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Menschenrechte

Anwälte gegen "Flut von Anti-Terror-Gesetzen"

Der Rechtsschutz bei präventiven Ermittlungen sei ohnehin äußerst mangelhaft. Österreich habe hier „seinen Triple A-Status längst verloren“, stellte Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff fest. Auf die vom Innenministerium angestrebte weitere Ausweitung der Polizeibefugnisse müsse verzichtet werden. Stattdessen sollte die „Flut von Anti-Terror-Gesetzen“ seit 9/11 auf Effizienz und Verhältnismäßigkeit evaluiert und endlich ein taugliches Rechtsschutzsystem aufgebaut werden.

Denn der Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium sei „nur ein Feigenblatt“, erklärten Wolff, Barbara Helige (Präsidentin der Liga für Menschenrechte), Maria Wittmann-Tiwald (Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte in der Richtervereinigung) und Hannes Tretter (Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Menschenrechte) in einem gemeinsamen Statement vor Journalisten.

Polizeibefugnisse bereits erweitert
Für Tretter ist zwar verständlich, dass die Polizei tätig werden will, wenn jemand Sprengstoff kauft und in Blogs Gewalt ankündigt. Aber seit 9/11 seien in Österreich „step by step“ die Polizeibefugnisse erweitert worden, während der Rechtsschutz hinten nachhinke. Dabei wäre strikte Rechtsstaatlichkeit gerade dort geboten, wo die Polizei in den „geheimen“ Bereich des Privatlebens eindringt.

„Es besteht die Gefahr, dass viele harmlose Menschen überprüft werden, während sich die echten Täter zurückziehen“, warnte Helige vor der SPG-Novelle. Mit der Erweiterten Gefahrenerforschung bei Einzelpersonen „muss jeder Käufer von Pflanzenschutzmitteln damit rechnen, dass er überwacht wird, weil dies als schwere Gefährdung gesehen werden kann“ - während potenzielle Täter wohl reagieren und ihre Absichten nicht mehr im Internet kundtun würden.

Zudem könne man sich nicht darauf verlassen, dass die Daten ausreichend gesichert werden, erinnerte Helige an den „Spitzelskandal“ mit Daten aus dem EKIS-Polizeicomputer.

Ereignisse oft unvorhersehbar
Zweifelhaft ist für Helige, dass die neuen Befugnisse der Polizei Erfolge in der Bekämpfung von Terror oder Gewalt bringen. Denn die Ausschreitungen der Rapid-Hooligans im Mai habe keiner vorhergesehen - obwohl die radikalen Fußballfans eine der best überwachten Gruppe seien. Der umstrittene „Mafia-Paragraf“ 278 sei auch mit Blick auf die Hooligans so geschaffen worden. Getroffen habe er aber Tierschützer und Studenten, die eine Abschiebung filmten. Auch er sollte „noch einmal überprüft“ werden, forderte die Richterin Wittmann-Tiwald.

Sie zeigt das „massive Defizit beim Rechtsschutz“ im SPG auf: Im Strafverfahren ist technische Observation nur auf Anordnung des Staatsanwaltes, befristet auf drei Monate, mit nachheriger Verständigung und Einspruchsmöglichkeit des Betroffenen, möglich. Bei einer Überwachung im Rahmen der „erweiterten Gefahrenerforschung“ ist nur der Rechtsschutzbeauftragte zu informieren, es gibt keine Begrenzung, keine Informationspflicht, keine Beschwerdemöglichkeit des Betroffenen.

EuGH-Beschwerde
Richterlicher Rechtsschutz kann bei der präventiven Gefahrenerforschung - wo ja noch keine Straftat erfolgte - nicht greifen. Der eigens geschaffene Rechtsschutzbeauftragte stelle aber nicht das von der EMRK geforderte effiziente Rechtsschutzinstrument dar. Denn er dürfe, müsse aber z.B. die Betroffenen nicht informieren. Eine Beschwerde dazu ist beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig, berichtete Tretter.

Für effizienten Rechtsschutz fehle auch ein „Verteidiger, der die Rechte der Person, gegen die ermittelt werden soll, vertritt“, stellte Wolff fest. Das könnten Rechtsanwälte übernehmen - oder auch eine nationale Institution zur Wahrung der Grundrechte. Eine solche hätte Österreich nach den Vorgaben der UNO einzurichten, aber auch hier sei man säumig, konstatierte Tretter.

"Präzisierungen" bis Februar
Die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz steht im Februar auf der Tagesordnung des Innenausschusses. Nach sehr kritischen Stellungnahmen in der Begutachtung hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einige „Präzisierungen“ vornehmen lassen. In einem Hearing im Innenausschuss blieben die Experten aber bei ihrer Kritik.

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