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BND-NSA-Affäre

Deutsche Kritik an WikiLeaks-Veröffentlichungen

Die Veröffentlichung von Protokollen aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags im Internet könnte nach Einschätzung des Vorsitzenden Patrick Sensburg (CDU) die Aufklärung erschweren. Vereinbart sei, dass Protokolle der Sitzungen erst später und nicht während der laufenden Anhörungen verbreitet würden, sagte Sensburg am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Durch die Preisgabe der Dokumente auf der Online-Plattform WikiLeaks könnten sich Zeugen vor ihrer Vernehmung nun detailliert über vorherige Befragungen informieren. Dies könnte BND-Mitarbeiter betreffen. Wenn zum Beispiel der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) Gerhard Schindler ausgesagt habe, werde kein Behördenmitarbeiter dieser Aussage widersprechen. "Zeugen müssen unabhängig von Aussagen der anderen Zeugen vernommen werden", sagte Sensburg.

Bei den bekannt gemachten Dokumenten bezögen sich einige wenige auf nicht öffentliche Beratungen, vor allem aber handle es sich um Mitschriften öffentlicher Sitzungen. Allerdings dürfen Zuschauer und Journalisten bei diesen keine Audio-Mitschnitte anfertigen. Nur durch Mitschriften lassen sich in der Regel keine lückenlosen Protokolle anfertigen, zumal diese am Ende oft noch bearbeitet werden. "Für einen Zeugen macht es schon einen qualitativen Unterschied, ob er ein Eins-Zu-Eins-Wortprotokoll lesen kann oder ober er sich nur informieren kann und gehört hat, was ein anderer Zeuge gesagt hat", sagte Sensburg. Nicht selten komme es hier auf Feinheiten an.

Recht auf Information

WikiLeaks-Gründer Julian Assange erklärte zu der Veröffentlichung von 1.380 Seiten mit den Aussagen von 34 Zeugen, unter ihnen 13 BND-Mitarbeiter, die anonym vor dem Ausschuss aussagten: Die Öffentlichkeit habe ein Recht auf die Informationen. Nur eine effektive öffentliche Kontrolle gewährleiste, dass die Untersuchungen transparent und gerecht erfüllt würden.

Der SPD-Obmann im NSA-U-Ausschuss, Christian Flisek, sprach sich dafür aus, nicht geheimhaltungsbedürftige Protokolle generell zugänglich zu machen. Mit der Veröffentlichung bei WikiLeaks sei früher oder später zu rechnen gewesen. "Durch die beharrliche Arbeit der Blogger waren die öffentlichen Zeugenvernehmungen bereits gut dokumentiert", sagte er Reuters. Die Darbietung schriftlicher Protokolle erwecke allerdings den falschen Eindruck, als gehe es um abgeschlossene Aussagen.

Sensburg sagte, er werde die WikiLeaks-Dokumente auf Hinweise auf die undichte Stelle abklopfen. Angesichts des großen Adressatenkreises - bestehend aus Ausschuss-Mitgliedern, Bundesregierung, Mitarbeitern und Stenografen - sei die Aufklärung aber kaum möglich.

Bärendienst

Kritisch zu den jüngsten Veröffentlichungen äußerten sich auch weitere CDU-Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses. Die CDU-Politikerin Nina Warken sagte dem Sender SWR: "Ich glaube, dass WikiLeaks dem Ausschuss einen Bärendienst erwiesen hat." Zeugen hätten dadurch die Möglichkeit, sich anhand der Protokolle gezielt auf ihre Auftritte vorzubereiten.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sprach im SWR von einem "Skandal" und forderte eine strafrechtliche Klärung. Maaßen sagte, dass seit Monaten "vertraulichste und geheime Informationen in den Medien kursieren, dass sie im Internet zu lesen sind aber auch in den Zeitungen teilweise wortwörtlich abgedruckt werden" sei aus seiner Sicht "ein Skandal, der bisher nicht als Skandal bezeichnet worden ist". Geheime Informationen müssten geschützt werden, "zum Schutz der inneren Sicherheit dieses Landes". Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Geheime Mails

Zuletzt hatten auch Medien wie "Zeit Online" und der Rechercheverbund aus "Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR unter Berufung auf vertrauliche Akten über Aspekte der Spähaffäre berichtet. So wurde beispielsweise der Inhalt von E-Mails zwischen Kanzleramt und US-Regierung veröffentlicht.

In der Affäre geht es um die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem US-Geheimdienst NSA. Der BND steht im Verdacht, der NSA dabei geholfen zu haben, befreundete Länder, darunter Österreich, und Unternehmen auszuspähen. Die deutsche Opposition wirft der Regierung vor, seit 2008 davon gewusst, dies aber bis vor kurzem bestritten zu haben.

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