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Wissenschaft & Blödsinn

Wer positiv denkt, bleibt glücklicher dumm

Ich mag Buchgeschäfte. Von den Romanen bis zur Wissenschafts-Ecke – überall stößt man auf tolle neue Gedanken. Manchmal passiert es mir aber, dass ich aus Unachtsamkeit versehentlich in die bedrohlicheren Regionen des Buchladens gerate. Man ist kurz unkonzentriert, biegt falsch ab und schon steht man bei den Büchern über Lebensberatung und Mentaltraining. Und dort findet man ganz Erstaunliches.

Man kann nämlich, so lese ich da, ganz einfach alles erreichen was man möchte. Sie hätten gerne einen neuen Job, brauchen mehr Geld, wünschen sich eine glückliche Beziehung? Sie müssen nur fest daran glauben, dann kann man nämlich beim Universum Bestellungen aufgeben wie im Versandhandel. Wenn man positiv denkt, dann kommt das Gute ganz von selbst. Wenn nicht, dann liegt das an Ihnen, dann waren Sie geistig einfach nicht stark genug. Oder Sie haben nicht genug Geld für Bücher und Seminare ausgegeben.

Das ist praktisch, denn dadurch muss man keine Zeit mehr für Mitgefühl oder Anteilnahme verschwenden. Wer pleite ist, hat sich eben kein Geld gewünscht. Wer krank ist hat sich mental nicht ausreichend auf Gesundheit eingestellt. Sogar angeborene körperliche Behinderungen sind selbstgemacht: Wir kommen nämlich, so lese ich in einem dieser überaus schlauen Bücher, alle genau in dem Körper zur Welt, den wir uns ausgesucht haben. Jemand mit schweren Gendefekten und extrem verkürzter Lebenserwartung hatte nicht Pech, er hat einfach besonders mutig gewählt. Vielleicht sollten wir unser Gesundheitssystem abschaffen, damit sich in Zukunft weniger Menschen für eine Krankheit entscheiden?

Quantenphysik ist schuld

Schuld daran ist natürlich wie immer die Quantenphysik. Sie ist dafür verantwortlich, so wird behauptet, dass alles mit allem verbunden ist und der Beobachter die Natur beeinflusst – mit Physik hat das natürlich nichts zu tun, aber es klingt exotisch, gebildet und klug.

Nun könnte man sagen, dieses Gerede von den Bestellungen beim Universum sei eine zynische Marketingstrategie wohlhabender Mitteleuropäer, die von echten Problemen gar keine Ahnung haben. Soll ein gefolterter politischer Häftling einfach positiv denken und fröhlich auf seine Freilassung warten? Soll eine hungernde Familie nach der Dürrekatastrophe sich frohgemut bei den Händen nehmen und sich mental auf ein Festessen einstellen? Soll sich ein Unfallopfer, das im Krisengebiet ohne medizinische Versorgung ein Bein verloren hat, einfach für eine Teilnahme bei den olympischen Spielen bewerben, und ganz fest dran glauben, dass dieser Traum in Erfüllung gehen wird?

Entsolidarisierungs-Hetzschriften

Diese Bücher über positives Denken sind Entsolidarisierungs-Hetzschriften. Natürlich ist es gut, das Positive zu sehen, natürlich soll man Vertrauen in die Zukunft haben und sich große Ziele setzen. Aber zu behaupten, dass jeder im Leben dieselben Möglichkeiten habe und der Erfolglose durch seine mentale Einstellung selbst Schuld am persönlichen Unglück sei, ist menschenverachtender Unfug.

Aber halt! Das kann nicht sein. Schließlich handelt es sich um Bücher in kuschelig-fröhlichen Farben. Ich bin in der Abteilung des Buchgeschäftes, in der Einhörner, Regenbögen und Gänseblümchen regieren, gleich neben den Büchern über funkelnde Heilkristalle und glückliche Bio-Quantenschwingungen. Die Menschen auf den Buchumschlägen lächeln mich alle freundlich an. Die können doch nicht böse, hart und kaltherzig sein. Sollte ich mich also geirrt haben? Vielleicht muss ich mich in die Theorie einfach tiefer einlassen.

Ich denke also nach: Die Leute, die in die Titanic stiegen, waren völlig überzeugt davon, dass sie unsinkbar sei. Deshalb war ein Unglück nach den Regeln des positiven Denkens eigentlich ausgeschlossen. Dummerweise hat ein mental schwaches Besatzungsmitglied dann doch einen Eisberg entdeckt und damit das ganze Schiff dem Untergang preisgegeben. Das Problem war nicht zu wenig Wachsamkeit, sondern zu viel! Hätte man nicht nach Eisbergen Ausschau gehalten sondern in Ruhe meditiert, oder zumindest ganz fest daran geglaubt, dass es sich bloß um Zitronensorbet handelt, dann wäre alles gut ausgegangen.

Kein Risiko

Beim Autofahren gehe ich daher nun kein Risiko mehr ein. Ich habe die Windschutzscheibe innen mit dem Plakat eines rosaroten Einhorns verklebt und visualisiere während der Fahrt breite, leere Straßen ohne Stau. Das führte zunächst zwar zu einem grässlichen Unfall, aber das muss man positiv sehen. Ich habe dadurch nun die Chance, mir ein besseres Auto zu kaufen, das meinen Lebensträumen viel besser entspricht. Finanziell ist das kein Problem, denn ich stelle mir jetzt ganz fest vor, ich wäre reich. Das hat zunächst auch toll geklappt, bis dieser kleingeistige Kerl im Restaurant mir meine Kreditkarte zerschnitt. Ich konnte ihm nicht klar machen, dass ihm mein Konto nur gesperrt erscheint, weil sein Geist nicht ausreichend offen ist.

Und allen Autorinnen und Autoren von Positiv-Denken-Selbsthilfeliteratur wünsche ich hässliche lilafarbene Pickel auf der Stirn. Die können sie sich dann nämlich mit positivem Denken ganz einfach wieder entfernen und dann – ja dann wird ihnen wirklich endlich jeder glauben!

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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