© Carsten Rehder, apa,dpa

Peter Glaser: Zukunftsreich

Apple – The Winz of Change

„Da ist etwas“, sagte mein Besuch. Er zeigte auf meine Schreibtischplatte.

„Da ist überall etwas“, sagte ich, „das ist das Schöne an der Realität. Stell dir vor, an einer Stelle wäre nichts. Du hättest sofort die Wohnung voller Philosophen.“

Eine Handbreit neben dem Punkt, auf den er zeigte, stand mein MacBook und schimmerte professionell. Ich konnte zwar nichts Spezielles erkennen, worauf mein Besuch hätte zeigen können, tat aber so, als wäre da etwas.

„Schatz, hast du den Staub auf meinem Schreibtisch weggewischt?“, piepste mein Besuch. „Ich hatte mir da eine Telefonnummer notiert.“

Große Firma mit kleinen Veränderungen

Mein Besuch nickte. „Ich hab neulich wieder ein Foto gesehen, auf dem jemand zwei verschiedene iPhine, sorry, iPhone-Modelle in den Händen hält“, sagte er. „Die unterscheiden sich in der Dicke ja nur um zwei Millimeter. Mit freiem Auge ist das gar nicht mehr auszumachen.“

„Wie kommt es“, wollte ich wissen, „dass sich eine so große Firma mit so kleinen Veränderungen befaßt?“

Viele wollen immer die große, dramatische Neuerung. Aber in vielen Bereichen lassen sich Grenzen nur noch in immer winzigeren Einheiten verschieben. Im Sport verlagern sich die Leistungsspitzen schon lange in die Nachkommastellen hinein, in Zehntel- und Hundertstelsekunden. CPUs folgen dem Moore‘schen Gesetz, wonach sich die Komplexität der Schaltungen alle anderthalb Jahre verdoppelt. Und auch in der äußeren Form sind digitale Geräte inzwischen in Millimeterregionen angekommen – immer flachere Tablets, leichtere Notebooks, dünnere iPhones. Gerätebezeichnungen wie „Nano“ oder „Air“ weisen den Weg.

Links wie Rohrpost

Das neue iPhone ist sogar wieder einen Hauch dicker geworden. Dafür hat es den 3D-Touch, der es so empfindsam wie eine Seeanemone macht. Links werden damit endlich zu einer abgestuften Angelegenheit. Leicht drücken läßt einen vorab in einen Link reinschauen, mit kräftigerem Druck fährt man dann tatsächlich hin.

Ich und schielte heimlich auf die Stelle, auf die mein Besuch gezeigt hatte, ob da nicht doch vielleicht etwas war. War aber nichts, jedenfalls nichts zu sehen.

Die Links, diese Grundbausteine unseres modernen Online-Universums, waren in ihrer Entwicklung quasi stehengeblieben. Wie bei einer Rohrpost: Klick, auf einer Seite rein, auf der anderen raus, ganz mechanisch. Schon lange wünsche ich mir organische Links, die beispielsweise tagsüber woandershin führen als nachts.

„Das“, sagte mein Besuch, „ist das Feine an Apple.“

Kein soziales Netz, dafür kümmern

Dass es auch darum geht, im sozialen Sinn fein zu sein, gehört mit dazu. Alle wundern sich, dass Apple kein eigenes soziales Netz aufbaut oder Twitter kauft. Das könnten sie aus der Portokassa bezahlen. „Aber die Firma geht das anders an“, sagte mein Besuch. Er wundere sich manchmal, wie auf Apple rumgedroschen werde, wenn irgendwo in einer Zulieferkette ein Problem auftauche, sagen wir: schlechte Arbeitsbedingungen. Apple kümmere sich um diese Dinge. „Wenn man das vergleicht mit den Ausreden und menschenschinderischen Bedingungen, unter denen in Fernost zum Beispiel in der Modebranche gearbeitet wird, ist das doch wie Licht und Schatten.“

„Übrigens will die Regierung in China jetzt wegen des massiven Smogs angeblich ein Ministerium für Umweltvermutung einrichten“, sagte ich.

„Auch wenn ein so großes Unternehmen wie Apple das natürlich aushalten muß, wenn es scharf kritisiert wird“, sagte der Besuch, „finde ich vieles fein, was sie machen. Nicht schick oder modisch oder gut designt. Fein.“ Er erwähnte die detailtiefe Ökobilanz, die für Apple-Produkte aufgestellt wird - Energieverbrauch, Verpackung, Aufwand für die Peripherieproduktion. Transport. Recycling. Kein PVC mehr. Versorgung aller Apple Stores und der stromfressenden Data Center durch erneuerbare Energien.

FBI-Führungskräfte ärgern sich

„Sie lehnen sich auch mit einer soliden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für iMessage und Facetime aus dem Fenster“, sagte der Besuch. „Und ich glaube nicht, dass die verärgerten Bemerkungen von FBI-Führungskräften dazu PR-Maßnahmen sind.“

Ich nahm nochmal die Stelle auf meinem Schreibtisch unter die Lupe. „Sie erfinden bei Apple nicht ständig aus Erfindungszwang neue Dinge“, sagte ich und zeigte auf den Schreibtisch. „Da ist etwas. Es ist so fein, dass man es gar nicht sehen kann.“

„Dieser Anblick ist in deinem Land leider nicht verfügbar“, sagte mein Besuch monoton.

„Als Apple-Mensch merkt man, dass da was ist“, sagte ich.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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