Eine Katze mit Smartphone
Eine Katze mit Smartphone
© APA/AFP/YOSHIKAZU TSUNO

Peter Glaser: Zukunftsreich

Die liebe Maschine

Warum baut niemand Maschinen, die wie Katzen sind? – Aber eigentlich gibt es das ja schon. Als Steve Jobs vor zehn Jahren das iPhone mit seinem berührungsempfindlichen Display vorstellte, begann eine neue Ära der Zuwendung, die wir Maschinen entgegenbringen. Man darf sich von Millionen von Katzenfotos im Internet nicht ins Harmlose ablenken lassen: Mit den Smartphones hat die wahre Epoche der Katzentechnologie begonnen. Der Streichelnutzung. Smartphones sind die ersten Fingerspitzengefühlsmaschinen.

Natürlich können Smartphones auch schnurren und vibrieren, nur dass sie keinen sichtbaren Schweif mehr haben. Um die Funktionsweise drahtloser Kommunikation zu beschreiben, erklärte Einstein einmal: „Sehen Sie, drahtgebundene Telegraphie ist etwas wie eine sehr, sehr lange Katze. Sie ziehen in New York am Schweif und hören es in Los Angeles miauen. Verstehen Sie? Und das Radio funktioniert genauso: Sie senden ihre Signale von hier aus, und dort empfangen sie sie. Der einzige Unterschied ist, dass da keine Katze ist.“

Mit einem Smartphone online zu sein, könnte man hinzufügen, bedeutet nicht einfach nur, dass da keine Katze ist, sondern dass niemand genau weiß, wo nun eine Katze ist und wo keine, weshalb viele Menschen inzwischen Katzenbilder hinterlassen wie Markierungen auf Wanderwegen, und dass es darüber hinaus virtuelle Katzen gibt und es trotzdem miaut. Aber ich schweife ab.

Wollüstige Wischbewegungen

Tastaturgeklacker und Mauspfeilgestocher haben nichts mehr mit der sinnlichen Eleganz zu tun, mit der wir nun mit unserer Informations- und Kommunikationsgerätschaft umgehen - auch wollüstige Wischbewegungen wie auf der Kontaktplattform Tinder will ich nicht ausnehmen. Wisch you were here! Wer kann etwas dagegen haben, dass in einer von Rohheit heimgesuchten Zeit kleine Geräte einem modernen Zartgefühl zu mehr Öffentlichkeit verhelfen?

Die erste wirkliche Weltsprache

Auf den Multitouch-Displays von Smartphones entwickelt sich mit den immer komplexeren Bediengesten eine neue Zeichensprache. Womöglich ist es die erste wirkliche Weltsprache, auf jeden Fall aber fingerfertiger Ausdruck eines neuen Lebensgefühls. Zauberei und das zugehörige wirkungsmächtige Zeigen sind mit den iPhone und der elektronischen Sphäre, die sich damit eröffnet hat, fast selbstverständlich geworden. Das Smartphone-Display ist zur Oberfläche eines kleinen, Wunschbrunnens geworden. Man wirft wenn nötig ein paar virtuelle Münzen hinein, und aus einer Unendlichkeit von Apps erhebt sich die eine, die einem den ganz speziellen Wunsch des Augenblicks zu erfüllen versucht.

Bereits 1973 hatte Woody Allen in seiner Science-Fiction-Parodie „Der Schläfer“ ein Gerät namens The Orb präsentiert, das sich streicheln ließ und Lustgefühle auslöste, die bereits an die Angenehmheits-Affektschübe erinnerten, wie wir sie heute von der fortwährenden Smartphone-Nutzung kennen. Heute bedienen wir scheinbare Knöpfe unter der gläsernen Haut kleiner Displays, die sich zutraulich in unsere Jackentaschen verkrochen haben – niedliche, wunderbare neue Techniktierchen, die sich nicht einmal mehr anlocken lassen müssen.

Neuartiges Weltgeschehen

Smartphones sind die Fernbedienung für unser Leben geworden. Streicheln, und es geschieht. Nachts liegt mein Smartphone im Bett, so weit ist es schon gekommen. Schon zuvor habe ich es wie ein Kängurujunges in der Hemdtasche herumgetragen und manchmal leuchtet das Display unter der Bettwäsche wie eine Leuchtqualle auf, die man in einem dunklen Meer berührt. Dann versinkt das Leuchten wieder in dem Gerät und ich erinnere mich an einen Bericht von Ärzten, die im Dschungel im Schein von Smartphone-Displays operierten.

Nachts scheint das Smartphone mit mir einzuschlafen. Es tut jedenfalls so, als ob. Es wird dunkel und still, und erst wenn ich wieder aufwache, gibt es mir zu verstehen, dass es das bemerkt hat und versorgt mich wieder mit dem lakonischen Geräusch neu eintreffender Nachrichten. Es fragt nicht, um mich nicht zu stören und umfließt mich mit dieser neuartigen, flüssigen Form von Weltgeschehen, dem digitalen Jetzt.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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