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Peter Glaser: Zukunftsreich

Schlummern nach Nummern

Es ist ein Kinderbett, das den Schlaf der Kleinen überwacht, ausgestattet mit einer fernbedienbaren Lampe und einer Alarmfunktion, falls sich der Nachwuchs dazu entschließen sollte, das Bett zu verlassen. So etwas könnte genial sein, wie einem alle von Schlafentzug gepeinigten Eltern gern erklären werden, während ihr schwerer Kopf immer wieder in den Kaffee vor ihnen auf dem Tisch tunkt. Kindern einen regelmäßigen Wach- und Schlafrhyrhmus einzuprägen, „kann sich anfühlen wie endlose Folter“, schreibt Jenny McGrath auf Digital Trends. Fragt sich nur, für wen.

Ein weiteres Licht unter dem Bett wird bei Bettflucht, also im Alarmfall, mit aktiviert. Außerdem hat das Bett einen Monster-Detektor. Es kostet 1000 Dollar – um einiges günstiger als das im Vorjahr präsentierte x12-Bett mit luftadjustierbarem Matratzensystem, Schnarchstopper und einem Füllhorn von Hightech-Goodies. 1000 Dollar für ein Kinderbett, ist es das wert?

Technologisch hochgezüchtete Luftmatratzen

SleepIQ heißt die Ruhestätte für Rangen, und in der Bezeichnung schwingen hypermoderne Fortschrittstechnologien, Neuronale Netze, KI, smarte Dinge. Auch der Name der Bettserie weist in die Richtung: Sleep Number verheißt numerische Lösungen für schlaflose Nächte. Auch Betten kommen nun nicht mehr ohne Smartphone und maßgeschneiderte App aus. Hergestellt und USA-weit in knapp 500 eigenen Läden vertrieben, werden die Sleep Number-Betten von der Firma Select Comfort aus Minneapolis. Im Grunde handelt es sich um hochgezüchtete Luftmatratzen in einem herkömmlichen Bettrahmen. Die „Sleep Number" ist eine Einstellung, mit der die Festigkeit der Matratze durch Luftdruck eingestellt wird, höhere Werte (bis 100) stehen für höheren Druck und mehr Festigkeit.

Schlummern deine Kinder engelsgleich oder sind sie angehende Schlafwandler? SleepIQ beherrscht das Kindertracking im Schlaf. Das Bett, das passend im Januar auf der Consumer Electronics Show vorgestellt wurde, ermittelt einen „SleepIQ“-Wert, der auf Atmung, Herzschlag und Bewegungen des Kontrollobjekts basiert. Das Bett sammelt die Daten automatisch und ohne dass ein Armband oder ein zusätzliches Meßgerät getragen werden muß. Das Kind wird quasi berührungslos ausgelesen. Die Eltern können sich dann den ermittelten Score ansehen und den Unterschied zwischen den Tagen sehen, an denen Karl-Julius Fußballtraining hat und denen, an denen er früher aufstehen muß, um im Rahmen einer Sozialstudie einen Schaukasten zu basteln. „Wenn die Kids älter werden, können sie selbst einen Blick auf ihre Daten werfen“, heißt es aufmunternd, „und ihren eigenen Schlafzeitplan managen.“ Einem Feature wie „Davonschleichneigung“ werden Teens sicher gern so schnell wie möglich entwachsen.

Wollen wir die Kinderverarbeitung?

Erziehung und Fürsorge gehören zu den Dingen, die Menschen mit Menschen tun sollten und nicht Maschinen mit Kindern. Das gilt für geplante Pflegeroboter ebenso wie für Methoden der Kinderkontrolle wie Spionier-Tools, die mit den Keylogging-Verfahren identisch sind, mit denen Schwerkriminelle ausgeforscht werden. Kinder haben keine Lobby, welche lautstark fordert, die zunehmende Technisierung der Kinderkontrolle zurückzunehmen und in die Hände der Eltern oder ihrer Stellvertreter zurückzuverlegen. Oder soll nun eine Generation heranwachsen, für die es selbstverständlich ist, von klein auf überwacht, geortet und gestreamt zu werden und deren Leben ein offenes Buch ist? Wie lange wird es dauern, bis neben den Kameras Robot-Arme an der Kinderzimmerwand montiert werden, um erzieherisch eingreifen zu können – kombiniert mit einer Bilderkennungssoftware, die verbotenes Verhalten automatisch erkennt und Sanktionen einleitet?

Mit in der SleepIQ-App enthalten sind übrigens noch eine eine Sternchen-Bewertung für guten Nachtschlaf - wenn der Junior jeden Abend um 21 Uhr im Bett ist, kann er sich einen goldenen Stern verdienen. Und es gibt einen Monster-Detektor. Dabei hilft einem die App bei der Ortung möglicher Gruselwesen unter dem Bett. Monströse Formen der Kontrolle werden dabei allerdings nicht angezeigt.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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