© Simone Giertz

Digital Life

Die „Königin der beschissenen Roboter“ im Interview

Ihr erstes Video veröffentlichte die 1990 in Stockholm geborene Erfinderin 2014. Seither macht sie sich mit absurden Basteleien und bizarren Robotern einen Namen. Vor kurzem eröffnet die in Los Angeles lebende YouTuberin, zu deren Vorfahren der Gründer des Telekomkonzerns Ericsson zählt, den Online-Shop Yetch.

Ein Popcorn-Katapult gehört ebenso zu ihren Erfindungen wie ein Wecker, der seine Nutzer aus dem Schlaf ohrfeigt, oder ein Tesla-Pick-up-Truck, zu dem sie ein Tesla Model 3 lange vor der Vorstellung des Cybertrucks umbaute. Seit 2014 veröffentlicht Simone Giertz, die als "Queen of shitty robots" bekannt wurde, auf ihrem YouTube-Kanal Videos ihrer nicht selten absurden Kreationen.

Vor kurzem hat Giertz, die auf dem Online-Videodienst 2,6 Millionen Abonnent*innen zählt, auch einen Shop eröffnet. Auf Yetch verkauft sie unter anderem unvollständige Puzzles, Kalender und Ringe. Die futurezone hat die Makerin Anfang Juni am Rande einer Veranstaltung der Cybersicherheitsfirma WithSecure in Helsinki getroffen und mit ihr über nutzlose Erfindungen, Tesla und das Vergnügen am Basteln gesprochen.

futurezone: Sie haben einen Helm gebaut, der Zähne putzt oder eine Schere zur Lampe umgebaut. Wie kommen Sie auf solche Ideen?
Simone Giertz: Viele meine Projekte beginnen damit, dass ich ein Problem identifiziere, dass ich dann auf die lächerlichste Art und Weise zu lösen versuche. Ich versuche mir vorzustellen, wie das aussehen oder funktionieren könnte. Dann kann ich nicht aufhören, darüber nachzudenken. Ich liege nachts wach und gehe verschiedene Möglichkeiten durch. Mein Gehirn beißt sich an etwas fest, das es erforschen möchte und ich lasse mich einfach darauf ein.

Sie bezeichnen sich selbst als die "Queen of shitty robots". Was fasziniert sie an nutzlosen Dingen?
Ich verwende diesen Begriff mittlerweile nicht mehr, weil ich auch viele andere Dinge mache. Aber ich liebe verrückte Roboter oder nutzlose Dinge immer noch. Der nutzloseste Roboter ist natürlich der, der nicht funktioniert. Man versucht ihn zum Laufen zu bringen, aber es gelingt einfach nicht. Aber so etwas geht im Internet nicht viral.

Stattdessen entwickeln Sie eine Drohne, die Haare schneidet?
Ich will auf möglichst spektakuläre Art scheitern. Das ist schwieriger, als es sich anhört. Zu planen, dass Dinge schiefgehen, ist eine Kunstform für sich. 

Sie haben auch viel mit Arduino gearbeitet. Welche Rolle spielt billige Elektronik?
Am Anfang war sie für mich sehr wichtig. Ich wollte lernen, wie man Dinge programmiert. Als ich das erste Mal eine LED zum Blinken gebracht habe, war das ein religiöser Moment. Ich habe mich gefühlt wie eine Zauberin. Das hat mir die Welt der Elektronik eröffnet. Mittlerweile ist das Teil meines Jobs und ich muss auch nicht mehr auf die Kosten achten.

Sie haben auch ein Tesla Model 3 zu einem Pick-up-Truck umgebaut, weil Tesla keinen Pick-up im Angebot hatte. Wie aufwendig war das?
Es war mein bisher größtes Projekt. Es haben sehr viele Leute daran mitgearbeitet. Ich war zu der Zeit sehr krank und bin die meiste Zeit nur daneben gesessen und habe die Arbeiten koordiniert. Ich kann bis heute nicht glauben, dass er eine Straßenzulassung erhalten hat. Aber ich hatte nie Probleme mit dem Wagen. Truckla hat jedenfalls sehr viel Aufmerksamkeit erregt.

