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Peter Glaser: Zukunftsreich

Rein oder raus?

Es ist ein bisschen wie in dem James-Dean-Film „… denn sie wissen nicht, was sie tun“, in dem der jugendliche Held beklagt, dass seine Eltern sich nicht einigen könnten – „Ihr macht mich alle verrückt! Er sagt etwas. Dann sagt Sie etwas anderes. Und dann geht wieder alles von vorne los.“

Im Arbeitsleben des 21. Jahrhunderts hört sich das dann so an: Erst heißt es Telearbeit! Jeder der will, kann zu Hause arbeiten, oder wo auch immer er möchte. Es geht nicht mehr um Anwesenheitspflicht und Zeiterfassung, sondern um Resultate. Die Produktionsmittel der Informationsgesellschaft, Laptop und Smartphone, kann man sich einfach unter den Arm klemmen oder in die Jackentasche stecken. Man fährt nicht mehr zur Arbeit und kommt erledigt nach Hause, sondern die Arbeit kommt durch die Datenleitung oder per WLAN angefahren und begibt sich danach erledigt wieder zurück.

Die Magie der persönlichen Begegnung

Dann kommt die neue Yahoo-Chefin Marissa Mayer und ordnet an, dass alle Teleworker wieder in die Firma müssen – so geschehen im Sommer 2013. Das sei besser für‘s Teambuilding. Und es gebe da, schrieb sie den rund 11.500 Mitarbeitern ins Stammbuch, „diese besondere Magie“, wenn Leute einander persönlich begegnen.

Nicht nur Menschen, die täglich viel Zeit im Berufsverkehr verplempern, fragten sich, was eigentlich hinter dieser Anordnung steckte, die viele als „Rückkehr in die Legebatterie“ empfanden. „Um der absolut beste Arbeitsplatz zu werden, sind Kommunikation und Zusammenarbeit besonders wichtig“, schrieb Mayer in einem Memo. „Wir müssen daher Seite an Seite arbeiten. Aus diesem Grund ist es unumgänglich, dass wir alle in unseren Büros anwesend sind.“

Katzenvideos statt Karriere

Es hatte Fälle von grobem Missbrauch beim Teleworking gegeben. Einer der bekanntesten war ein Programmierer namens „Bob“, Mitarbeiter bei einem amerikanischen Netzwerkausrüster. Er ließ eine chinesische Firma seine Software-Entwicklungsarbeit fortführen. Während die Chinesen - bedeutend billiger - seine Arbeit machten, schaute er sich Katzenvideos an, stöberte bei Ebay – und bekam begeisterte Reaktionen auf seine „Arbeit“.

Kurz nach Yahoo kündigte das wirtschaftlich angeschlagene Elektronik-Handelsunternehmen BestBuy an, gleichfalls seine flexiblen Arbeitsplatzregelungen am Hauptsitz des Unternehmens aufzuheben und mit den etwa 4000 Verwaltungsmitarbeitern zur traditionellen 40-Stunden-Woche zurückzukehren. Das war umso ungewöhnlicher, als Best Buy internationale Aufmerksamkeit zuteil geworden war, als die Firma 2005 ein Programm namens Results Only Work Environment (ROWE) begonnen hatte. Das Kürzel wurde zum Schlagwort. Dabei mussten Mitarbeiter nur noch die geforderten Arbeitsresultate erbringen, festen Arbeitszeiten oder Anwesenheitspflicht im Büro gab es nicht mehr.

Oder doch wieder wo man möchte?

Dann kommt Microsoft und nimmt sozusagen die Zurücknahme zurück – los, wieder raus aus den Büros! Anfang Oktober letzten Jahres wurde der Grundstein für die neue Deutschland-Zentrale des Unternehmens in München gelegt. Zwar werden auf sieben Etagen 26.000 Quadratmeter Bürofläche zur Verfügung stehen. Für die rund 1900 Mitarbeiter würde es trotzdem knapp, wenn alle kämen, denn die Zahl der fest installierten Arbeitsplätze wurde deutlich reduziert. „Die Art des Arbeitens hat sich verändert", so Deutschland-Chef Christian Illek. „Man ist weg vom stationären Arbeitsplatz.“

Microsoft hat stattdessen für seine Beschäftigten feste Arbeitsplätze mit Anwesenheitspflicht abgeschafft. Künftig gibt es einen „Vertrauensarbeitsort", das heißt, den Mitarbeitern bleibt selbst überlassen, ob sie von unterwegs, von zu Hause oder vom Büro aus arbeiten. Auch feste Arbeitszeiten gibt es keine mehr. Ganz so neu ist der Ansatz aber nicht: Feste Arbeitszeiten hat man bei Microsoft schon 1998 abgeschafft. Mit ein Grund für das großzügige Angebot mag auch die Entscheidung gewesen sein, sich in Deutschland auf drei Hauptstandorte in München, Köln und Berlin zu konzentrieren. Niederlassungen in drei anderen Städten werden aufgelöst – ohne die freie Arbeitsplatzwahl wäre hier wohl mit wesentlich mehr Unmut unter den Mitarbeitern zu rechnen gewesen.

Smarter Working

Ist Telearbeit gut für die Produktivität oder nicht? Eine Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Professor Ravi S. Gajendran von der Universität Illinois sagt ja – mit Einschränkungen. „Als Yahoo seine Regeln geändert hat, gab es eine breite Debatte zu dem Thema, aber es gab kaum Untersuchungen und handfeste Daten. Wir haben jetzt Material, das darauf hinweist, dass Telearbeiter gute Leistungen bringen und auch gute Teamplayer sind.

Im Vorwort ihres Buchs „Das Smarter Working Manifest“, in dem der Technologieexperte Guy Clapperton und der Plantronics-Manager Philip Vanhoutte die Frage „Wann, wo und wie sie am besten arbeiten“ einer Generalbetrachtung unterziehen, fasst der Autor Markus Albers die positiven Folgen der bürolosen Arbeit – jedenfalls was Ideenberufe angeht – zusammen: „Weder stimmt das Klischee des einsiedlerischen Genies, das in der Isolation seine größten Werke schafft. Noch kann unter dem täglichen Dauerfeuer der Ablenkung, wie wir es am Arbeitsplatz erleben, wirkliche Kreativität entstehen. Nach Untersuchungen der Universität St. Gallen haben wir 80 Prozent unserer neuen Ideen außerhalb des Arbeitsplatzes, also zu Hause oder unterwegs.“

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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