© Stephen Cummiskey

KRITIK

Oper in 3-D: Enttäuschendes Puppentheater

3-D sorgt spätestens seit James Camerons Avatar für klingelnde Kinokassen und Besucherrekorde. Aber auch im TV-Bereich haben sämtliche Gerätehersteller (zu früh) auf den aufkommenden Hype gesetzt und TV-Geräte auf den Markt geworfen, die ohne entsprechenden Blu-ray- und TV-Content nun ein trauriges Dasein fristen. Bis heute gibt es etwa nicht einmal die 3-D-Version von Avatar regulär als Einzel-Titel im Handel zu kaufen.

TV-Sender als Vorreiter
In die Bresche springen nun aber nach und nach TV-Sender wie Discovery Channel oder Sky, die ihrerseits auf 3-D-Produktionen und Live-Übertragungen setzen. Konzentrierte sich Sky bisher vor allem auf Sportübertragungen, Filme und Konzerte, konnte man mit der dreidimensionalen Opern-Ausstrahlung eine echte Weltpremiere feiern. Die Produktion der English National Opera wurde live in den Sky-3D-Channel eingespeist.

Beim Thema 3-D scheiden sich ohnehin die Geister. Nicht wenige berichten gerade im Kino von Kopfweh und Übelkeit, und auch die erforderliche Zusatzbrille wird von vielen als störend empfunden. 3-D auf dem Fernseher ist für die Seh- und Rechenleistung des Gehirns aufgrund des kleineren Bildschirms weniger beanspruchend. Gleichzeitig reichen die tatsächlichen 3-D-Effekte aber auch nicht annähernd an das Erlebnis im Kino heran.

Abgesehen von den technischen Einschränkungen, die ein 47-Zoll-Fernseher - in diesem Fall ein LG LD 920 - mit sich bringt, zeigt bereits der Prolog die Problematik. Um die Dreidimensionalität der großen Bühne einzufangen, vertraut der Regisseur auf viele Widescreen-Shots, die neben den Protagonisten im Vordergrund den Chor sowie einen einsam drapierten Bühnen-Baum im Hintergrund zeigen. Der Effekt irritiert. Während der Hintergrund aufgeblasen und verschwommen wirkt, erscheinen die Protagonisten in gestochen klarem Bild wie vor einem Bluescreen aufgenommen und vorne eingefügt.

Puppenhaus-Atmosphäre
Generell macht der 3-D-Effekt bei Nahaufnahmen bessere Figur. Von der Weite wirken die Sänger, aber auch ganze Bühnenelemente seltsamerweise wie in einem Puppenhaus, was den großen Bühnenraum der English National Opera seltsam konterkariert. Dazu kommt, dass die Regie äußerst statisch agiert. Schon bald drängt sich die Frage auf, welchen Mehrwert der minimale 3-D-Effekt dem Zuschauer bei dieser Inszenierung bietet - zumal man dafür die 3D-Brille und den besagten Verkleinerungseffekt in Kauf nehmen muss.

Am besten funktioniert das Konzept im zweiten Akt, in dem die Bühne von einem aufwendig gestalteten meterhohen Renaissance-Doppelthron mit Stufen dominiert ist. Hier kommen die unterschiedlichen Perspektiven gut zur Geltung und erzeugen eine gewisse Dynamik trotz der weiterhin statischen Kameranutzung, die durch den statischen Charakter der Inszenierung noch verstärkt wird.

Inwiefern die wenig harmonierenden Sänger- und Sängerinnen - allen voran Claire Rutter als Fürstin Lucrezia und der junge amerikanische Tenor Michael Fabiano - sowie die altbacken anmutende Inszenierung das ihre zum fahlen Beigeschmack beitragen, sei dahingestellt. Beim von Sky Österreich organisierten Public Screening zeigten sich die Zuseher sowohl von der technischen als auch der musikalischen Umsetzung ein wenig enttäuscht.

Oper als lebendige Kunstform
"Die Möglichkeiten, die sich durch neue Technologien wie 3-D ergeben, sind natürlich fantastisch", meint die Opern-Sopranistin Alexandra Reinprecht im Gespräch mit der FUTUREZONE. Eine TV-Übertragung oder DVD-Produktion könne zwar das Live-Erlebnis in einem Opern- oder Theaterhaus nicht ersetzen. Alles, was der Oper helfe, eine lebendige Kunstform zu bleiben und Leute auf vielseitige Weise anzusprechen, sei in jedem Fall begrüßenswert.

"Eine verstaubte Produktion bleibt aber auch bei einer 3-D-Übertragung eine verstaubte Produktion", merkte Reinprecht jedoch kritisch an. Unabhängig von den technologischen Möglichkeiten und dem Aufführungsort wünscht sie sich von Regisseuren wieder mehr Mut zu genauen Charakter- und Milieustudien.

Fazit
Ob eine Oper für eine 3-D-Übertragung prädestiniert ist, lässt sich nach dieser Ausstrahlungs-Premiere kaum schlüssig beantworten. Zu statisch und brav wirkten Inszenierung und Regie, um wahre Begeisterung aufkommen zu lassen. Dass Sky sich bei 3-D thematisch nicht auf Sportübertragungen und zugekauften Dokus und Filmen ausruht, ist positiv hervorzuheben. Für die Zukunft bleibt allerdings zu hoffen, dass die technologischen Möglichkeiten mit noch mehr kreativem Mut eingesetzt werden und die künstlerische Qualität einer derartigen Opernproduktion nicht zum Beiwagen des 3-D-Labels verkommt.

Ausstrahlungstermine:
- 13.03.2011, 20.15, Sky 3D
- 16.03.2011, 20.15, Sky 3D
- 19.03.2011, 17.35, Sky 3D
- 24.03.2011, 20.15, Sky 3D

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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