So soll Apples neues Hauptquartier im kalifornischenCupertino aussehen
So soll Apples neues Hauptquartier im kalifornischenCupertino aussehen
© City of Cupertino/Wired

Peter Glaser: Zukunftsreich

Das iLand

Mein Besuch setzte sich eine goldene Papierkrone auf, die ein Kind in dem Schnellrestaurant vergessen hatte, in dem wir saßen. Er sah damit aus wie eine Campingversion von Harald Glööckler. Vor mir stand ein Fischburger mit Remoulade.

„Wenn es in Amerika einmal einen König gibt, wird er King Size heißen“, sagte ich.

Mein Besuch klopfte zufrieden auf seinen Bauch: „Oder Dick Tator.“

„Kingking“, sagte das iPhone in meiner Hemdtasche.

„Was wäre eigentlich, wenn Apple ein Staat wäre?“ Ich fand den Gedanken interessant.

„Wie, Staat? Apple ist eine Firma.“

„Staaten werden doch seit Jahren immer mehr ökonomisiert und privatisiert. Und du mußt dir die Dimensionen vergegenwärtigen, wenn es um die Unterschiede zwischen Staaten und Unternehmen geht. Griechenland braucht in den nächsten drei Jahren 86 Milliarden Euro. Um eine ganze Volkswirtschaft am Leben zu erhalten. Apple hat doppelt so viel an Rücklagen. Tim Cook könnte zweimal Griechenland kaufen.“

„Aber warum sollte eine Firma einen Staat kaufen?“

„Wie wäre es damit: Griechenland kann seine Schuldenlast deutlich verringern und Apple darf dafür mit Steuervergünstigungen rechnen, so wie das bisher in Irland der Fall war. Das Europa-Hauptquartier von Apple wird nach Athen verlegt und durch die niedrigen Löhne eine boomende IT-Industrie am Peloponnes in Gang gesetzt.“

„This LAN is my LAN“, sang mein Besuch, „this LAN is your LAN“, und spielte dazu Luftbanjo.

Schlangestehen wäre plötzlich total angesagt

„Wäre Apple ein Staat“, sagte ich, „würde die Weltbank ihn auf Platz 54 ihrer Liste der Staaten mit dem höchsten Bruttonationalprodukt führen. 194 Milliarden Dollar. Momentan steht da Neuseeland.“

„Man soll nicht Kiwis mit Äpfeln vergleichen“, mein Besuch nahm die Krone ab und versuchte, sein Gesicht in der gebogenen Goldfolie zu erkennen. Ich schaute meinen Fischburger an und der Fischburger mich. „In Griechenland soll ja jetzt angeblich sogar eine Meerwärtssteuer eingeführt werden.“

Mein Besuch schloß die Augen und lächelte. Er hatte eine Vision. „Wäre Apple ein Staat, dann wäre als erstes das Schlangestehen plötzlich total angesagt. Auch bei Behörden.“ Er versuchte, mit einem Zacken seiner Krone ein Stück von meinem Brötchenfisch zu harpunieren.

Atomtests und Arbeit in China

Während des Antitrust-Verfahrens gegen Microsoft in den Neunzigerjahren gab es eine Pressemeldung, dass die Firma einen unterirdischen Atomtest durchgeführt habe, um die Untersuchungskommission umzustimmen. Als China von Google verlangte, seine Suchergebnisse der Zensur zu unterwerfen und Google sich weigerte, sahen viele das schon als eine Art diplomatischen Akt zwischen zwei Staatsgebilden und Google als Außenministerium des Internets. Bei Facebook haben sie inzwischen aufgehört, Einwohnerzahlen zu vergleichen. Mit knapp 1,4 Milliarden Bewohnern wäre das jetzt die größte Nation der Welt.

Apple trifft inzwischen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch immer mehr politische Entscheidungen. Greenpeace lobt Apple für sein Engagement bei nachhaltigen Energien. Die Arbeitsbedingungen bei den chinesischen Zulieferern werden verbessert. Apple schützt die Privatsphäre seiner Stammeszugehörigen mit konsequenter Verschlüsselung besser als der Staat. Privatsphäre sei ein grundlegendes Menschenrecht, sagt Tim Cook. „Wir sollten es nicht aufgeben“, etwa wegen Angstmacherei im Anti-Terror-Kampf.

„Staatstragender geht‘s doch kaum noch“, sagte ich.

Wie soll ein Apple-Staat heißen?

„Ja“, stimmte mein Besuch mir scheinbar zu. Er legte die Krone weg und amüsierte sich stattdessen königlich. „Wie wollen wir den neuen Apple-Staat nennen?“

„,Jobs‘ wäre natürlich schon aus wirtschaftlichen Gründen ein traumhafter Name für die neue Nation.“

Apple Country“, schwärmte ich. „Freiheit und Abenteuer. Nikotinfrei.“

„iLand.“

„Das Land, in dem sie mit allem rechnen müssen.“

„Staaten werden künftig gar nicht mehr in der Lage sein, zugleich Sicherheit und digitale Bequemlichkeit zu bieten“, sagte der Besuch. „Bis Politiker begriffen haben, was Convenience ist, sind wir alle tot. Logisch, dass es jemanden geben wird, der einem das bietet – ganzheitlich. So wie man heute sagt: Ich bin Österreicher oder Amerikaner, wird man dann sagen: Ich bin aus iLand.“

Der Krieg – Vater aller Flecken

Dann nahm ich den Fischburger in Angriff. Einmal im Jahr esse ich sowas um zu sehen, ob ich es schaffe, ohne dass auf allen Seiten gleichzeitig Remoulade herauskommt. Eine Art Lebensbefähigungsprüfung. Ich ging in den Opensauce-Kontrollmodus und biß in das weiche Backwerk. Remoulade tropfte auf meine Hose und hinterließ einen Fleck in der Form des künftigen Apple-Hauptquartiers.

„Und schau dir doch die neuen, großen Herausforderungen wie die Cyber-Kriegführung an“, dozierte der Besuch. Wir schauten uns stattdessen aber den Fleck auf meiner Hose an. „Das wirft die Frage auf, ob Regierungen und ihre Bürokratien einer solchen Aufgabe überhaupt gewachsen sind.“

Apple wird nicht in die Cyber-Kriegführung einsteigen“, sagte ich erschrocken. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Ein Staat muß das aber.“

Naja, und wenn, dann würde Apple das auf jeden Fall effizienter hinnekommen. Das Pentagon hat 81 Monate gebraucht, um ein bestelltes neues Computersystem zum Laufen zu kriegen. Das iPhone wurde in 24 Monaten entwickelt.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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