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Entscheidung

Deutscher Bundesgerichtshof ebnet Weg für Netzsperren

Netzsperren zum Verhindern illegaler Downloads im Internet können nach Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur unter strengen Vorbedingungen verlangt werden. Der BGH wies am Donnerstag in zwei Revisionsverfahren entsprechende Forderung der Rechtegesellschaft Gema und mehrerer Tonträgerhersteller zurück. Sie hätten nicht genug eigene Anstrengungen unternommen, um gegen die Rechte-Verletzer vorzugehen. Die Kläger wollten die deutsche Telekom und die Telefónica als Störer in die Pflicht nehmen und waren damit bereits in den Vorinstanzen gescheitert. Als Störer haftet auf Unterlassung, wer zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts wie etwa des Urheberrechts beiträgt, ohne dabei selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - vorausgesetzt, er hat zumutbare Prüfungspflichten verletzt.

Worum ging es konkret? In einem Fall konnten Internetnutzer über die Seite „3dl.am“ auf eine Sammlung von Links und Adressen zugreifen, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikstücke ermöglichten. Im anderen Fall ging es um die Internetseite „goldesel.to“, die ebenfalls illegale Downloads ermöglichte.

Schwierige Verfolgung

In den Verhandlungen war deutlich geworden, dass eine Verfolgung von Rechten in manchen Fällen schwierig sein kann. Die Seite „goldesel.to“ wurde beispielsweise von einer Südseeinsel aus betrieben, Auskünfte über den Betreiber waren von dort zunächst nicht zu bekommen. Um den Internetanbieter in die Pflicht nehmen zu können, müssen die Rechteinhaber nach Auffassung des BGH aber alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um an den Rechte-Verletzer heranzukommen. So müssten auch Privatdetektive oder staatliche Behörden eingeschaltet werden. Eine einstweilige Verfügung, die nicht zugestellt werden kann, reiche nicht.

„Einen Detektiv nach Tonga oder Tuvalu zu schicken, um herauszufinden, wer hinter einer Website steckt, mag theoretisch spannend sein. Faktisch wird dies in einem Rechtsdurchsetzungsnirwana enden“, kritisierte der Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) Florian Drücke. Stattdessen forderte der Verband, der etwa 65 Prozent des deutschen Musikmarktes repräsentiert, ein konsequenteres Vorgehen gegen Internetseiten ohne Impressum.

Gema zufrieden

Die Gema begrüßte das Urteil, obwohl sie formal vor Gericht verloren hatte. „Diese Grundsatzentscheidung war längst überfällig, denn sie ist wegweisend für den Schutz der Rechte unserer Urheber im digitalen Musikmarkt“, teilte Vorstandschef Harald Heker mit. Jetzt bestehe Rechtsklarheit darüber, dass Zugangssperren von Webseiten, die illegal urheberrechtlich geschützte Musikwerke massenhaft anbieten, zulässig seien. Das sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Internetpiraterie.

Der Digitalverband Bitkom begrüßte das Urteil ebenfalls, warnte jedoch, dass die Gefahr von Netzsperren damit nicht gebannt sei. „Internetsperren sollten das äußerste Mittel der Netzpolitik bleiben“, sagte Rohleder. „Als Maßnahme gegen Urheberrechtsverstöße sind sie völlig überzogen.“ Die Interessen der Rechteinhaber seien legitim, es dürften aber auf diesem Weg die Freiheitsrechte der Internetnutzer nicht eingeschränkt werden.

Zumutbarkeit

Auch die Deutsche Telekom reagierte positiv, weil der BGH klar ausgesprochen habe, dass die Zumutbarkeit von Sperrmaßnahmen streng geprüft werden müsse. „Wir halten die Klageabweisung für richtig und konsequent“, teilte ein Sprecher mit. „Wer seine Urheber- oder anderweitige Rechte verletzt sieht, kann sich in erster Linie direkt an den Betreiber der jeweiligen Seite, an dessen Host-Provider oder an die entsprechenden öffentlichen Stellen wenden, auch im Ausland.“ Dieses Prinzip des „Löschen statt Sperren“ werde seit Jahren auch bei jugendgefährdenden Inhalten erfolgreich angewendet.

Der auf Internet- und Urheberrecht spezialisierte Hamburger Rechtsanwalt Clemens Rasch wertete die Entscheidungen als großen Erfolg für Rechteinhaber. Diese würden jetzt umgehend Maßnahmen ergreifen. Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke sieht in den Urteilen allerdings auch einen Dammbruch, bei dem bestimmte Internetseiten je nach Zugangsprovider abgerufen werden könnten oder gesperrt seien.

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