.B. Öffnungszeiten, Speisekarte, Sonderangebote) zu bearbeiten. "Wir wollen, dass wir alle Orte, nach denen Nutzer suchen könnten, in den nächsten zwei, drei Jahren in unserer Datenbank erfasst haben", so Warren.

Für Wien wird derzeit ein Community-Manager gesucht, der Yelp in der Region vermarktet, Events organisiert und Nutzeranfragen bearbeitet. Wer den Job annimmt, der wird übrigens an Yelp beteiligt.

Reviews und Sterne

Seit der Gründung 2004 hat Yelp etwa 13 Millionen Kritiken über eine geheime Zahl an Unternehmen angesammelt. "Viele Leute nutzen Yelp wie einen Lifestyle-Blog und schreiben auf der Webseite einfach über ihre Erlebnisse aus dem Alltag", so Yelp-Managerin Warren. "Weil man öfter Essen als zum Frisör geht, gibt es eben mehr Bewertungen von Restaurants." Das bestätigt auch die Statistik: 29 Prozent der Bewertungen beziehen sich auf Restaurants, gefolgt von Shops (23 Prozent), Schönheitssalons und Fitness-Center (9 Prozent) und Kultureinrichtungen (8 Prozent).

"Viele Leute glauben, dass die Nutzer nur zu uns kommen, um negative Reviews zu schreiben", so Warren, "tatsächlich aber werden bei 85 Prozent der Bewertungen drei oder mehr Sterne vergeben." Die Nutzer würden eher über Orte schreiben, die sie mögen als über solche, die sie nicht mögen. "Aber verstehen Sie das nicht falsch: 15 Prozent von 13 Millionen Kritiken sind immer noch viele negative Reviews." Als freie Wildbahn sollte Yelp allerdings nicht verstanden werden: Ein eigens von der Firma entwickelter Algorithmus überwacht die Kommentare der Nutzer automatisch und siebt jene aus, die wahrscheinlich "Fakes" sind. Für Firmen gibt es keine Möglichkeit, ihnen unliebsame Einträge löschen zu lassen, allerdings wird ihnen erlaubt, auf Kritiken öffentlich oder privat (als Direktnachricht an den Nutzer) Stellung zu nehmen.

Auf Expansionskurs

"Unser Ansatz ist folgender: Wir wollen nicht überall sein, aber dort wo wir sind, wollen wir die wichtigste Quelle für Informationen über Unternehmen sein", sagt Warren. Deswegen fokussiere man immer auf wenige Städte, in denen der Dienst gestartet wird. So sei etwa Austin in Texas ein wichtiger Meilenstein gewesen, weil in der verhältnismäßig kleinen US-Metropole eine lebendige Kunst- und Tech-Szene zu finden sei. Generell wird Yelp durch Werbung finanziert (Firmen können sich die oberste Position in den Suchergebnissen erkaufen), doch der Österreich-Ableger wird vorläufig nicht monetarisiert - die Nutzer bekommen also fürs erste eine werbefeie Plattform zur Verfügung gestellt.

Neben der internationalen Expansion stellen Handy-Apps für Yelp einen wesentlichen Teil der Gesamtstrategie dar. Derzeit nutzen etwa drei Millionen die iPhone-App, etwa ein Drittel aller Suchanfragen werden über das Mini-Programm an Yelp gestellt. Mit Freitag sollte - so Apple will - die Yelp-App auch im österreichischen "App Store" verfügbar sein. Sie erlaubt neben einer GPS-basierten Umgebungssuche auch das immer populärere "Einchecken" in den Geschäften, die man gerade besucht. "Das Check-In-Feature ist für uns weniger wegen dem Spielaspekt, sondern mehr aus Vertrauensgründen wichtig", sagt Warren. "Wenn eine Person zehn Mal in einem Ort eingecheckt hat, sind deren Reviews über diesen Ort sehr vertrauenswürdig." Mit der "Monocle"-Funktion hat die App auch "Augmented Reality" mit an Bord: Geschäfte in der Nähe werden in der Kamera-Ansicht als virtuelle Symbole eingeblendet.

Die Facebook-Connection

In den USA ist Yelp einer der noch wenigen Partner für die "Instant Personalization", der "umgehenden Personalisierung" von Facebook. Diese sieht vor, dass eingeloggte Facebook-Nutzer beim Weitersurfen auf andere Webseiten ihre Daten mitnehmen können. Öffnen sie etwa Yelp.com, werden persönliche Informationen automatisch und ungefragt übermittelt: Name, Foto und Freundeslisten sind dann auch im Yelp-System verfügbar und helfen dem Dienst dabei, die Webseite für den User zu personalisieren, ohne dass dieser neue Eingaben tätigen muss. Für Österreicher ist diese kontroverse Funktion, die Mark Zuckerberg viel Kritik eingebracht hat, noch nicht verfügbar und laut Warren auch nicht für die nächste Zeit geplant.

Mit Facebook hat Yelp übrigens noch eines gemeinsam: Die Risikokapitalfirma Elevation Partners, der auch U2-Sänger Bono Vox angehört, hat Insidern zufolge im Jänner 2010 rund 25 Millionen US-Dollar bei Yelp investiert und wenig später 120 Millionen Dollar für Facebook-Anteile ausgegeben.

(Jakob Steinschaden)

Miriam Warren von Yelp in Wien
Tupalo: Heimische Konkurrenz
"Ja, ich denke ich habe schon mal von ihnen gehört", sagt Yelp-Managerin Miriam Warren über Tupalo. "Wir sind mit ihnen befreundet und freuen uns, dass sie in Österreich starten", sagt Tupalo-Chef Michael Borras über Yelp. "Das belebt den Markt." Sein Dienst www.tupalo.com ähnelt dem von Yelp stark: Nutzer können Restaurants, Cafés, etc. bewerten und eigene Orte eintragen. Gemeinsam mit Partner Herold.at bietet Tupalo 400.000 Einträge, die gratis durchsuchbar sind. Außerdem gibt es Apps für iPhone und Android. Tupalo ist bereits im Heimatmarkt von Yelp tätig: 400.000 US-Nutzer greifen pro Monat auf drei Millionen Einträge von Shops und Restaurants vor allem in Städten zu.
Die Yelp-App für das iPhone

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Jakob Steinschaden

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