© Wilhelm Schraml

KOMMENTAR

Google Books ist Geschichte

Google Books, oder wie sich Google Books immer sonst noch genannt haben und nennen mag, Google Book Search, Google Editions etc., ist Geschichte. Mit dem jetzigen Beschluss des New Yorker Richters Denny Chin sind auch die letzten Zweifel beseitigt worden, es könnte für Google irgendeine rechtlich gedeckte Möglichkeit geben, Autorenrechte - durch Aneignung per nachträglichem Vergleich mit allen, die sich nicht rechtzeitig hinausreklamiert haben - an sich zu ziehen und per nachträglicher Abspeisung zu entlohnen.

Gesetze gelten auch für Google
Egal, wie viele Millionen Bücher Google bereits digital erfasst hat, 10 Millionen, 15 Millionen, und ab dem Zeitpunkt einer gerichtlichen Genehmigung, denn nichts anderes wäre der angestrebte Vergleich ja gewesen, augenblicklich im Volltext freigeschaltet hätte, um sie zur weiteren Verwertung für sich zu nützen, Google ist ab sofort genauso wie jeder andere in Europa und in den USA den Spielregeln des europäischen Urheberrechts und des angelsächsisch-amerikanischen Copyrights unterworfen.

Will Google von nicht mehr lieferbaren genauso wie von lieferbaren Werken Rechte verwenden, ist das nur über den Erwerb der Rechte in jedem einzelnen Fall möglich. Ob sich nun Autoren und andere Rechteinhaber bei Google melden, die das möchten, oder Google an die Autoren selbst herantritt, ist letztlich egal, Google muss nun wie jeder Rechtenutzer individuelle Vereinbarungen treffen und also genau das tun, was Vertreter technisch lösbarer Rekrutierungsverfahren am wenigsten gern haben, sich um Inhalte und Prozesse kümmern, die nicht rein technischer Natur sind und nicht automatisch ablaufen.

Das Unmögliche wurde möglich
Noch vor zwei Jahren war unvorstellbar, dass von dem von Google angestrebten Vergleich auch alle jemals registrierten Bücher aller europäischen Autoren einbezogen sein könnten, nach der schockartigen Registrierung des Gegenteils galt es zwar immer noch als aussichtslos, sich gegen die Rekrutierung durch Google erfolgreich zur Wehr setzen zu können, es führte aber immerhin zum Versuch einer Gegenwehr. Zwei Jahre später und nach dem ersten Rückzug von Google auf Rechte in den englischsprachigen Ländern hat sich die Allianz aus europäischem Urheberrecht und amerikanischem Wettbewerbsrecht als nicht zu schlagen für Google erwiesen. Google durfte sich weder den von ihm durch Nichtbeachtung der rechtlichen Voraussetzungen erwirtschafteten Wettbewerbsvorteil verschaffen noch Rechte verwenden, ohne sie zuvor eingeholt zu haben.

Das Ende der Kultur-Flatrate
Unfreiwillig hat sich damit Google zum Beschleuniger der Weiterentwicklung des europäischen Urheberrechts und zum Begünstiger von europäischen Urheberrechtsprinzipien im angelsächsischen Copyrightsystem gemacht. Auch nach US-Recht wird es zukünftig nicht mehr so leicht möglich sein, von pauschalen Rechteübertragungen auszugehen, wenn individuelle Rechtevereinbarungen getroffen werden können. Und im EU-Recht wird es zum raschen Schließen von Rechtslücken kommen, wie vor allem beim Umgang mit den so genannten verwaisten Rechten, also jenen Rechten, wo keine Rechtsnachfolger und/oder Erben festzustellen sind. Anzunehmen ist, dass sich damit auch die Idee der Kultur-Flatrate, der pauschalen Abgeltung von jedweden auf das Netz bezogenen Rechtenutzungen erledigt hat. Erledigt hat sich mit Sicherheit auch die Idee der honorarfreien Nutzung von Werken und der dafür vorgesehenen prozentuellen Beteiligung an den Werbeeinnahmen. Mit so hübschen Nebeneffekten, dass man zwar gegen alles mögliche anschreiben kann, aber vielleicht gerade von denen honoriert wird, gegen die man anschreibt.

Der Anfang vom Ende
Da der Erfolg von Google zu einem nicht unerheblichen Anteil darin besteht, die Realität nach den eigenen Möglichkeiten zu gestalten, ist zu erwarten, dass das Interesse von Google an seinen diversen für Bücher vorgesehenen Plänen bald nachlassen, wenn nicht überhaupt erlöschen wird. Derzeit verfügt Google nur noch über die Möglichkeit, mit Bibliotheken Kooperationen einzugehen, die dem Unternehmen - je nach den gesetzlichen Voraussetzungen in den jeweiligen Ländern - ermöglichen, so genannte frei gewordene Werke, also Werke, deren Urheber bereits seit mehr als 70 Jahren tot sind, zur Verwendung für Google Books oder bei Google Editions heranzuziehen. Oder aber über eine zweite, was die Aktualität des Programms betrifft zwar attraktivere, aber die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen noch mühsamere, Partnerschaften zur digitalen Verwertung mit Verlagen einzugehen. Dabei wird sich Google allerdings eher in die Zukunft orientieren müssen, denn in so gut wie allen Fällen sind die Rechte von vergriffenen Büchern wieder an die Autoren zurückgefallen oder wurden bis vor ein paar Jahren keine Vergaben von digitalen Rechten in den Verlagsverträgen vorgesehen und können die Rechte somit genauso nur bei den Autoren erworben werden.

Google hat verloren
Es ist aber ohnehin auch schon vor dem jetzt zurückgewiesenen Vergleichsvorschlag deutlich stiller um die Buchvermarktungspläne von Google geworden. Wer in den letzten Wochen vor dem Vergleich in den Google News nach Google Books gesucht hat, konnte statt der in den letzten zwei, drei Jahren täglich Dutzenden bis manchmal Hunderten Meldungen mitunter schon mehrere Tage lang ohne jede neue Nachricht über Google Books & Co. bleiben. Dass die Pläne von Google mit Google Books, wie von zahlreichen Medien gemeldet wurde, nun nur „einen Dämpfer erhalten haben“ sollen, liest sich fast schon wie eine Schlagzeile, die Google selbst verfasst haben könnte, um, wie das heute wieder einmal der Fall ist, in Hunderten von Meldungen auf sich aufmerksam zu machen. Tatsache ist, dass Google die Auseinandersetzung mit den europäischen Autoren und Verlagen endgültig verloren hat und dass dem Unternehmen zudem nicht nur die vielen Tausenden Autoren und Verlage aus den englischsprachigen Ländern, die auch bisher schon dem Vergleich nicht zugestimmt haben, abhanden gekommen sind, sondern auch alle anderen.

Mehr zum Thema

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare