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Analyse

Zynga: Mit Facebook-Spielen auf Börsenkurs

Derzeit geht es Schlag auf Schlag: Nach dem Online-Netzwerk LinkedIn und der russischen Suchmaschine Yandex will jetzt die Internetfirma Zynga aus San Francisco im Juni an die Börse gehen. Populär wurde Zynga für seine Facebook-Spiele “FarmVille” und zuletzt “CityVille”, bei denen mehr als 100 Millionen Nutzer virtuelle Bauernhöfe und Städte aufbauen. Die pixelige Unterhaltung für zwischendurch ist in wenigen Jahren zum Milliardengeschäft geworden: 2011 soll Zynga Insidern zufolge umgerechnet etwa 1,3 Mrd. Euro Umsatz und 450 Mio. Euro Gewinn machen. Zuletzt wurde das Unternehmen mit 1500 Mitarbeitern mit sieben Milliarden Euro bewertet.

Zynga-Chef Marc Pincus (45), der bereits drei Internetfirmen aufbaute und verkaufte, ist sich des langfristigen Erfolgs seiner Online-Games sicher. “Nutzer werden zu jenen Internet-Diensten kommen, die am meisten Spaß machen”, sagte er kürzlich in einem Interview mit dem Magazin Vanity Fair. “Spielmechanismen werden die wichtigste Fertigkeit in der neuen Wirtschaftswelt sein.” Pincus hat leicht reden: Er zählt neben Mark Zuckerberg und Peter Thiel zu den sieben Facebook-Milliardären auf der Forbes-Reichenliste.

Überraschungserfolg
Dass Facebook-Spiele ein derartiger Erfolg wurden, war allerdings nie so geplant. Als Facebook 2007 seine “Platform” für externe Entwickler wie Zynga öffnete, dachte man, dass vor allem nützliche Anwendungen wie Chat-, Productivity- oder Spenden-Apps stark nachgefragt werden. Schnell wurde aber klar, dass Spiele mit Abstand am beliebtesten bei den Facebook-Mitgliedern sind - allen voran jene Kreationen aus dem Hause Zynga. Heute sind drei Zynga-Titel - “FarmVille”, “CityVille” und “Texas HoldEm Poker” - unter den vier populärsten Facebook-Anwendungen, wie Zahlen von AppData zeigen.

Der rasante Aufstieg von Zynga hat die Branche in Euphorie versetzt, und so floriert nicht nur Pincus` Firma: Der Spiele-Riese Electronic Arts kaufte sich 2009 den Facebook-Spieleanbieter Playfish (“Pet Society”) um 285 Millionen Dollar, der Unterhaltungsriese Disney schnappte sich um 400 Millionen Euro den Social-Games-Macher Playdom (“Social City”), und selbst Chip-Gigant Intel investierte kürzlich knapp 23 Millionen Euro bei CrowdStar (“It Girl”). Auch die Musikindustrie hat bereits Lunte gerochen: Lady Gaga nutzte die Popularität von FarmVille zur Bewerbung ihres neuen Albums Nutzer konnten bereits vor dem offiziellen Verkaufsstart von “Born This Way” einzelne Songs freispielen und gratis anhören.

Der Erfolg von Games überraschte übrigens auch auf einer anderen Plattform: Auch Apple rechnete beim App Store nicht mit dem Siegeszug von Spielen. Ein aktueller Blick in die Top 25 zeigt, dass dort sieben Spiele unter den zehn meistgekauften Apps rangieren. “Angry Birds” und “Doodle Jump” stehen stellvertretend für einen boomenden Geschäftszweig.

Wie "social" sind die Social Games?
FarmVille und Co. werden oft als “Social Games” bezeichnet - das rührt weniger daher, weil man sie gemeinsam spielen kann, sondern in erster Linie daher, dass sie in “Social Networks” wie Facebook gespielt werden. Die wichtigeren Erfolgskriterien sind, dass die Facebook-Spiele gratis und in Sekundenschnelle installiert sind. Spieleforscher kritisieren in einem aktuellen Report, dass das Genre weniger soziale Interaktion mit Gleichgesinnten erlaube als vielmehr die Spieler dazu bringe, echtes Geld für virtuelle Güter auszugeben. Die Mechanismen vieler Facebook-Games sollen die Nutzer bei der Stange halten: Virtuelle Gegenstände helfen beim schnelleren Erreichen des nächsten Levels, Neuerungen passieren im Wochenrhythmus, und die Notwendigkeit, mehrmals am Tag ins Spiel zurückzukehren, ist oft gegeben. “Sozial” sind die Games eher nur deswegen, weil die Facebook-Freunde ständig über Spielfortschritte informiert und zum Mitspielen eingeladen werden.

