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Blogger-Geschichten

Yury Zisser: Weißrusslands "Mann des Jahres"

Der gebürtige Ukrainer Yury Zisser lebt seit 1987 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Mit der Gründung seiner eigenen Blogging-Plattform tut.by hat sich Zisser in den vergangenen Jahren zu Weißrusslands einflussreichstem Mann im Internet hochgearbeitet. Rund zwei Millionen Unique Visitors pro Monat verzeichnet sein Portal, das neben Weblogs auch Messageboards, eine Websuche, Nachrichten und kostenlose E-Mail-Konten vereint. Von den rund 85.000 Blogger des Landes nutzen 12.000 die von ihm gegründete Plattform, die sich zum größten Internetportal Weißrusslands entwickelt hat.

Schwierige Ausgangssituation
"Das Internet ist in Weißrussland enorm wichtig" betont Zisser im Gespräch mit der FUTUREZONE. "Während Offline-Medien zumeist unter enormem Druck der Regierung stehen, ist das Internet nach wie vor ein großteils zensurfreier Raum", so Zisser. Dass die weißrussischen Behörden dies allzu gerne ändern würden, ist allerdings kein Geheimnis. So kündigte Staatschef Alexander Lukaschenko zu Beginn dieses Jahres ein Maßnahmenpaket an, das den staatlichen Organisationen mehr Handlungsspielraum im Netz ermöglicht.

In diesem Zusammenhang wurde eine Behörde geschaffen, die mit der Kontrolle und Regulierung von Online-Inhalten beauftragt ist. Beanstandet diese Behörde Inhalte, müssen sie vom entsprechenden Internet Service Provider innerhalb von 24 Stunden gesperrt werden. Besonders prekär: Jenes Büro untersteht direkt dem höchsten Entscheidungsträger im Staat - Präsident Alexander Lukaschenko. Außerdem muss sich seit Mitte diesen Jahres jeder Internet-User offiziell ausweisen - selbst Besucher von Internetcafés werden nicht verschont. Diese Daten, samt allen Aufzeichnung über Online-Verbindungen, bleiben ein Jahr lang gespeichert.

Blogs und Foren als zensurfreier Raum
Auch ein erstes prominentes Opfer gibt es bereits. Die Webseite der regierungskritischen Zeitung //Vitebsky Kuryer// wurde vom Netz genommen, weil sich die Zeitung weigerte, sich beim Staat zu registrieren. Trotz dieser fragwürdigen Einrichtungen, dürften die Staatsorgane allerdings nach wie vor Restbedenken haben, in einem großen Ausmaß in den Informationsfluss von Blogs und Foren einzugreifen.

"Inhalte von Blogs werden nicht reguliert", berichtet Zisser, auch wenn sich manche User aus Angst vor Konsequenzen wohl oft "selbst zensieren". Zisser glaubt, dass sich die Regierung bei Blogs und Foren zurückhält, da eine zu strenge Regulierung die User zu ausländischen Plattformen treiben könnte. "Damit würden sich diese Inhalte der Kontrolle durch die weißrussische Gesetzgebung erst recht entziehen." Aufgrund der schwierigen Mediensituation glaubt Yury Zisser, dass ziviler Online-Journalismus in Weißrussland folglich einen wesentlich höheren Stellenwert hat als in vielen anderen Ländern.

Die Zukunft liegt im Social Web
Neue Trends haben laut Zisser auch die weißrussische Internet Community nachhaltig verändert. "Ich habe an mir selber bemerkt, dass ich meinen Facebook-Status weit häufiger als meinen Blog aktualisiere und - was viel wichtiger ist - viel mehr und qualitativ hochwertigere Reaktionen erhalte." Gleichzeitig wachse die Facebook-Community in Weißrussland enorm. "Aktuell haben wir 100.000 Facebook-User und diese Zahl steigt monatlich um rund 20 Prozent an. Twitter ist sogar noch populärer."

Man of the Year
Zisser, der in St. Petersburg studierte und dort seinen Abschluss in technischer Informatik machte, führt seinen Blog seit 2006 unter zisser.by und befasst sich, neben ernsten Fragen zu Politik und Netzpolitik, auch mit seinen Hobbys wie Reisen oder Autos. Außerdem gibt es den Bereich "Ask Zisser", wo er manchmal mehr und manchmal weniger ernst auf Fragen der Community eingeht. 2002 wurde Zisser beim "Belarusian Internet Forum" schließlich zum "Mann des Jahres im weißrussischen Internet" gewählt.

Vom World Blogging Forum in Wien erwartet sich Zisser lehrreiche Erfahrungen. "Es ist das erste Mal, dass ich die weltweit bekanntesten Blogger offline kennenlerne. Als jemand, dessen Blog sogar von politischen Entscheidungsträgern gelesen wird, hoffe ich, neue Trends zu erkennen und diese Erfahrung in meine Arbeit in Weißrussland einfließen lassen zu können."

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(Thomas Prenner)

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Thomas Prenner

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Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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