Mittlerweile hat Tesla mit dem Cybertruck selbst einen Pick-up vorgestellt. Was halten Sie von dem Wagen?
Der Cybertruck ist wirklich verrückt. Als ich Truckla gemacht habe, haben sich viele, vor allem konservativere Leute darüber aufgeregt. Es hat geheißen, wie kann man sowas machen? Als aber der Cybertruck vorgestellt wurde, war Truckla plötzlich die konservativere Option.

Wie hat Tesla auf Ihren Truckla reagiert?
Zuerst wollten Sie einen Werbespot damit machen, dann habe ich aber nichts mehr von ihnen gehört. Ich habe schon befürchtet, dass Sie mir Probleme bereiten werden und ich keine Software-Updates mehr bekomme. Dann haben sie mich aber zur Präsentation des Cybertruck eingeladen. Sie haben mich allerdings gebeten, Truckla zu Hause zu lassen.

Was bereitet Ihnen beim Basteln am meisten Vergnügen?
Vergnügen? Es ist ein schmerzhafter Prozess. Wenn man etwas aus meinen Videos mitnehmen kann, dann das, dass man sieht, wie schwierig es ist, etwas umzusetzen. Es fühlt sich immer wie ein Kampf an. Auch wenn ich nichts falsch mache, gibt es immer den Punkt, an dem ich mir sage, ich werde das nie schaffen. Wenn es aber dann doch klappt und aus einem Plan wird plötzlich ein wirkliches Ding, das man Leuten zeigen kann, dann liebe ich das.

Sie wurden oft als Vorbild bezeichnet, sehen Sie sich auch so?
Ich konnte es nie leiden, wenn man mich als Vorbild bezeichnet hat. Ein Vorbild zu sein, macht mir offen gesagt Angst. Damit sind so viele Erwartungen verbunden und es gibt so viele Möglichkeiten, sie zu enttäuschen. Mittlerweile kann ich aber einigermaßen gut damit umgehen und wenn sich jemand durch meine Videos inspiriert fühlt, selbst Dinge auszuprobieren, dann soll das so sein.

Vor kurzem haben Sie einen Online-Shop eröffnet. Wie läuft es?
Eines der Dinge einer Karriere als YouTuberin ist, dass man noch nicht wirklich gesehen hat, was danach kommen soll. Es ist eine junge Branche. Man könnte ins Fernsehen wechseln, Moderatorin werden oder Filme machen. Ich wollte aber schon immer Dinge verkaufen und ich kann YouTube dazu nutzen, mir diesen Traum zu erfüllen. Ich nutze meinen YouTube-Kanal als eine Art Forschungsabteilung. Ich kann Ideen entwickeln und sehen, was die Leute interessiert. Dann übergebe ich es meinem Produkt-Team, die es weiterentwickeln und ich vermarkte die Produkte dann wieder auf YouTube. Es ergänzt sich sehr gut.

Wie schwierig ist der Sprung vom Maker-Projekt zur Massenproduktion?
Es sind 2 komplett unterschiedliche Prozesse. Ob man nur ein Stück von etwas herstellt oder ob man 1.000 oder 10.000 Stück von etwas produziert, ist etwas ganz anderes. Es gibt so viele unterschiedliche Herstellungsprozesse. Sich dabei auszukennen, erfordert ganz andere Fähigkeiten. Aber es macht mir Spaß, das zu lernen.

Was verkauft sich bisher am besten?
Ein Puzzle, das komplett weiß ist und auch nicht mit allen Teilen ausgeliefert wird. Man bekommt nur 499 von 500 Puzzle-Teilen. Es ist das erste offizielle unvollständige Puzzle. Ich weiß nicht, was das über unsere anderen Produkte aussagt, aber davon haben wir bisher am meisten verkauft.

Womit beschäftigen Sie sich gerade?
Es mag vielleicht seltsam klingen, aber ich habe zuletzt viel über Kleiderbügel nachgedacht. Das ist bei mir immer so. Ich beschäftige mich mit Dingen, die mich umgeben, und überlege mir, wofür man sie noch nutzen könnte. Ich denke auch viel über Türen nach. Gibt es andere Funktionen, die sie erfüllen können? Kann man sie als Stauraum nutzen? Oder nehmen Sie eine Gabel. Warum sieht sie aus, wie sie aussieht? Vieles basiert auf Entscheidungen, die Generationen vor uns getroffen haben. Aber die Welt um uns herum ist formbar.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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