Sind Facebook-Spiele heute noch eher der Kategorie “simpel und niedlich” zuzuordnen und werden zu 60 Prozent von Frauen genutzt, will die Branche in Zukunft auch die so genannten “Core Gamer” (typischerweise eher männlich) gewinnen, die optisch als auch spieltechnisch anspruchsvolle Titel am Computer oder auf Konsolen spielen. Der berühmte Spieleprogrammierer Sid Meier wird noch 2011 “Civilisation World” - mit Hilfe von Zynga - auf Facebook bringen, wie Zeit Online schreibt. Dann sollen bis zu 200 Spieler in 14-tägigen Bewerben gegeneinander antreten. Bis 2013 soll sich dieser “Core Gamer”-Markt auf Facebook verfünffachen - zu Lasten der “traditionellen” Konsolenanbieter Sony und Microsoft.

Viel Kleingeld
Verdienen noch viele Spieleanbieter ihr Geld mit Werbebannern, die in den Games eingebettet werden, liegt die Zukunft der Branche wohl im Verkauf von virtuellen Gütern. “Insgesamt wächst die Bereitschaft, im Internet zu zahlen”, sagt Stephanie Kaiser, Managerin bei Wooga, dem drittgrößten Spieleanbieter bei Facebook mit Sitz in Berlin, im futurezone-Interview. “Der Wille von Konsumenten, für virtuelle Güter zu bezahlen, wird immer größer”, bestätigt auch Helmut Hutterer, Chef der Wiener Spiele-Schmiede “SocialSpiel”, im

mit der futurezone. Sein nächstes Online-Game soll sich ausschließlich über die so genannten Micropayments finanzieren.

Von der Zahlungsbereitschaft der Spieler werden aber nicht nur Zynga, Playfish und Wooga profitieren, sondern auch Facebook selbst.  Alle großen Game-Anbieter (Zynga, CrowdStar, Playfish, Playdom) haben seit 2010 Fünf-Jahres-Vertäge mit dem Online-Netzwerk laufen, ihre virtuellen Güter exklusiv in der Währung Facebook Credits (1 FC = 7 Cent) zu handeln. Ob virtuelles Saatgut, Bäume, Tiere, Gebäude, Dekorationen oder Fahrzeuge: Von jeder Pixel-Ware bekommt Facebook 30 Prozent des Verkaufspreises.

Reale Probleme
Aus Nutzersicht ist diese Entwicklung durchaus problematisch, vor allem bei der jüngeren Spielerschaft. So wurde 2010 in Großbritannien (ein Guardian-Bericht dazu hier) bekannt, dass ein 12-Jähriger bei “FarmVille” umgerechnet 1100 Euro mit der Kreditkarte seiner Mutter verspielt hatte - rückerstattet wurde das Geld damals nicht. Auch Datenschutzprobleme erschüttern derweil das Vertrauen in die Game-Firmen: Wie kürzlich bekannt wurde, waren die Nutzerdaten von 800.000 minderjährigen Playdom-Spielern frei im Internet einsehbar - inklusive echtem Namen, Wohnort und eMail-Adresse. Playdom, das heute Disney gehört, wurde einem Golem-Bericht zufolge von mit einer Geldstrafe von drei Millionen Dollar belangt, der Titel “Pony Stars” eingestellt.

Mehr zum Thema

Tipp: Wer mehr über Facebook-Spiele erfahren möchte, hat dazu am Freitag die Möglichkeit: Ab 19 Uhr diskutieren im Media Quarter Marx (Karl Farkas Gasse 18, 1030 Wien, Gebäude MQM2) Experten zum Thema. Der Eintritt ist frei, mehr Details finden sich beim Veranstalter www.subotron.com.

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Jakob Steinschaden

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