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Google+: Privatsphäre im Web bleibt Illusion

Endlich gibt es eine Facebook-Alternative mit Potenzial: So in etwa lautet der Grundtenor (Reaktion von Social-Media-Experten

) von Internetbeobachtern zum
. Völlig außer Acht wird dabei gelassen, dass sich damit das Grundproblem der Online-Netzwerke nicht lösen wird. Ob man seine im Schnitt 130 Kontakte bei Facebook mühselig in Listen - “Freunde", “Lehrer”, “Arbeitskollegen” - aufteilt oder in Zukunft nach “Circle”-Körbchen bei Google+ sortiert - Technologie wird bis auf weiteres nicht imstande sein, echte Beziehungen auch nur annähernd adäquat abzubilden. Den einen Tag auf die Freundin angefressen sein und es am nächsten bitter bereuen - dafür wurde noch keine Privatsphäre-Einstellung erfunden.

Bei Google+ wird Privatsphäre nicht besser aufgehoben sein als bei Facebook. Das, was uns die beiden Internetriesen und tausend andere Internetfirmen als “sozial” verkaufen, ist bloß eine nette Umschreibung für das Veröffentlichen von Privatem in Bild, Text und Video. Je mehr neugierige Nasen das sehen wollen, umso besser - sie bleiben stundenlang auf den Webseiten hängen und bekommen dort - zum Teil als Freundesempfehlungen getarnte - Werbung aufgetischt. Jeder Klick zählt: Facebook macht damit 2011 Schätzungen zufolge etwa vier Milliarden Dollar Umsatz.

Interessen abfragen
Google begibt sich schon auf Horchposten: Bei "Sparks" sollen Google+-Mitglieder ihre Interessen verkünden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Google diese Daten - anonymisiert, versteht sich - heranziehen, um die kontextuelle Werbung von AdWords (der Nutzer tippt ein, was in interessiert) um behaviourale Werbung (der Werber weiß schon, was den Nutzer interessiert) aufzumotzen.  

In den Schulklassen, vor denen ich gelegentlich Vorträge über Facebook halte, kehren indes (nebst Interesse am Coolness-Faktor von Mark Zuckerberg) die immer gleichen Fragen wieder: Wie lösche ich ein Party-Foto, eine ungünstige Statusmeldung, mein Profil? An die vergegaukelte Privatsphäre, mit der Facebook und Google sie in Sicherheit wiegen wollen, glauben die Jugendlichen und ihre Lehrer nicht so recht. Dafür gibt es zu viele Negativgeschichten, aktuell etwa der

der 18-jährigen Kärntnerin, die vom eigenen Vater für einen Facebook-Eintravor Gericht gezerrt wurde.

Schüler wie alle anderen Mitglieder dürfen Online-Netzwerke auch künftig nicht als intime Freundeskreise sehen, sondern als neue Öffentlichkeit: 99 Prozent von dem, was man ins Web schreibt, ist öffentlich - inklusive aller Konsequenzen.

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Jakob Steinschaden

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